Victoria vanZant

ShadowPlay - Entblößt


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um zu helfen.

      Elena folgte den Piloten zu dem Kleinbus, der vor der Tür auf sie wartete. Aus dieser Perspektive hatte sie den Flughafen noch nie gesehen: was für eine beeindruckende Kulisse. Sie fuhren direkt über das Rollfeld an den Flugzeugen, die zum Greifen nah waren, vorbei. Von hier unten aus betrachtet waren es plumpe Riesen aus Aluminium; unvorstellbar, dass die Kolosse überhaupt abheben konnten.

      David tippte ihr auf die Schulter und nickte Richtung Osten. Gegen das Licht der Morgensonne zeichneten sich die Umrisse eines Businessjets ab.

      Zwei Triebwerke, dachte Elena – wieder einmal zu laut.

      »Ja, die Gulfstream 450 ist ein zweistrahliger Jet. Ist das für dich wichtig?«

      »Beruhigend«, antwortete sie verunsichert.

      David strich unauffällig über ihren Arm. »Flugangst?«, raunte er ihr diskret zu.

      »Nein … ja …«

      »Ich bin mir bewusst, dass du mir dein Leben anvertraust. Hilft es, wenn ich dir sage, dass ich nicht beabsichtige, es zu gefährden, weil ich noch viel mit dir vorhabe?« Süffisant grinste er sie an, ließ seine Finger vom Arm hinab auf ihren Oberschenkel rutschen und bewegte sie auf direktem Weg in Richtung Schritt. Elena blickte starr geradeaus. Wenn sie nicht damit beschäftigt wäre, die Fingerübungen des Piloten vor dem Co-Piloten zu verbergen, würde sie David zu gerne auf ganz andere Weise helfen … Jetzt war er sogar schon so dreist, sie öffentlich zu provozieren. Zum Glück waren es nur noch wenige Meter bis zum Ziel – und seine Fingerspitzen erreichten ihres nicht!

      Der Kleinbus hielt gerade an, da trabte Ryan schon die Stufen der Gangway hinunter.

      »Na, ihr Schlafmützen, auch aus dem Bett gefunden?«

      Liebevoll nahm er Elena in den Arm, die peinlich berührt den Kopf einzog.

      »Fi erwartet dich bereits in der Kabine. Mach es dir bequem, um das Gepäck kümmern wir uns.«

      Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Worauf Ryan mit seiner Bemerkung anspielte, war klar – und genau so klar war, dass sie keine Lust hatte, das Thema mit ihm zu diskutieren. Im Grunde genommen hatte sie noch nicht mal das Verlangen, es mit ihrer besten Freundin zu besprechen. Sie wollte diese Schmach am liebsten ganz schnell vergessen. Ob David Gentleman genug war, um ebenfalls zu verschweigen, dass sie die Nacht nicht gemeinsam verbracht hatten, konnte sie nach seinem Handstreich im Auto nur hoffen.

      Neugierig erklomm Elena die chromblitzenden Stufen. Als Australierin waren ihr Privatflugzeuge nicht unbekannt. Aber im Outback bewegte man sich mit kleinen Propellermaschinen, nicht mit zwölf Meter langen zweistrahligen Düsenjets. So einen Luxusflieger wie diesen hatte sie noch nie von innen gesehen, geschweige denn, dass sie schon einmal damit geflogen wäre.

      Als ihre Augen sich an das angenehme Dämmerlicht im Inneren gewöhnt hatten, materialisierten sich die Konturen einer eleganten Bordküche. Dunkles Edelholz, Milchglas, blaue Hintergrundbeleuchtung – und das Wichtigste: Frühstück! Doch die große Platte mit belegten Brötchen war leider noch unter Folie vor unbefugten Zugriffen gesichert. Es war unmöglich, sich im Vorbeigehen unauffällig eine der Verlockungen in den Mund zu schieben.

      »Herzlich willkommen in meiner armseligen Behausung!«, rief Fiona ihrer Freundin entgegen. Elenas ehrfurchtsvoller Blick war ihr nicht entgangen. »Hat schon was der Flieger, nicht wahr?«

      »Das kannst du aber laut sagen!« Bewundernd glitten die Finger der Australierin über das weiße Leder der breiten Sitze, die an Fernsehsessel der Luxusklasse erinnerten. »Ich glaube es ja nicht, eine richtige Edelcouch für drei Personen!«

      Fiona setzte sich auf das Sofa und klopfte einladend auf den Platz neben sich. »Ich wiederhole mich nur ungern, aber nochmals: Willkommen in meinem fliegenden Wohnzimmer«, grinste sie frech. »Endlich haben wir Zeit alles in Ruhe zu besprechen! Ich habe dich so vermisst!«

      Elena griff sich eines der komfortablen Riesenkissen und klemmte es sich in den Rücken. »Ich dich auch! War das wirklich erst gestern Vormittag, als du aus dem Haus gegangen bist? Und ein paar Stunden später kommt der Anruf, dass Ryan zurück ist und ich ins Penthouse kommen soll, Verlobung, Hochzeit …«

      Fiona ergriff Elenas Hand, legte sie auf ihren Bauch und strich nachdenklich darüber. »Erst jetzt realisiere ich langsam, was da gestern geschehen ist. Ryan lebt, er ist zurück. Zurück bei mir und Hope.« Tränen traten in ihre Augen.

