Liv-Malin Winter

Pechschwarzer Sand


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schwer Ersatz gibt.«

      »Du suchst die Achillesferse?«

      »Ja.«

      Ungeduldig wartete Eric auf eine Antwort, aber sie ließ auf sich warten. Er surfte im Netz, um sich abzulenken. Dann ging er in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Als er zurückkam, hatte er eine Antwort erhalten.

      »Das Wasserrecyclingsystem ist eine Schwachstelle. Für die Wasseraufbereitung wird ein Hydrozyklon genutzt. In dieser Anlage werden die Sandkörner unter Ausnutzung der Zentrifugalkraft vom Wasser getrennt. Ein Hydrozyklon besteht aus mehreren Segmenten. Das verschmutzte Wasser wird in ein zylindrisches Segment geleitet, wobei die Flüssigkeit in einem abwärts gerichteten Wirbel nach unten strömt. An das zylindrische Segment schließt sich ein konisches Segment an. Dieses verjüngt sich und erzeugt so aufwärtsgerichtete Wirbel. Das saubere Wasser kann durch den Oberlauf entweichen, während der Sand an der Wand des Zyklon abgeschieden und durch den Unterlauf ausgetragen wird. Durch die Härte der Sandpartikel werden die Bauteile schnell beschädigt und müssen oft ersetzt werden. Es gibt nur zwei Firmen, die Hydrozyklone herstellen. Eine sitzt in Deutschland. Von denen bezieht ENTAL seine Teile. Die andere befindet sich in China. Soweit ich weiß, sind die chinesischen Teile nicht so robust und verschleißen schneller. Wenn die deutsche Firma nicht mehr liefert, kann es Monate dauern, bis der Ölkonzern einen zuverlässigen Ersatz findet.«

      »Das klingt hochinteressant. Woher weißt du so etwas?«

      »Es ist mein Job, so etwas zu wissen.«

      Eric bedankte sich für die Auskünfte und verabschiedete sich. Dann grübelte er darüber nach, auf wen er da getroffen war. Musste eine Person, die sich so detailliert mit dieser Art von Technik auskannte, nicht bei ENTAL arbeiten?

      »Gut, dass du noch einmal vorbeigekommen bist.«

      »Was gibt es denn?«, erkundigte sich Marc.

      Doch statt sich mit einer Antwort aufzuhalten, schob Eric seinen Freund direkt in sein Arbeitszimmer.

      »Sieh dir das an«, sagte er und zeigte auf dem Bildschirm. Die Homepage der Firma Zeishold & Tölkes war geöffnet. »Das sind die Bauteile, die wir brauchen! Sie werden in Deutschland hergestellt. Anscheinend bezieht ENTAL sie nur von dieser Firma«, erklärte Eric begeistert.

      »Wie hast du das so schnell herausgefunden? Ich habe vorher noch nie etwas von Hydrozyklonen gehört.«

      »Ich habe einen Kontakt im Internet aufgetan. Es sind ein paar Umweltschützer, die vermutlich in Kanada sitzen. Die haben mich auf die Hydrozyklone aufmerksam gemacht. Allerdings müssen wir uns überlegen, was wir mit diesem Wissen anfangen. Wir können die Firma ja schlecht bitten, freundlicherweise damit aufzuhören, nach Kanada zu liefern.«

      Marc überlegte einen Moment und plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. Eric sah seinem Freund an, dass ihm eine Idee gekommen war.

      »Ich glaube, ich muss mich mal mit Hank unterhalten, sobald ich wieder in Brüssel bin.«

      Eric hatte Hank kennen gelernt, nachdem Isabella in Brüssel verschwunden war. Hank hatte ihm bei der Suche nach Isabella geholfen. Wenn sie im Internet Spuren hinterlassen hätte, dann hätte Hank sie gefunden. Leider war er erfolglos geblieben. Eric dachte nur ungern an die Verzweiflung zurück, die ihn in jenen Tagen zu ersticken drohte. Er schüttelte seine trübsinnigen Gedanken ab und konzentrierte sich wieder auf das eigentliche Thema.

      »Es gibt eine Sache, die mich stutzig macht. Wie kann es sein, dass jemand, der angeblich nicht bei ENTAL arbeitet, so genau über deren Technik Bescheid weiß?«

      »Eine gute Frage. Vielleicht kann Hank uns sagen, ob diese Umweltschützer echt sind oder nicht. Vielleicht hat er auch eine Idee, wie wir die Lieferung dieses Bauteils nach Kanada stoppen können. Bevor wir etwas unternehmen können, muss aber jemand nach Kanada fahren und sich die Lage vor Ort ansehen.«

      »Wer soll das übernehmen?«

      »Du hast im Moment genug mit deinem Auftrag bei Retramo zu tun und ich habe in den nächsten Wochen auch keine Zeit für eine so weite Reise«, überlegte Marc. »Pierre könnte das erledigen. Er ist einer meiner engsten Mitarbeiter. Ihm kann ich diese Aufgabe anvertrauen.«

      »Das stimmt. Der Retramo-Auftrag muss gut laufen, sonst kann ich meine Firma dichtmachen.«

      »Ich muss jetzt zum Bahnhof, damit ich meinen Zug noch erwische. Ich halte dich auf dem Laufenden.« Marc und Eric gingen in den Flur. Sie verabschiedeten sich und Marc verließ die Wohnung.

