J.D. David

Sonnenfeuer


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Lösung: der Sieg Tandors. Nun war er gespannt, ob Vincent Nachrichten von seinem Vater brachte, die diesen Plan weiter befeuerten. Dann machte er sich auf und lief die Palisaden hinunter, um auf den kleinen Bergfried zuzusteuern.

      „Euer Gnaden, wenn Ihr Euren Besuch früher angekündigt hättet, hätte ich Nordend vorbereitet, um Euch entsprechend willkommen zu heißen. Bitte entschuldigt den Zustand der Stadt und des Hofes.“, sagte Wichart, während er sich tief vor Vincent verbeugte, der gerade aus dem Sattel gestiegen war. Vincent schaute den Mann an, der als Veteran unter seinem Vater in vielen Schlachten gekämpft hatte. Trotzdem war er ein erbärmlicher Speichellecker. Ein Typ von Untertan, von denen Celan von Tandor viel zu viele hatte, zumindest in Vincents Augen.

      „Danke, Wichart. Es ist auch nicht nötig. So lange deine Küche mir und meinen Gefährten ein stärkendes Mal und ein kühles Bier servieren kann, bin ich vollkommen zufrieden.“, antwortete Vincent selbstsicher und signalisierte Wichart, sich aufzurichten.

      „Sehr wohl, Euer Gnaden. Ich werde Euch natürlich meine Kammer überlassen.“

      „Hab Dank auch dafür. Wichart, darf ich dir meinen Gefährten Daron vorstellen. Er ist ein Reisender aus dem Ylonischen Bund, fern im Süden jenseits Kargats, und will unser schönes Tandor kennenlernen. Ich hatte vor, mit ihm morgen an den Valor Kath zu reisen.“

      „Es ist mir eine Freude.“, sagte Wichart an Daron gerichtet, allerdings deutlich trockener als die vorher an Vincent gerichteten Worte. Daron antwortete mit einem Nicken.

      „Und mir eine Ehre, Wohlgeboren.“

      „Dann wollen wir mal eintreten.“, sagte Wichart und wies den Weg in die kleine Halle hinein. Daron folgte Vincent, der sich dem Freiherrn anschloss, als auf einmal eine weitere Stimme von hinter ihnen ertönte.

      „Vincent, es ist überraschend und schön dich hier zu sehen.“

      Der angesprochene Sohn Tandors wandte sich um und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

      „Narthas. Du bist schon in Nordend!“, rief er freudig aus und ging auf den Mann zu. Daron betrachtete die Gestalt. Narthas war offensichtlich ein Urbe, das zeigten die markanten Gesichtszüge. Er war wohl ähnlich alt wie der Freiherr von Valor Kath. Doch im Vergleich zu diesem, der schon alle Haare verloren und einige Fettpolster angesetzt hatte, war der Urbe drahtig und gestählt von Jahrzehnten des Kampfes. Das Alter hatte die Züge gegerbt und gehärtet, ohne ihnen die Stärke zu nehmen.

      „Nun Junge, dein Vater sandte mich schon vor einiger Zeit aus Taarl.“ Vincent nickte lächelnd.

      „Ja, aber ich hatte vermutet, dass du dich in Auenstein aufhältst. Narthas, darf ich dir Daron vorstellen, ein Freund, den ich auf meinen Reisen kennen gelernt habe.“, sagte er und zeigte auf den Novizen. „Daron, dies ist Narthas Khan, Sohn des großen Ikran Khan, Stammesführer der Urben und treuer Diener meines Vaters. Außerdem der Grund, dass ich selbst bei wildesten Ritten im Sattel bleibe.“

      Daron verneigte sich vor Narthas, der doch eine größere Autorität als Wichart ausstrahlte, obwohl letzterer der eigentliche Herr des Hauses war. So stand der Freiherr etwas alleine und unbeachtet in der Tür zur Halle.

      „Daron also.“, sagte Narthas und musterte den Mann. Daron fühlte sich, als würden die kalten Augen des Urben ihn durchbohren. „Woher stammst du?“

      „Aus dem Ylonischen Bund, mein Herr.“, antwortete Daron. Narthas nickte, sein Blick noch immer skeptisch.

      „Ich habe schon einige Fremde aus anderen Reichen gesehen, aber du ähnelst ihnen nicht.“, sagte Narthas, wurde aber von Vincent unterbrochen, bevor er weitere Fragen stellen konnte. Der Herzogssohn legte einen Arm um die Schulter des Khans um mit ihm Seite an Seite in die Halle zu gehen.

      „Narthas, du musst dir unbedingt einige Geschichten von Daron anhören. Über ferne Reiche und mystische Helden.“, sagte er überschwänglich, nur um dann den Kopf zum Ohr des Urben zu neigen, und flüsternd hinzuzufügen: „Und du musst mir unbedingt berichten, wie weit die Vorbereitungen stehen.“ Narthas nickte wortlos, während sie die Halle betraten.

