J.D. David

Sonnenfeuer


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die er schilderte, waren sehr ähnlich, wie an jenem Tag, als er Kloster Sonnfels verlassen hatte. Er hatte einen Auftrag von Prior Cleos, ja, aber viel mehr interessierten ihn die Wunder der Mutter Laëa, die es zu erforschen galt. So fiel es ihm auch leicht, von diesem Punkt an eine authentische Erzählung weiterzuführen. Das war es, was er hier wollte: eine gute Erzählung vortragen. Manchmal dachte er sich, dass er vielleicht Barde hätte werden sollen. Oder Poet. Nun, in einem anderen Leben vielleicht.

      Gespannt lauschten die Bewohner seinen Worten. Wie er die ersten Landstriche erkundete, wie er die Grenze zu Kargat passierte und das befeindete Königreich erforschte. Er erzählte über die kaiserlichen Truppen, die begannen, das Land zu besetzen.

      „Wieso sollte das Kaiserreich Kargat angreifen?“, fragte einer der Bewohner, ein kräftiger Mann jenseits der vierzig, der hier offensichtlich der Schmied des Dorfes war.

      „Wieso nicht? Sie haben es verdient, für all den Krieg, den sie uns gebracht haben. Jetzt wissen sie, wie es sich anfühlt, angegriffen zu werden.“, antwortete eine Frau aufgebracht. Daron schwieg und senkte kurz den Kopf, machte eine kleine Pause, um seiner Antwort Wirkung zu verleihen.

      „Dem Kaiser geht es nicht um Krieg, sondern um Frieden. Als ich die äußeren Grenzen des Kaiserreichs besuchte und mit den Bewohnern sprach, hörte ich immer das gleiche: Innerhalb des Kaiserreichs der Sonne gibt es keine Konflikte. Der Blick des Kaisers ist überall und seine Soldaten sorgen für Frieden. Und Frieden bringt Wohlstand mit sich. Doch so lange die äußeren Grenzen des Kaiserreichs unter Gefahr sind, kann dieser Frieden nicht bestehen. Deswegen schickt der Kaiser seine Soldaten in die nahen Länder, um die Wärme der Sonne auch über diese strahlen zu lassen.“

      Die Dorfbewohner blieben still. Sie alle schauten sich etwas unruhig an. Nachrichten aus ferneren Ländern wie dem Ylonischen Bund, ja selbst aus dem benachbarten Kargat, wirkten weit weg. Es gab keinen in dem Dorf, der Valorien je verlassen hatte. In der Tat hatten es die meisten maximal bis Goldheim geschafft, der nächsten größeren Stadt. Und doch schien ein großes Reich am Horizont kein beruhigender Gedanke.

      „Und was wenn der Kaiser Kargat erobert hat? Wird er dann seinen Blick nach Valorien richten?“, fragte der Schmied erneut mit skeptischem Blick.

      „Was sollte er daran interessiert sein, wir wollen das Kaiserreich ja nicht angreifen.“, wandte ein anderer Mann ein.

      „Und was, wenn er uns endlich Frieden bringt?“, stellte eine Frau eine Frage und alle nickten stumm. Daron hatte schon in den ersten Gesprächen bemerkt, dass es die Konflikte innerhalb Valoriens waren, die den Bewohnern von Eschfurt große Sorgen machten. Das Dorf war einst in den Kronlanden gewesen, aber im Jahr Priovans Tod, dem letzten König, vom Herzog von Tandor besetzt worden. Genauso wie Goldheim und weitere Städte des Nordens in den Kronlanden und dem Herzogtum Fendron. Seitdem hatte es öfter kleinere Scharmützel an der Furt gegeben, aber seit einiger Zeit schien sich der Status Quo etabliert zu haben.

      „Selbst wenn, sie würden genauso wie Kargat am Eisentor abprallen.“, gab die ältere Frau zu bedenken und wandte sich dann wieder direkt an Daron. „Bist du am Eisentor vorbeigekommen? Hast du die große Brücke über den Calas passiert?“

      Daron nickte, als sie das Thema wieder ein bisschen wechselte. „Ja, ich bin über die mächtigen Steine gegangen, die euer Königreich von Kargat trennen. Es ist ein beeindruckender Ort aus älteren Zeiten. Man spürt die Energie.“, erzählte er. „In der Burg Eisentor traf ich dann Alois von Schöngau, dem ich mich bis Elorath anschließen durfte. Von dort bin ich alleine nach Goldheim gereist und bin nun auf dem Weg nach Taarl. Aber diese Länder kennt ihr wohl besser als ich, also gibt es nicht mehr viel zu erzählen.“

      Die Zuhörer lachten, als er die Erzählung beendete. Einige ließen ihre Krüge neu befüllen und eine Magd schenkte auch in Darons Becher nach. Ein dünnes Bier, das aber eigentlich recht schmackhaft war. Und gut den Durst löschte. Was nach einer solch langen Erzählung wohl das Wichtigste war.

      „Und nun habe ich alles über meine Reise erzählt, aber eigentlich wollte ich doch Geschichten aus diesem Land hören.“, sagte Daron mit einem Lächeln.