      »Oh Süße, es ist doch alles gut, alles gut!« Plötzlich wurde Elena bewusst, dass Fiona und sie sich in den vergangenen Wochen gegenseitig etwas vorgespielt hatten: Tief im Innersten hatte jede für sich ständig gegen die Angst gekämpft, dass der Mann, den die Schwangere liebte, nicht lebend von seinem Auslandseinsatz in Syrien zurückkehren würde. Doch keine von beiden hatte gewagt, es auszusprechen.

      Und aus Furcht, dass die Freundin unter der enormen Last zusammenbrechen – und damit auch das ungeborene Kind gefährden – könnte, hatte Elena ihre Mitbewohnerin in den letzten zwölf Wochen kaum eine Minute aus den Augen gelassen.

      Drei Monate ohne ein Lebenszeichen von Ryan. Drei Monate, in denen die werdende Mutter sich die Schuld gegeben hatte, dass er sich überhaupt auf den lebensgefährlichen Auslandseinsatz eingelassen hatte, um Davids Bruder und andere entführte Geiseln zu befreien. Doch jetzt war es Zeit, den Schuldkomplex, unter dem die Schwangere immer noch litt, ein für alle Mal aufzulösen. »Du fühlst dich immer noch verantwortlich für alles, was geschehen ist, nicht wahr?«, fragte Elena behutsam.

      »Natürlich«, schniefte Fiona. »Ich habe ihn doch dorthin getrieben – zu dem, was er Gottesurteil nennt, weil er dachte, ich hätte mich gegen unser Kind entschieden.«

      »Bullshit!«, wetterte Elena. »Ryan ist nicht der Typ, der das Leben auf so eine Weise herausfordert. Dafür ist er viel zu verantwortungsbewusst. Er ist vor allem gegangen, um seinem besten Freund David und dessen Familie zu helfen.«

      »Glaubst du wirklich?«, fragte Fiona kleinlaut.

      »Na logisch!«

      »Ryan hat gestern auch versucht, mich zu überzeugen …«

      »Was hat er denn gesagt?«

      »Dass ich mir diesen Schuh von wegen Schuld nicht anziehen soll. Und warum er sich nach seinen traumatischen Erlebnissen bei den Special Forces und dem Geheimdienst entschlossen hatte, doch wieder an einem Einsatz teilzunehmen: Er musste für sich herausfinden, ob er endlich mit seiner militärischen Vergangenheit abschließen kann. Er macht sich immer noch Vorwürfe, als Führungsoffizier das Töten angeordnet, und auch selbst getötet zu haben.«

      »Ryan hat schreckliche Dinge erlebt. Es muss verdammt schwer sein, damit fertig zu werden. Zu welchem Ergebnis ist er gekommen?« Erwartungsvoll sah sie die Schwangere an.

      »Er macht eine Therapie. Die grausame Zeit lastet immer noch bleischwer auf seiner Seele. Aber er hat endlich verstanden, dass er kein Mörder ist, sondern uns alle durch seine Einsätze beschützt hat. Und er hat mir versprochen, dass er nie wieder an einem Einsatz teilnimmt!«

      »Und mit seiner Vergangenheit als Escort hast du ja sowieso keine Probleme.«

      »Um Gottes willen, nein!«, bestätigte Fiona sofort vehement. »Und jetzt wo ich begriffen habe, dass dieser extreme Lebenswandel mit der käuflichen Liebe nur sein Weg war, um die schreckliche militärische Vergangenheit zu verdrängen, erst recht nicht. Aber weißt du was? Ryan und ich haben beschlossen, nur noch nach vorne zu sehen. Und das sollten wir jetzt auch tun!« Der enorme Druck, unter dem die werdende Mutter gestanden hatte, entlud sich ohne Vorwarnung in einem Bach von Tränen.

      Wie aufs Stichwort stand Ryan plötzlich neben ihnen und ging vor seiner Verlobten in die Hocke. »Alles okay bei euch, Prinzessin?«

      »Ich liebe dich.«

      »Ich liebe dich auch und bitte, hör doch auf zu weinen!« Sanft wischte er mit seinen Daumenkuppen die Tränen von ihren Wangen – und war wieder fasziniert und verunsichert zugleich über die die tiefe Emotionalität der Schwangeren. Niemals zuvor hatte