J.D. David

Sonnenfeuer


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war in dem Jahr, das wir nun das Jahr des Blutes nennen. Sie hat sich mit drei weiteren Rittern verschworen, die Macht im Land an sich zu reißen. Einer der drei wurde getötet, einer floh aus dem Land und der letzte, Arthur von Freital, marodiert mit seinen Männern in Rethas. Eleonora wurde in einer großen Schlacht niedergerungen und getötet, wobei sie auch einen weiteren Ritter tötete. Ulf von Darbenkort. Deswegen gibt es nicht mehr viele Ritter, denn ohne König wurden die Schwerter nicht weitergereicht.“

      Daron senkte den Kopf. Große Schlacht. Nein. Es war ein sinnloses Gemetzel. Kurz war er versucht, Vincent zu widersprechen, hielt sich aber zurück. Was sollte der Sohn Tandors denn auch sonst sagen? Als dieses schicksalshafte Jahr über Valorien gekommen war, war Vincent noch ein kleiner Junge gewesen. Während Daron alles gesehen hatte. Die Schlacht. Die Toten. Eleonora. Die schöne Ritterin.

      „Ein trauriges Ende. Ich hoffe auf eine bessere Zukunft für dein Land.“, sagte Daron. Vincent nickte nur. Ja, Valorien hatte eine bessere Zukunft verdient. Es brauchte Frieden, und nicht den ständigen Konflikt zwischen Herzögen und Rittern. Nicht noch mehr Krieg und Zerstörung. Doch manchmal musste eben noch ein letztes Feuer wüten, um Frieden zu bringen.

      Zweiundzwanzig Jahre. Was einst Demütigung und Knechtschaft gewesen war, hatte sich in eine ehrenvolle Aufgabe gewandelt. Dennoch zählte Narthas jedes Jahr das verging, um seine Schuld zu begleichen. Mit jedem Jahr das vergangen war, war er im Respekt Herzog Celans gestiegen und hatte sich nun zu einem seiner wichtigsten Berater und Heerführer entwickelt. Vielleicht auch deshalb, weil er scheinbar der einzige Mann am Hofe von Taarl war, der dem Herzog die Stirn bot und seine Meinung aussprach. Trotz des Pfandes, das Celan in der Hand hielt. Seine Ehre als Krieger gebot es ihm. Der Herzog von Tandor würdigte seine Einschätzungen. Damals, vor zweiundzwanzig Jahren, hätte er niemals erahnt, Seite an Seite mit Celan um sein Reich zu kämpfen. Doch genau dies tat er. Deswegen war er nun in Valor Kath.

      Er stand auf der kleinen Palisade, die Nordend umgab. Als die Stadt besetzt worden war, war ein großer Teil niedergebrannt. Doch dies war nun schon viele Jahre her und man hatte die Hütten und Häuser neu errichtet, viele sogar aus Stein. Tandor hatte der Stadt seinen Stempel aufgedrückt, nicht nur durch die Wolfsbanner, die an den verschiedenen Ecken im Wind flatterten. Der neue Freiherr hatte sein eigenes Gefolge mitgebracht, auch Handwerker aus Taarl waren gefolgt. Die nahen Nebelberge boten Erze für ihre Tätigkeiten. So waren auch mehrere neue Bergwerke entstanden, die die Schätze aus der Erde holen sollten. Die Stadt war regelmäßig erweitert worden, sodass die Palisade mittlerweile eher einem unförmigen Ei glich denn dem Kreis, der einst vorhanden war. Für Narthas war Nordend eines jener Beispiele, die den positiven Einfluss Celans auf das Land bewies. Bald würden mehr Orte folgen.

      Der Blick des Khans der Urben schweifte über die Zelte, die im Norden der Stadt errichtet worden waren. Vor einigen Tagen hatte die Zahl der urbischen Soldaten die Einhundert überschritten. Jeden Tag kamen mehr an, in kleinen Gruppen. Celan hatte Valor Kath als Basis für seinen Plan gewählt. Narthas hatte ihm nach kurzer Überlegung zugestimmt, obwohl er erst Zweifel gehabt hatte. Valor Kath war abgelegen und lebensfeindlich. Viele der Vorräte mussten mit Karren aus anderen Freiherrentümern hergebracht werden. Bis zu der Grenze Tandors war es eine weite Entfernung. Eine starke Festung gab es nicht. Doch all dies waren Faktoren, die Celans Plan beflügelten. Den nächsten Angriff auf Fendron.

      Seit einigen Jahren hatte sich ein stabiles Gleichgewicht zwischen Tandor, Fendron und den verbleibenden Kronlanden eingestellt. Doch dieses würde nicht mehr lange bestehen. Allerdings hatte der Waffenstillstand auch wieder Reisende angeregt, Händler, die durch ganz Valorien zogen. Und so auch Neuigkeiten übermittelten, aus den Städten und Dörfern, aber eben auch Militärbewegungen. Wenn Celan eine große Streitmacht aufgestellt hätte, vielleicht sogar direkt an der Grenze seines Reiches, wäre er sofort bemerkt worden. Forgat würde dann wohl seine Truppen sammeln um sich in einer seiner Burgen oder an einer Furt zu verschanzen, auf den Angriff wartend. So wie er es schon bei den bisherigen nicht erfolgreichen Angriffen getan hatte. Also hatte sich Celan für einen anderen Plan entschieden und wie schon so oft in den Kämpfen spielte Narthas dabei eine wichtige Rolle.

