Victoria vanZant

ShadowPlay - Entblößt


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      »Und für Hope«, bestätigte Elena. Als sie sich aus der Umarmung zurücklehnte, fiel ihr Blick auf die stilvollen Villen und mehrstöckigen Altbauten. »Mailand hat wirklich eine grandiose Altstadt. So viel alter Baumbestand. Die Häuser komplett eingebettet in dieses romantisch lichte Frühlingsgrün ...«

      »Hui, du hast deine poetische Ader entdeckt?«, neckte Fiona und setzte geheimnisvoll hinzu: »Dann warte noch zwei Minuten …« Kurze Zeit später zeigte sie in die Richtung großer Grünflächen.

      »Ein englischer Park mitten in Italien. Uund was ist denn das?« Eine mächtige Mauer und noch gewaltigere Rundtürme aus dunkelgrauen Steinen überragten selbst die jahrhundertealten Alleebäume.

      »Das ist die Verteidigungsanlage des Castello Sforzesco, ein Schloss aus dem fünfzehnten Jahrhundert«, zitierte Fiona den kleinen faltbaren Stadtführer, den sie aus der Handtasche gezogen hatte. »Ziemlich imposant.«

      »So kenne ich dich«, grinste Elena breit. »Wie immer bestens vorbereitet.«

      »Die Dinger lagen am Flughafen aus. Ich hatte vorher keine Zeit mir eine App aufs Smartphone zu laden. Aber ich finde, die gute alte Methode mit dem Faltnavi passt zum Ambiente unserer Rundreise.«

      Das Taxi bog wieder in eine der kleinen Seitenstraßen ein. »Apropos Rundreise: Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass das nicht der direkte Weg zum Modeviertel ist«, sinnierte Elena.

      »Da Sightseeing zeitlich leider nicht drin ist, habe ich den Fahrer gebeten, wenigstens an den schönsten Sehenswürdigkeiten vorbeizufahren.«

      »Was für eine tolle Idee! Es wäre wirklich eine Schande, ohne …!« Der Blick aus dem Fenster auf das weltberühmte Opernhaus verschlug ihr erneut die Sprache.

      »Wäre es nicht toll, wenn wir in der Scala eine Vorstellung sehen könnten?«, schwärmte Fiona.

      »Oh ja! Und wenn ich mir vorstelle, wer hier schon alles gesungen hat: die Callas, Caruso, Mario Lanza, Pavarotti …«, pflichtete Elena ihr begeistert bei.

      »Hebe dir noch ein bisschen Luft auf«, mahnte Fiona, »denn das Beste kommt erst noch!«

      Als sie um die nächste Ecke bogen, verstand sie, warum.

      »Meine Güte!«, war alles, was Elena noch zustande brachte, bevor sie geblendet von der Marmorfassade, die das gleißende Sonnenlicht reflektierte, die Augen zukniff.

      »Der Mailänder Dom – wirklich eine Schande, dass wir keine Zeit haben, ihn zu besichtigen«, bedauerte Fiona.

      Elena setzte ihre Sonnenbrille auf und beugte sich vor, um mehr als nur einen kurzen Blick von dem imposanten Prachtbau zu erhaschen.

      »Nach dem Petersdom und der Kathedrale von Sevilla ist der Dom die drittgrößte Kirche der Welt«, zitierte die Schwangere weiter aus dem Stadtführer. »Und einige sagen, es ist sogar die schönste aller Kathedralen.«

      »Diese vielen Türme, die Verzierungen und vielen Statuen, wundervoll.« Elena klatschte begeistert in die Hände.

      »Über viertausend figürliche Darstellungen – und besonders prächtig sollen auch die bunten Glasfenster im Chor sein.«

      Elena drehte sich um, bis der Dom aus dem Heckfenster verschwunden war. Plötzlich wurde sie von einer seltsamen Wehmut gepackt. Zeit, wie viel Zeit würde sie zukünftig noch mit Fiona verbringen können, wenn sie verheiratet war? Sie würde aus der WG ausziehen und wahrscheinlich auch London verlassen. Einem plötzlichen Impuls folgend ergriff sie die Hand der Freundin: »Ich möchte, dass wir uns versprechen, dass wir gemeinsam nach Mailand zurückkehren und eine Vorführung in der Scala besuchen!«

      Fiona sah sie erstaunt an. »Das ist eine wundervolle Idee, das verspreche ich dir nur zu gern!«

      Kaum hielt das Taxi an, hatte Elena Mühe, mit der Schwangeren Schritt zu halten. Die sprintete zielstrebig in einen kleinen Laden, über dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift Gelateria da Fausto prangte.

