J.D. David

Sonnenfeuer


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schauten wortlos in ihr Feuer. Beide hatten eine vollkommen andere Geschichte, doch ihre Wege hatten sich gekreuzt, und das Schicksal sie nun an diesen Ort geführt. Taskor erkannte viel von sich selbst in Eggbert. Was, wenn er in Armut, und nicht in das reiche Haus der Graufels hereingeboren worden wäre?

      „General, könnt Ihr mir eine Frage beantworten?“, fragte dann Eggbert.

      „Ich kann es versuchen.“

      „Was ist damals in Valorien geschehen?“

      Taskor seufzte. Es fiel ihm schwer, darüber zu sprechen. Andererseits hatte ein Mann wie Eggbert es nach so vielen Jahren wohl verdient, die Wahrheit zu erfahren. Immerhin half er nun, die letzte Erbin Wulfrics zu schützen.

      „Ich habe Valorien unterschätzt. Insbesondere habe ich Herzog Celan von Tandor unterschätzt. Ich habe mich in eine Falle ziehen lassen, die doch nur den durchtriebenen Plänen dieses Mannes diente. Auch das Schicksal hat uns schwere Schläge verpasst.“, begann Taskor zu reden.

      „Eine recht ungenaue Antwort auf meine Frage.“, brummte Eggbert und wollte sich schon abwenden. Taskor lächelte schmerzhaft, als er an die Zeit zurückdachte.

      „Ja. Das stimmt. Der Fall von Eisentor war ein abgekartetes Spiel.“, sprach er aber weiter und hielt Eggbert so weiter am Feuer. „Die Valoren wurden anscheinend von den Urben von Herzog Celan hinterrücks ermordet und uns wurde die Pforte geöffnet. Doch ich in meinem Hochmut dachte, dass wir einer guten Fügung des Schicksals entgegen sahen und befahl den Marsch auf Elorath. Immerhin dachte ich, dass der König mit seinem Bürgerkrieg in Fendron gebunden war. Mit ihm die Streitkräfte des Feindes und der anderen Herzogtümer. Außerdem hoffte ich auf schnelle Verstärkungen durch eine Streitkraft von König Magnus. All dies trat nicht ein. Die Burg wurde kurz nach unserem Abmarsch von urbischen Reitern von valorischer Seite erneut eingenommen. Die Streitkraft von König Magnus machte sich auf dem Weg aus Härengar. Allerdings nicht nach Norden, um Valorien einzunehmen, sondern nach Süden, um den ersten Angriff des Kaiserreiches abzuwehren. Wir waren alleine und verloren, geschwächt vom Marsch, einigen Kämpfen und Krankheit, wie du wohl weißt. Doch dann erhielt ich ein Angebot.“

      „Was für ein Angebot? Von wem?“, fragte Eggbert, als Taskor erst nicht weitersprach.

      „Von einem Kriegsherrn der Urben. Narthas war sein Name. Ich werde mich für immer an diesen Moment erinnern. Er versprach uns freies Geleit nach Kargat, wenn wir unsere Zelte und Fackeln aufgebaut ließen und im Schutz der Dunkelheit fliehen würden. Ich wusste, dass dies nicht ehrenhaft und eine Schmach war, aber die Alternative war, mit wehenden Fahnen unterzugehen. Alle Leben meiner Männer zu verschenken. Leben von Vätern wie dir, von Söhnen, Brüdern und Ehemännern. Doch die Bürde der Niederlage und der Schmach würde nur auf meinen Schultern liegen. Den Rest der Geschichte kennst du wohl.“, schloss Taskor die Erzählung ab. Was Eggbert dann sagte, verwundert Taskor.

      „Danke, General.“, sagte der Veteran. „Danke, dass Ihr unser aller Leben bewahrt habt. So hat meine Tochter einen Vater. Hunderte Familien haben ihre Söhne, Väter, Brüder und Männer wiederbekommen.“

      Der General nickte nur leicht als Antwort. Er wusste auch sonst nichts auf den Dank zu erwidern. Obwohl er ein Deserteur war, war Eggbert offensichtlich ein aufrichtiger Mann. Das hatte er schon in Härengar gespürt. Der Rest der Truppe war zwar im besten Fall bizarr, aber mittlerweile vertraute Taskor ihnen. Selbst dem verrückten Narren, der offensichtlich einige Knackse abbekommen hatte.

      „In Ordnung, ich werde dann noch einige Stunden Ruhe suchen.“, sagte Taskor und erhob sich vom Lagerfeuer. „Sei wachsam. Hier gibt es mehr Gefahren als Kaiserliche…“, sagte er noch zu Eggbert, als er die Lagerstelle verließ, um sich unter einem der Bäume in eine Decke zu wickeln.

      Ja, nicht nur durch Angreifer war dieses Land geplagt. Je mehr man sich von der Hauptstadt entfernte und in die abgelegenen Gegenden Kargats kam, desto größer wurde die Gefahr auf den Straßen. Einst waren es nur vereinzelte Räuberbanden gewesen. Doch sie hatten sich gesammelt, organisiert. Das Nachtrudel nannte man bald die Bande, die immer besser bewaffnet und koordiniert vorging. Fast zeitgleich mit seiner Niederlage in Valorien hatte sich die Gruppe formiert. Taskor war sich sicher, dass viele desertierte Soldaten, sowohl von der Front im Norden als auch um Süden, von ihrem Weg abgekommen waren. Soldaten wie Eggbert, der doch anscheinend einen etwas besseren Weg gefunden hatte. Einen etwas besseren Weg.

