J.D. David

Sonnenfeuer


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Graf von Ostwacht ist auch eingetroffen.“, sagte der Diener, als sie einige Schritte gegangen waren. Helmbrecht nickte, antwortete aber nicht. Natürlich, Valentin war auch gekommen. Er war über die letzten Jahre zu einem treuen Diener von Celan verkommen. Mit einem Auge hatte er stets auf Rethas geschielt, das er doch so gerne selbst beherrschen wollte. Aber Celan würde dies nicht erlauben. Helmbrecht selbst wollte einfach nicht sterben. Beides nicht gut für die Ambitionen des Grafen.

      Als er mit langsamen Schritten so auf die Wendeltreppe nach oben zuging, dachte Helmbrecht an jenen Tag vor fast sechzehn Jahren zurück. Er war auch in der Kammer gesessen, als der junge König mit Graf Valentin und Freiherr Arthur nach Grünburg gekommen waren, um ihn zu demütigen. Es war das letzte Mal gewesen, dass er Priovan I. gesehen hatte.

      Damals dachte er, dass er wohl ein schlechter König für Valorien war, zumindest für Rethas. Heute war er sich nicht mehr sicher. Die Zeit ohne Herrscher war wohl ungleich schlechter für das Land. Er seufzte. Ein Herrscher Celan würde Valorien wohl auch nur Unglück bringen. Doch war dies wohl die wahrscheinlichste Zukunft.

      Der Herzog von Rethas hörte die laute Stimme und die stampfenden Schritte von Graf Valentin schon aus einiger Entfernung. Der Ritter aus Ostwacht war über die Jahre immer aufbrausender geworden. Das Chaos im Land hatte sich scheinbar auf sein Gemüt übertragen. An manchen Tagen dachte Helmbrecht fast, die Persönlichkeit seines alten Weggefährten Heinrichs in Valentin zu sehen. Aber es gab einen großen Unterschied: Der Graf von Ostwacht war nicht nur aufbrausend, sondern auch verschlagen. Einen Charakterzug, den er sich wohl eher bei seinem Förderer Celan angeeignet hatte. Sowieso hatte sich Helmbrechts Bild über den jüngeren Mann von Jahr zu Jahr verschlechtert. Nicht verwunderlich, immerhin hatte der Graf die ganze Zeit auf seinen Thron geschielt. Und seine Enkelin. Doch wie es aussah, würde ihm beides verweigert bleiben.

      Als er gestützt von dem Diener durch die offene Tür trat, sah er in der Tat seine beiden Ritterbrüder als einzige Personen. Valentin stapfte aufgeregt auf und ab. Seine körperlich imposante Gestalt hatte sich über die letzten Jahre kaum verändert, nur das Blond der Haare und des Bartes waren einem Weiß gewichen. Celan hingegen saß ruhig an einem der kleineren Tische am Rand der Halle und nippte ruhig an einem Weinbecher. Seine Augen fokussierten Helmbrecht sofort, als er den Raum betrat. Während der Herzog von Tandor äußerlich gealtert war – die einst schwarzen Haare waren von sichtbaren grauen Strähnen durchzogen und das Gesicht war gegerbt und von Falten gezeichnet – hatte sich die Kraft in seinem Blick nicht abgeschwächt. Es war diese Mischung aus arroganter Überlegenheit, unbändigem Ehrgeiz und einer gewissen Verschlagenheit, die ihn schon als jungen Mann gekennzeichnet hatte. Schon als ihn Helmbrecht als Knappen ausgebildet hatte.

      „Helmbrecht!“, rief Graf Valentin laut aus, als er den Herzog sah. „Das ist alles deine Schuld! Ich habe dir schon im letzten Jahr gesagt, dass wir die Schwäche von Freital ausnutzen müssen, um ihn endgültig in die Knie zu zwingen. Wir hätten ihn aus den Wäldern treiben müssen, wie ein Wildschwein. Nun hat er uns in der Hand. Und keine deiner Soldaten konnten das verhindern!“

      Helmbrecht lächelte Valentin milde an. Er war es mittlerweile gewohnt, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Und sein Alter erlaubte ihm nicht mehr die Kraft, um sich mit Valentin oder Celan zu streiten. Gestützt von dem Diener ging er also weiter auf den Tisch zu, an dem Celan saß.

      „Für dich Valentin heißt es immer noch ‚Euer Gnaden‘“, wies er den Grafen ruhig aber bestimmt zurecht. „Des Weiteren würde ich dich bitten, einen sehr alten Mann zunächst zur Ruhe kommen zu lassen, bevor du mich mit Tiraden bewirfst.“

      Valentin blieb stehen, als hätte ihn ein Blitz getroffen. Die Worte Helmbrechts waren entwaffnend, und er wusste auch nichts zu erwidern, sodass Helmbrecht genug Zeit blieb, sich in Ruhe zu setzen. Der Diener zog den Stuhl leicht zurück und der alte Herzog ließ sich erleichtert auf die Sitzfläche sinken.