      „Meine Gäste…“, versuchte Wichart erneut das Wort zu erheben, wurde aber mit einer kleinen Handbewegung von Vincent unterbrochen. Der Sohn Tandors löste sich von Narthas und ging zielstrebig auf den Kopf der Tafel zu, um sich auf dem aufwändigen Holzstuhl niederzulassen. Er zeigte auf die beiden Stühle an seiner Seite.

      „Narthas, Daron, darf ich euch an meine Seite bitten.“ Er spürte, dass Wichart etwas erwidern wollte. Immerhin war es dessen Halle. Doch mit einem ernsten Blick verhinderte Vincent den Einspruch und wandte sich stattdessen an die Diener des Freiherrn. „Diener, bringt uns doch etwas zu Trinken und einige Speisen. Der Koch soll sich außerdem daran machen, etwas Ordentliches auf den Tisch zu bringen. Wir sind hungrig.“, befahl er ihnen.

      „Was hast du in Valor Kath vor, Vincent?“, fragte Narthas, nachdem er sich gesetzt hatte.

      „Mein Vater hat mir aufgetragen, die entfernten Provinzen seines Reiches auf ihre Wehrfähigkeit hin zu überprüfen.“, antwortete Vincent und schaute dabei eindringlich zu Wichart. Bevor der Freiherr aber endlich zu Wort kommen konnte, fuhr er einfach fort. Der Speichellecker aus Nordend war es nicht wert, zu Wort zu kommen. „Außerdem wollte ich mit Daron zum Pass von Valor Kath. Wir werden aber bald weiterreisen. Nach Auenstein und Lyth Valor.“

      „Eine mutige Entscheidung, an den Pass zu reisen, wo die Geister nach Rache suchen bei jenen, die das Reich verraten haben.“, hörte Daron die Stimme eines alten Mannes und drehte sich um. In der Tat saß in der Ecke ein alter Mann, den er vorher nicht bemerkt hatte. Er hatte keine Haare mehr, seine Haut war eingefallen und seine Augen milchig weiß. Er musste das übliche Alter eines valorischen Mannes schon lange überschritten haben, hatte bestimmt schon mehr als siebzig oder achtzig Sommer gesehen.

      „Ach sei still, alter Mann.“, fuhr ihn Wichart an, doch auch Vincent drehte sich um.

      „Welche Geister, alter Mann? Und wer bist du?“

      Der Alte schnaubte nur. „Die Festung am Valor Kath wird von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht, den Geistern derer treuen Untertanten St. Gilberts, die hinterrücks verraten wurden. Sie spüren den Verrat und steigen vom Pass hinab, um die Verräter zu bestrafen. Verräter wie Celan von Tandor und alle die ihm folgen.“

      Noch bevor Vincent etwas erwidern konnte, schlug Wichart mit der Faust auf den Tisch. „Sei still, Rodrik. Genug, dass du meine Nerven jeden Tag strapazierst, wagst du es, meine Gäste zu beleidigen. Ich sollte dir auf der Stelle den Kopf abschlagen.“

      „Wir werden sehen, wessen Kopf zuerst rollt.“, erwiderte der alte Hofmeister bissig.

      „Es reicht.“, rief Wichart laut und wandte sich an eine der Dienerinnen, eine blonde Frau, die vielleicht in ihren Dreißigern war. „Klara, bring deinen Großvater hinaus, bevor ich mich vergesse.“

      „Natürlich, Wohlgeboren!“, sagte die Angesprochene mit einem unterwürfigen Knicks und ging auf den alten Mann zu.

      „Los, Großvater, ich helfe dir in deine Kammer.“

      „Wenn mich…“, wollte Rodrik etwas erwidern, aber Klara legte ihm die Hand auf den Unterarm.

      „Es ist gut, Großvater. Bitte denke an uns.“, sagte sie mit weicher Stimme und schaffte es so in der Tat, den alten Mann zum Schweigen zu bringen. Auf ihren Arm gestützt folgte er Klara aus der Halle hinaus.

      Vincent schaute ihm noch nach, die Augen zu schmalen Schlitzen verzogen und blickte dann nicht weniger ernst zu Wichart. „Das war ja mal eine unangenehme Überraschung, Wichart.“

      „Entschuldigt ihn, Euer Gnaden. Er ist ein alter Mann und verwirrt.“

      Vincent zog die Augenbraue hoch, antwortete nicht. Stattdessen schaute er weiter zu Wichart. Sein Blick stellte all die Fragen, die er nicht aussprach. Wieso der Freiherr einer solchen Person erlaubte, hier in der Halle zu sein? Wieso er nicht für den Vorwurf des Verrats, der doch selber einen Hochverrat darstellte, bestraft wurde? Und eben, wer