      Es waren düstere Gedanken, die Taskor in den Schlaf begleiteten. Aber für Optimismus gab es in diesen Zeiten fürwahr nicht viel Platz.

      Flammen. Es waren immer wieder die Flammen, die sie sah. Obwohl sie es nur aus der Ferne gesehen hatte, stand sie in ihrem Traum direkt neben ihren kleinen Geschwistern. Sie sah, wie das Feuer sich im Raum ausbreitete. Sie wollte weglaufen, doch ihre Füße bewegten sich nicht, wurden von den Schatten gehalten. Sie wollte schreien, doch ihre Stimme wurde überlagert. Von den monotonen Trommelschlägen und –wirbeln und den Klängen der Flöten, die die marschierenden Männer antrieben. Ein Klang, einst entstanden aus Freude an der Musik, zum Vergnügen der Massen, der doch pervertiert worden war. Nun für immer der Klang des Todes für sie war. Nein, sie wollte sie retten. Tyl. Adela. Sie musste sie retten. Sie streckte ihre Hand aus, wollte sie greifen. Doch sofort schlugen die Flammen um sie. Hitze umgab sie. Sie wollte nicht aufgeben.

      „Tyl. Adela. Greift meine Hand!“, wollte sie rufen. Doch ihrem Mund entsprangen keine Worte, nur weitere Flammen. Sie erkannte, wie das orange Licht die beiden Kinder umgab. Sich durch Kleidung und Fleisch fraß, nur schwarzen Ruß hinterließ. „Nein!!!“, wollte sie schreien, ob der sterbenden Geschwister, doch immer noch erklang kein Laut. Der Lärm des Todes überlagerte alles. Fast alles. Aus den Flammen hörte sie die flehenden Schreie der Sterbenden.

       Sonya. Sonya. Sonya.

      „Sonya, wach auf!“

      Sie riss die Augen auf und spürte den Schweiß auf ihrer Stirn, über den der kühle Wind der Nacht strich. Über ihr gebeugt erkannte sie nun die Person, die wirklich zu ihr gesprochen hatte.

      „Mutter, was…?“, wollte sie fragen, die Stimme noch immer zu laut ob des Traums, wurde aber jäh unterbrochen als ihr Königin Hega die Hand auf den Mund legte.

      „Schsch!“, machte sie einen Laut und flüsterte dann weiter. „Irgendetwas stimmt nicht.“

      Sonya spürte noch immer ihren schnellen Atem. Sie versuchte sich zu beruhigen. Zu lauschen. Fast schon befürchtete sie die Trommeln und Flöten zu hören, aber dies schien nur aus ihrem Traum nachzuhallen. Erst schien der Wald ruhig zu sein, doch dann hörte sie das Schnauben von Pferden.

      Wieso hatte sie ihre Wache nicht gewarnt? Reiter musste man doch aus großer Entfernung bemerken. Sie wollte gerade etwas sagen, als ihre Mutter erneut die Hand über ihren Mund legte. Langsam krochen die Frauen in das nahe Unterholz, in die Dunkelheit.

      Der erste lautere Klang waren die schweren Stiefel eines Mannes, der aus dem Sattel seines Pferdes sprang. Trotz des weichen Waldbodens konnte man dies deutlich vernehmen. Die Rüstung klimperte. Der Mann musste eine Metallrüstung tragen. Vielleicht sogar Platte. Also eher ein Soldat, denn ein Bandit.

      Sonya schaute aus den Büschen hinaus, in die sie ihre Mutter gezogen hatte. Eingewickelt in ihre Mäntel waren sie wohl in der Tat kaum zu sehen. Sie schaute auf. Wollte sehen, wer dort war. Nur kurz konnte sie ihren Blick über ihr Lager schweifen lassen, bis sie ihre Mutter wieder hinunter zog. Doch sie hatte genug gesehen. Zu viel gesehen.

      Sonya presste ihre Hand vor ihren Mund, um nicht aufzuschreien. Sie hatte das Lagerfeuer gesehen. Den Grund, wieso sie niemand gewarnt hatte. Eggbert Einauge, der alte Veteran, hatte neben dem Feuer gelegen. Im Rücken mehrere Bolzen. Hinter den Flammen war eine Gestalt aus dem Wald getreten. Das orangene Flackern der Flammen sah wie in ihrem Traum aus, nur schwächer. Doch die goldene Sonne auf rotem Grund war Realität.

      „Aufwachen! Im Namen des Kaisers!“, rief der Offizier laut über die schlafenden Gestalten hinweg. Sonya erkannte, dass die Sorge ihrer Mutter, der Königin, nur ihr gegolten hatte, der letzten Prinzessin Kargats. Die restlichen Gefährten lagen noch unwissend im Schlaf und wurden jäh