      „Ah, viel besser. Nun, junge Freunde. Willkommen in Grünburg. Mir scheint, ihr seid hier in letzter Zeit öfter, als es uns allen beliebt.“, sprach Helmbrecht ruhig weiter. Er bemerkte, wie ihn Celan weiter mit seinem Blick fokussierte, ohne etwas zu sagen. Stattdessen nippte er erneut an seinem Weinbecher.

      „Ach, und ihr trinkt meinen Wein leer. Nun gut Diener, für mich bitte ein Becher mit Wasser und einem kleinen Spritzer des Roten aus dem Ylonischen Bund.“, wies er den Diener an und beobachtete, wie dieser die Halle aus einem Diensteingang verließ. Dann schaute er wieder herausfordernd zu Valentin und dann Celan.

      „Also, was verschafft mir die Ehre?“

      „Das weißt du genau so gut wie wir. Dieser Verräter läuft nun seit fast zwei Jahrzehnten ungestraft durch dein Herzogtum. Und nun hat er einen Sohn Tandors und deine Enkelin in seiner Gewalt. Der treue Dolf ist tot. Und alles, weil du zu untätig gewesen bist.“

      „Valentin, in diesem Land führst du die Truppen bereits seit Langem. Mir scheint die Unfähigkeit der tandorischen Eskorte auch eher ein Grund für diese Entführung als meine Person.“, entgegnete der Herzog. Im Vergleich zu vielem anderen hatte ihn sein Verstand noch nicht verlassen.

      „Es ist auch deine Enkelin, die in den Händen dieses Mannes ist.“, erwiderte Valentin weiter energisch. „Du bist ein verblendeter alter Mann.“

      „Immer noch ‚Euer Gnaden‘“, mahnte ihn Helmbrecht. „Und dieser Mann ist ein Ritter Valoriens…“

      Er senkte den Blick leicht. Ja, sein erster Gedanke, als er die Nachricht erhalten hatte, war ähnlich wie die Reaktion Valentins gewesen. Es ging immerhin um Lerke, seine letzte Nachfahrin. Und der letzte Sonnenschein in seinem Leben, das doch sonst von dunklen Wolken überschattet wurde. Aber je länger er darüber nachgedacht hatte, desto ruhiger war er geworden. Ja, Arthur von Freital war auf keinen Fall ein schlechter Mann. Er war im Gegenteil einer der ehrlichsten und offensten Männer, die Helmbrecht in seinem langen Leben kennen gelernt hatte. Und er war ein Ritterbruder Valoriens, Träger von Blutstein. Er würde sich nicht an einem jungen Mädchen vergreifen, selbst wenn es seinen Plänen zuträglich war. Je länger Helmbrecht in den letzten Jahren über Arthur nachgedacht hatte, desto weniger konnte er in ihm einen Verräter sehen. Vielleicht war er selber der eigentliche Verräter an Rethas. Doch dies konnte er nun nicht mehr ändern. Dennoch teilte er die Sorge von Valentin mittlerweile nicht mehr.

      „Helmbrecht.“ Es war die tiefe und kraftvolle Stimme von Celan, die den alten Herzog aus seinen Gedanken riss. „Du wirst dafür sorgen, dass mein Sohn und meine zukünftige Schwiegertochter befreit werden. Koste es, was es wolle.“

      „Du überschätzt meine Möglichkeiten.“

      „Du…“, wollte sich Valentin gerade wieder lautstark zu Wort melden, wurde aber jäh von einer Handbewegung von Celan zum Schweigen gebracht. Auf ein Nicken des Herzogs von Tandor hin nahm stattdessen auch der Graf am Tisch Platz.

      „Ich stelle nur Tatsachen fest.“, fuhr Celan fort. „Entweder du schaffst es, sie zu befreien, oder ich werde Rethas mit Krieg überziehen. Feuer und Eisen werden regieren, bis die Kinder frei, oder gerächt sind. Dein Land wird brennen.“

      Es war die ruhige Art von Celan, die die Drohung erst glaubwürdig machte. Diese Kälte, mit der der Herzog von Tandor schon jetzt fast die Hälfte Valoriens unter seine Hand gebracht hatte. Mit Rethas würde sein Reich noch weiter wachsen. Helmbrecht zweifelte keinen Moment daran, dass Celan seinen Worten Taten folgen lassen würde. Aber er schüttelte nur resigniert den Kopf.

      „Tu das, Celan. Bald ist es sowieso dein Land. Oder denkst du, dass ich meinem Schicksal noch lange entrinnen kann?“, antwortete er dann herausfordernd.

      „Ich habe bereits heute Reiter entsendet. In die Alrinnen, nach Freital und in alle anderen Ecken deines Herzogtums.“, entgegnete Celan kühl.

      „Dann ist ja allem Sorge getragen.“, antwortete Helmbrecht. „Und was wünschen wir noch zu besprechen? Oder habt ihr dafür einen so langen Weg auf euch genommen?“

      Kurz lag Stille im Raum, bevor sich Valentin mit einem Räuspern zu Wort meldete. „Alois hat uns Boten geschickt. Er wünscht die Runde der Ritter in Elorath zu sammeln, um über die