      Kleine unscheinbare Truppen sammelten sich entlang der gesamten Grenze zu Fendron. Im Norden der einstigen Kronlande, in Auenstein, in Lyth Valor. Doch die größte Streitkraft von Reitern würde sich hier in Valor Kath sammeln, verdeckt vor den Augen des Feindes, der doch nicht in diesen entlegenen Winkel des Reiches blickte. Mit jedem Tag wuchs also die Truppe unter Narthas Befehl und in ein bis zwei Monaten würde der Angriffsbefehl erschallen. Bis dahin galt es ruhig und unscheinbar zu bleiben, die Männer bei Laune zu halten. Dem Freiherrn und den Bewohnern von Nordend waren die Urben als Verstärkung der nördlichen Grenze erklärt worden. Späher hätten Aktivitäten der Nordlande erkannt. Natürlich ein Vorwand. Zum einen hatte Narthas in diese Richtung keine Späher geschickt, zum anderen gab es jenseits der Berge wohl kaum etwas zu sehen.

      Mit langsamen Schritten ging er die Palisaden weiter entlang und beobachtete die jungen Urben, die vor der Stadt mit Pferd und Bogen übten. Viele der Älteren hatten befürchtet, dass die junge Generation unter tandorischem Befehl verweichlichen würde. Narthas war anderer Meinung gewesen und sah sich bestätigt. Er führte ausgezeichnete Urben in die Schlacht, die den Geist der Steppe in sich trugen, obwohl sie weit entfernt der alten Heimat groß geworden waren. Sie waren furchtlos, stolz und stark, wie ihre Vorväter. Wie all die Krieger, die er in den letzten Jahrzehnten in die Kämpfe geführt hatte.

      „Mein Herr.“, hörte Narthas eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und erkannte eine der Wachen von Wichart, dem Freiherrn. Er lächelte, amüsiert darüber, wie schwer es den Valoren immer noch fiel, eine Anrede für ihn zu finden. Er war Khan der Urben, ein Titel, den die Valoren nicht einzuordnen wussten. Doch seine Ausstrahlung forderte Respekt und er war bekannt als enger Vertrauter Celans, um nicht wie ein einfacher Mann angesprochen zu werden. So hatte er schon viele Varianten gehört und immer schien sein Gegenüber nervös.

      „Ja, mein Junge?“, antwortete er mit hochgezogener Augenbraue.

      „Mein Herr, der Freiherr schickt mich Euch zu holen. Es sind Gäste eingetroffen.“

      „Gäste?“

      „Ja...ja… mein Herr.“, stammelte der Bote, sichtbar unsicher ob der Reaktion des Khan.

      „Wer?“

      „Seine Gnaden, der Sohn von Herzog Celan.“

      „Lumos ist hier in Nordend?“, fragte Narthas ungläubig. Doch der Mann schüttelte den Kopf.

      „Nein, mein Herr. Vincent von Tandor.“

      Narthas nickte nur. Vincent war besser als Lumos, so viel war klar. Der jüngere Bruder war besonnener und umgänglicher als der Erbe des Herzogtums.

      „Gut. Ich komme gleich.“, sagte er und signalisierte dem Mann mit einer Handbewegung zu verschwinden. Noch einmal drehte er sich um und blickte über seine Urben. Der Tag rückte näher, an dem sie das beenden würden, was er vor sechzehn Jahren begonnen hatte. Er erinnerte sich noch wie heute an den Abend nach der Schlacht, in der sie Ismar von Falkenheim geschlagen hatten. Erst an jenem Abend hatte Celan seinen Plan ausgebreitet, und ihn, Forgat und Ulf in seine Gedanken eingeweiht. Der geplante Fall von Eisentor, der die anderen Ritter auseinanderziehen sollte. Die Eroberung Eloraths von Innen. Der Tod von Geron, Heinrich, Arthur und Eleonora, der ja nur teilweise realisiert worden war. Schließlich die Übernahme des Throns durch Celan, dem Erben von Leodegar, dem Bruder des Gründervaters Gilbert. Obwohl sie viele Erfolge gefeiert hatten, war der Plan nicht vollständig aufgegangen. Er selbst hatte seinen Teil erfüllt. Eisentor erobert, die Kargatianer ins Land gelockt, die Burg zurückerobert, um dann den General des Nachbarlandes für seine Zwecke zu gewinnen. Aber der Tod Ulfs war ein Rückschlag gewesen, genau wie die Flucht Arthurs und Gerons und das Erstarken Alois‘. Doch all dies hätte wohl nichts ausgemacht, wenn Forgat von Fendron nicht seine religiöse Eingebung gehabt hätte, die die Machtverhältnisse geändert hatten. Narthas selbst glaubte nicht an jene Trias, wollte aber ihre Existenz auch nicht ausschließen. Wenn die Geister über die Steppen herrschten, konnte es auch andere Wesen geben, die ihre Reiche beanspruchten. Doch deren Einmischung kam zu einem schlechten Zeitpunkt. So hatte sich die ständige Situation des Krieges eingestellt,