      Rena wiegte das Baby sanft, um es zu beruhigen. Erics aufgebrachte Worte waren dabei nicht hilfreich. Sie beobachtete, wie er in der Küche hin und her lief. Sein Gesicht war während des Telefonats mit Marc zunehmend finsterer geworden und seine Antworten immer einsilbiger. Er beendete das Telefonat.

      »Was ist los?«, erkundigte sie sich.

      »Pierre kann nicht nach Kanada fahren. Seine Freundin hatte einen Unfall mit dem Fahrrad. Sie hat einen komplizierten Armbruch und jetzt muss er bei ihr bleiben und sich um sie kümmern. Marc hat niemand anderen, den er nach Kanada schicken könnte. So ein Mist!«, fluchte Eric. »Wir haben ENTALs Schwachstelle gefunden und Hank hat tatsächlich einen Plan, wie wir das ausnutzen können. Jetzt müssen wir alles wieder abblasen.« Frustriert sah Eric in die Dunkelheit hinaus.

      Hank hatte eine Idee, wie sie die Firma Zeishold & Tölkes unter ihre Kontrolle bringen konnten. Marc hatte Eric berichtet, dass Hank irgendwas von Optionsscheinen gemurmelt und sich bei Marc erkundigt hatte, wie viel Geld er auftreiben könne. Das mit dem Geld war ein Problem, aber Eric sollte sich nach geeigneten Sponsoren umsehen, während Pierre in Kanada war. Nun schien diese Idee bereits im Keim erstickt, weil Pierre die Reise nach Kanada nicht antreten konnte.

      »Warum fährst du nicht nach Kanada?«, fragte Rena.

      »Erstens muss ich mich um den Auftrag von Retramo kümmern und außerdem legt das Schiff bereits morgen in Rotterdam ab.«

      »Um das Projekt können wir uns kümmern«, schlug Rena vor.

      »Meinst du das ernst?« Eric sah sie überrascht an.

      »Sicher, du hast Chris schon in die praktischen Sachen eingewiesen und am Computer kenne ich mich sowieso besser aus als er. Du kannst mir jetzt die notwendigen Dokumente zeigen. So wie ich Melissa kenne, wird sie in der nächsten Stunde ohnehin nicht in ihrem Bett liegen wollen. Während du unterwegs bist, können wir per E-Mail in Kontakt bleiben«, schlug Rena vor. »Die Frage ist nur, ob du es schaffst, bis morgen in Rotterdam zu sein. Ich weiß nicht genau, wo Rotterdam liegt.«

      »Ich rufe Marc an.«

      Eric erfuhr, dass das Schiff erst morgen Abend ablegen würde. Allerdings musste er einen Zwischenhalt in Brüssel einlegen und sich mit Marc treffen. Marc würde ihm die Informationen weitergeben, die er in Kanada benötigte. Diese Informationen waren streng vertraulich und konnten nicht via Internet verschickt werden.

      Den Nachtzug nach Brüssel würde Eric nicht mehr erreichen. Er fand eine Zugverbindung, die es ihm ermöglichte, rechtzeitig am Hafen zu sein. Er buchte sich ein Ticket für den ersten Zug am nächsten Morgen. Am frühen Nachmittag wäre er in Brüssel und hatte zwei Stunden Zeit, um sich mit Marc zu treffen.

      »Hier ist dein Ticket für das Schiff. Es legt um 20:00 Uhr ab, also sieh zu, dass du pünktlich bist. Es ist ein Frachtschiff und wird nicht auf dich warten«, sagte Marc.

      »Wirklich nicht?«, antwortete Eric ironisch.

      Marc lachte, doch er wurde schnell wieder ernst.

      »Hier ist die Adresse, wo sich Pierre mit den Umweltschützern treffen sollte. Hank hat nichts über sie herausgefunden. Sie sind sehr vorsichtig. Wir haben beschlossen, ihnen zu vertrauen.« Marc reichte Eric einen Zettel mit der Adresse. Dieses Detail wollte er nicht per Mail verschicken. »Wenn du in Kanada bist, musst du nach weiteren Schwachstellen bei der Ölfirma suchen. Ich glaube, die Hydrozyklone allein werden nicht genügen, um ENTAL aufzuhalten.«

      Marc und Eric saßen in der Ecke eines Cafés und besprachen die