      „Ich kann eine Geschichte erzählen“, hörte Daron die Stimme einer Frau aus einer dunklen Ecke der Schenke in der Nähe der Tür, die dann aus dem Schatten trat. Sie war in eine weiße Robe gekleidet, die mit allerlei Stickereien verziert war. Um die Schultern hatte sie einen dunklen Umhang, der das weiße Kleidungsstück verdecken konnte. Ihre blonden, langen Haare leuchteten im Schein des Feuers, als sie nach vorne trat. Die Dorfbewohner senkten ehrfurchtsvoll die Köpfe, obwohl die Frau vielleicht nur in ihren Dreißigern war und alles andere als hochgestellt wirkte. Eher sehr natürlich.

      „Dann will ich gespannt zuhören. Ich glaube, wir haben uns noch nicht kennen gelernt. Mein Name ist Daron, ich bin ein Reisender aus dem Ylonischen Bund.“

      Die Frau wirkte erst ernst, lächelte dann aber, als Daron sich vorstellte. „Ja, das habe ich gehört, und es freut mich. Mein Name ist Helena, und ich bin eine Priesterin der Trias.“

      Daron hatte bereits von der Trias gehört, einer Religion, die in Valorien eigentlich verboten war. Zumindest war dies der Fall gewesen, als er das Land vor so vielen Jahren hinter sich gelassen hatte. Aber dies schien nicht mehr vollkommen der Fall. Von Alois hatte er erfahren, dass auch der Herzog von Fendron ein Anhänger der alten Religion war. Dennoch wusste er nicht viel über die Religion.

      „Was ist das, die Trias?“, fragte er neugierig, als Helena sich in die Mitte der Zuhörer stellte und sich ein bisschen umdrehte, um jedem der Dorfbewohner in die Augen zu schauen.

      „Das ist der Beginn der Geschichte“, sagte sie mit einem Lächeln, das sie einige Momente Daron schenkte, während sie ihm tief in die Augen schaute. „Denn es geht um die Gnade der Trias, doch auch um ihre Strenge, ob der Fehler, die wir begehen.“

      Man merkte sofort, wie die Atmosphäre sich änderte. War die Runde gerade noch ausgelassen, lauschten die Männer und Frauen Helena nun aufmerksam, ehrfürchtig. Trotzdem erkannte Daron in ihren Blicken auch etwas Erleichtertes, Hoffnungsvolles. Es schien, als wäre der Glauben an diese Kräfte in dem Dorf tief verwurzelt. Wie sein Glauben an die Mutter Laëa. Mit dem Unterschied, dass Laëa ihre Kräfte offenbarte und ihm schenkte. Ähnliches hatte er von einer Trias Priesterin noch nicht gehört.

      „Am Anfang waren Elona, die Gnädige, Thorian, der Mächtige und Kylael, der Weise. Sie schufen unsere Welt und ihre Bewohner und bauten die größten Bauten, die wir noch heute bestaunen können. Doch eines Tages überließen sie uns unserem Schicksal, um unser eigenes Leben zu gestalten. Ihre Blicke blieben auf uns gerichtet.“, begann sie zu erzählen. Ihre milde Stimme belebte die Worte und viel mehr als die anderen Zuhörer schaute sie Daron an. Es schien klar, dass die Bewohner von Eschfurt viele der Geschichten der Trias kannten und so die Einführung mehr für ihn bestimmt war.

      „Doch sie ließen uns nicht alleine. Vor vielen Jahren schickten sie ihren Boten zu uns. Er blieb verdeckt, lebte unter uns und beobachtete unser Treiben und Streben. Doch er musste mit Enttäuschung feststellen, dass die Menschen sich von der Trias abgewandt hatten. Die Könige des Reiches verboten die Anbetung der wahren Macht dieser Welt. Mehr und mehr Menschen beugten sich den Befehlen und vergaßen die großen Taten, die die Trias für uns vollführte. Anstatt die Gnade Elonas leben zu lassen, verwickelten sich die Menschen in Konflikte und Kämpfe, strebten nach Macht und Rache und führten unerbittliche Kriege. All das endete in dem verhängnisvollen Jahr des Blutes, das unser Reich bis heute verändern sollte. Einstige Verbündete richteten die Waffen aufeinander, aus Gnade entsprang Hass, Vertraute fielen einander in den Rücken und der Tod unseres Königs beendete die Linie von St. Gilbert in Valorien.“ Helena sprach bedächtig, aber verlieh den letzten Worten deutlichen Ausdruck. Daron spürte die Enttäuschung in ihr, über die Konflikte. Er erinnerte sich an seinen eigenen Anteil, an jenem Jahr. Er erinnerte sich an Ulfs Befehle, und all die Pfeile, die er auf gute Valoren abschoss.

      „In diesem Moment beobachtete der Bote der Trias unser Treiben und wusste, dass dieses Land verloren ist. Er schickte zur Strafe Donner und Blitz über das Land und verließ Valorien in Groll. Ließ es alleine zurück, und damit auch die Hoffnung auf Gnade und Frieden,