J.D. David

Sonnenfeuer


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von Eisfurt. Er hat bereits die letzten drei Freiherren von Valor Kath als Hofmeister gedient und ist bei den Menschen von Nordend äußerst beliebt.“

      Die Antwort klang wohl weniger überzeugt, als Wichart gewollt hatte. So starrte ihn Vincent weiter an, ohne etwas zu sagen. Der Freiherr erkannte nun den Vater in dem Sohn Tandors. Während er bis zu diesem Moment freundlich, geradezu fröhlich gewesen war, entsprang seinen Augen nun die Kälte, die Celan von Tandor auszeichnete.

      „Ich hielt es für das Richtige, ihm die wenigen letzten Jahre seines Lebens am Hof zu belassen. Aber er strapaziert meine Geduld.“, versuchte Wichart noch zu retten, was zu retten war. Die angespannte Situation wurde von einem breiten Lächeln Vincents unterbrochen, der sich ohne Wichart eines weiteren Wortes zu würdigen zu Daron drehte.

      „Dann, Daron, sollten wir uns vor Geistern in Acht nehmen, meinst du nicht auch?“

      Obwohl der Herzogssohn lächelte, war Daron nicht so überzeugt. Nicht nur seit seiner Verehrung von Laëa wusste der Novize, dass es Kräfte auf dieser Welt gab, die Menschen nicht verstehen konnte. Die Rache der Toten, die verraten wurden… Wieso auch nicht? Dennoch erwiderte er mit einem Lächeln.

      „Ich werde dir den Rücken freihalten.“

      „Na dann, auf die Geister des Valor Kaths.“, sagte Vincent mit einem Grinsen und erhob seinen Becher.

      Die Halle war fast leer. Nur noch Wichart und Vincent saßen am Tisch und Narthas stand in einer Ecke an die Wand gelehnt. Vincents Blick folgte den beiden Dienern, die den Raum verließen, und die Türe hinter sich schlossen.

      „Wichart, danke für den angenehmen Empfang. Du kannst dich nun auch entfernen.“, sagte Vincent mit kalter Stimme zu dem Freiherrn, der merklich ein Krug Bier zu viel getrunken hatte. So schwankte er schon leicht und wirkte langsam und behäbig.

      „Also werde ich schon aus meiner eigenen Halle geworfen?“

      Wieder dieser kalte Blick von Vincent. Es war die gesamte Verachtung für den Mann, die aus den Augen von Celans Sohn sprach. Wie hatte sein Vater nur einen solchen Schwächling zum Freiherrn machen können? Oder was war aus ihm geworden, wenn er einst ein Kämpfer an der Seite Herzog Celans gewesen war?

      „Ja, Wichart, du wirst nun aus deiner eigenen Halle geworfen, weil ich mit Narthas Wichtiges zu besprechen habe. Sei froh, dass es nur die Halle ist, die du heute verlierst.“, antwortete Vincent scharf. Es war die Endgültigkeit der Aussage, die keine Erwiderung mehr erlaubte. Wichart zögerte noch kurz, erhob sich dann aber und wankte zum Ausgang. Die Tür schlug fester in das Schloss, als es notwendig gewesen wäre. Dennoch blieb Vincent regungslos. Erst als die Tür nicht mehr zitterte, wandte er sich zu Narthas, der immer noch in der dunklen Ecke stand.

      „Narthas, wie weit seid ihr?“

      Erst jetzt trat Narthas Khan hervor und an den Tisch. Er blieb an der Tischkante stehen und schaute Vincent in die Augen.

      „Ich habe fast zweihundert Mann hier in Nordend. Innerhalb des nächsten Monats werden wir zweihundert weitere hierher verlegen und diese über das Freiherrentum verteilen. Im Sommer werden wir mit dieser Truppe den Norden Fendrons angreifen, am besten bis nach Nordfurt vorstoßen und Forgat so aus Tjemin locken. Die Truppen deines Vaters sind über die Gebiete jenseits des Orb verteilt und werden sich im Frühsommer unauffällig in Auenstein sammeln. Die Burg und umliegenden Dörfer bieten genug Raum, viele Männer zu verstecken, wenn diese verteilt anreisen. Bis Forgats Spione die Finte durchschaut haben, stehen wir schon in Tjemin.“

      Vincent nickte. Sein Vater hatte ihm den Plan bereits in Taarl erklärt, aber nun, da sich die Steine ins Rollen setzten, schien das ganze unwirklicher. Celan selbst konnte den Feldzug nicht anführen. Es wäre viel zu auffällig gewesen, wenn er aus Taarl nach Westen gezogen wäre. Narthas würde den nördlichen Angriff führen. Doch die Verantwortung über das Hauptheer hatte Celan seinem Zweitgeborenen überlassen. An seiner Seite würde noch Rimbert von Taneck reiten, der Statthalter von Lyth Valor und jüngere Cousin Celans. Dennoch lag die Verantwortung für den Erfolg auf seinen jungen Schultern. Während Lumos, sein älterer Bruder, wohl nicht mal in den Plan eingeweiht war.