      »Hope hat Hunger, wir brauchen ein Eis«, erklärte Fiona der staunenden Freundin, die vor Begeisterung fast kopfüber in eine Reihe rechteckiger Metallschalen stürzte, die von Eiscreme in den schönsten Farben überquollen. Einige kunstvoll geschmückt mit Kapstachelbeeren oder Obstspießen, andere getoppt von Strömen aus Nuss-Nugat-Creme oder von Schokoladenriegeln geigelt.

      »Das ist der Himmel!«, stieß Elena hervor und rieb erwartungsvoll die Hände aneinander. Doch lange Zeit zum Schwärmen blieb ihr nicht, schließlich galt es, lebenswichtige Entscheidungen zu treffen.

      »Was ist Dolce Latte?«

      »Karamell.«

      »Also das möchte ich auf jeden Fall und dann auch eine Kugel Panna Cotta. Die roten Streifen da drin – ist das Himbeere?«

      »Ja, das ist Himbeerpüree. Du wirst es lieben!«, bestätigte Fiona in Erinnerung an die vielen Kugeln Eis, die sie im vergangenen Spätsommer während des Italienurlaubs mit Ryan genossen hatte.

      »Ich liebe es«, bestätigte Elena und schmiegte sofort wieder die Lippen um die zart schmelzende Masse. Schweigend und genießend schlenderten die Freundinnen nebeneinander her. Immer wieder musste eine hinter die andere zurückweichen, um entgegenkommende Passanten vorbeizulassen. »Das finde ich wirklich merkwürdig. Überall in der Altstadt gibt es breite Gehwege, auf denen noch Platz für Straßengrün ist, nur hier im Modeviertel wird es eng.«

      Fiona leckte sich genüsslich die Finger ab und schob ihre Sonnenbrille in die Haare zurück, bevor sie antwortete. »Ja, das finde ich auch ziemlich schräg. Die Via Monte Napoleone ist eine der teuersten Straßen weltweit. Hier gibt es Armani, Gucci, Cartier, Chanel, Prada …«, zählte sie auf. »Und dann gibt es noch nicht einmal Platz zum Schlendern. Dabei sind die Auslagen in den Fenstern so toll und warten nur darauf, bestaunt zu werden. Aber ich denke, die Dame von Welt fährt wahrscheinlich standesgemäß vor.«

      »Es gibt hier noch nicht mal Parkplätze!«

      »Hach, du Kulturbanause«, feixte Fiona und näselte vornehm, »natürlich fährt sie in der Nobelkarosse mit Chauffeur vor, der Madame absetzt und auch wieder einsammelt! Ich hoffe, dass auch wir schnöden Fußgänger hier bedient werden.«

      Elena grinste nicht weniger feist zurück – theatralisch rieb sie Daumen und Zeigefinger aneinander. »Ich denke doch, dass Mister Ryan Kerrigan dich mit passenden Argumenten ausgestattet hat!«

      Fiona senkte die Stimme. »Besser, viel besser«, bekannte sie freimütig und zog eine Kreditkarte aus der Tasche. »Wenn wir wollten, könnten wir jetzt auch einen Ferrari kaufen … aber dazu fehlt uns leider die Zeit«, seufzte sie und bog ohne Vorwarnung in die nächste Boutique ab.

      Elena musste feststellen, dass die Braut – entgegen ihrer Annahme – exakte Vorstellungen von einem passenden Outfit für die Hochzeit hatte. Jedenfalls lag die Vermutung nach dem aufgeregten Redeschwall, mit dem sie das Duo herbeigeeilter Designerkleidung auf zwei Beinen überschüttete, nahe.

      Ob mangelnde Kommunikation, ein eventuelles Unvermögen der Mitarbeiterinnen oder fehlende Passform schuld waren, ließ sich auf Anhieb nicht klären: Auch nach dem fünften Kleid verließ Fiona immer noch gestresst die Kabine und blickte erst unzufrieden an sich selbst hinunter und danach im Spiegel wieder hinauf. Was die Schwangere in ihrer Verzweiflung zu der Frage führte, die exakt auch Elenas Hauptnerv traf.

      »Was ziehst du denn zur Hochzeit an?«

      Elektrisiert versuchte sich die Blondine, aus dem Sessel zu schälen, der sie wie eine behagliche Umarmung umschlang. Sicher nicht grundlos, denn in diesem noblen Etablissement war man offensichtlich darauf bedacht, die Herren der Schöpfung gleichsam einzufangen wie auch bequem unterzubringen, damit sie sich während der Wartezeit auf ihrem dicken Portemonnaie keine Beule in den Allerwertesten saßen.

      Im Vorbeigehen schnappte Elena sich das Ensemble, das ihr Herz schon beim Hereinkommen auf den ersten Blick erobert hatte: Ein schlichtes Etuikleid mit einem passenden Spitzenbolero, dessen Wirkung im edlen Glanz des Stoffes und