      „Gut. Mit diesem Reisenden Daron habe ich eine noch bessere Tarnung, durch das Land zu reisen. Dennoch werde ich aus Nordend verdeckt weiterreisen. Ich möchte weder in Auenstein noch Lyth Valor erkannt werden. Bedenke das, falls du Boten schickst.“, antwortete Vincent.

      „Natürlich.“, sagte Narthas und wandte sich schon zum Gehen, als er sich noch einmal umdrehte. „Dein Vater hält große Stücke auf dich.“

      Vincent nickte. „Narthas. Ich habe Lumos auf dem Weg hierher getroffen, auf der Jagd auf Triasgläubige. Lass deine Späher Ausschau halten, nicht dass er noch zu eifrig wird.“, warnte Vincent den Urben.

      „Das werde ich tun. Danke.“

      Die Wolken hingen tief in den Bergen, waren aber im Laufe des Vormittags lichter geworden und so konnte man die Bergspitzen der Dunkelzinnen erahnen. Dennoch war es ein düsteres Bild, hier im Schatten der großen Berge zu stehen, und vor der einsamen Passstraße, die sich ins Gebirge schlängelte.

      „Jetzt habe ich wohl das gesamte Reich durchquert.“, merkte Daron schmunzelnd an, als er den Pass hinauf schaute.

      „Noch ist es ein recht langer Aufstieg bis zur Grenze. Aber ja, da du vom Eisentor kommst, hast du es zumindest von Süden nach Norden geschafft.“, antwortete Vincent, der sein Pferd gestoppt hatte. Er schaute den Berg hinauf.

      Schon vor dem Sonnenaufgang waren sie aus Nordend aufgebrochen, wo sie drei Tage geblieben waren. Daron hatte mit einigen der Bewohner gesprochen, um Geschichten zu hören. Er hatte von den Geistern der Feste am Pass gehört, von den Nordmännern jenseits der Berge, von Mythen und Legenden aus fernen Tagen. Aber auch immer wieder die Geschichte der jungen Freiherrin, der Ritterin Valoriens. Die Geschichte von Eleonora von Mondschein. Eine kurze aber nicht weniger beeindruckende Geschichte. Wie sie, während viele aufgaben, weitergekämpft hatte, und dennoch eine Lösung im Frieden gefunden hatte, ohne Blutvergießen. Wie sie die legendäre Klinge Mondschein geführt hatte, gegen die Feinde des Reiches. Wie sie unterging, im Jahr des Blutes. Spätestens hier unterschieden sich die Geschichten, je nachdem, wen man fragte. Am Ende stand stets der Verrat, jedoch von unterschiedlichen Seiten.

      „Dann sollten wir uns an den Aufstieg machen. Ich bin auch sehr gespannt, die Geister der alten Feste zu sehen.“, sagte Daron aufmunternd und wollte schon sein Pferd voran treiben. Doch Vincent schüttelte den Kopf.

      „Nein, diesmal nicht. Ich wollte dir gerne das Ende des Reiches zeigen. Oben am Berg sieht man die Feste. Wie sie schwarz und düster über uns ragt, am Ende Valoriens. Aber ich muss weiter nach Auenstein. Falls du zum Pass reiten willst, trennen sich unsere Wege.“, sagte er.

      Daron hielt inne. Er spürte, dass diesen Ort etwas Besonderes umgab. Als wäre die Erde näher. Als wäre er näher an Laëa. Als wäre die Kraft der Mutter stärker hier. Mit jedem Schritt, den er sich dem Pass und der Festung näherte, spürte er es mehr. Dennoch war seine Aufgabe eine andere. Die Bekanntschaft von Vincent hatte hier sehr geholfen und obwohl er sehr neugierig auf die schwarze Festung war, wollte er diesen Vorteil nicht riskieren.

      „In Ordnung. Dann auf. Ich bin gespannt auf die mächtige Festung Auenstein und auf den Hafen von Lyth Valor.“

      Vincent nickte. Er warf einen letzten Blick auf die Festung und zog sich dann die Kapuze über.

      „Daron, ab hier werde ich nicht länger offen als Vincent von Tandor reisen. Ich bin ein Wanderer wie du. Unsere Eskorte lassen wir in Nordend. Nenn mich einfach Gren.“, sagte Vincent, als er sein Pferd gewendet hatte.

      Daron schaute ihm nach und wollte den Grund erfragen, bemerkte aber, dass er wohl keine Antwort erhalten würde. Also zog er ebenso am Zügel, um dem Sohn von Tandor zu folgen.

      „Mein Khan.“, hörte Narthas die Stimme eines seiner Späher vor der Zeltwand.

      „Tritt ein.“, rief er nach draußen. Sein Blick war auf eine Karte gerichtet, die auf einem Tisch ausgebreitet lag. Sie zeigte den Orb und die Gronde