Victoria vanZant

ShadowPlay - Entblößt


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noch nicht hundertprozentig, legte sich aber wie heilender Balsam auf ihre zweifelnde Seele. »Dann müssen wir nur noch beten, dass sie es wieder zusammenflicken können.«

      »Das hört sich an, als würdest du über einen billigen Fetzen aus dem Second Hand sprechen!«

      Fiona versenkte ihren Blick hoch konzentriert in die platzenden Bläschen ihres Mineralwassers. »Ja, das ist das nächste Problem … Gleichgültig ob ich will oder nicht, jetzt muss ich den Fummel sowieso nehmen, nachdem ich ihn zerstört habe.«

      »Zerstört, wie sich das anhört! Es war halt … es ist halt …«

      »Sprich es ruhig aus: Geplatzt!«, bemerkte Fiona pikiert und verdrehte die Augen.

      Schweigen senkte sich über die Szenerie – aber nur für eine Sekunde. Die Frauen sahen sich in die Augen und bogen sich schallend vor lachen.

      »Hör auf, sonst kriege ich mein Kind gleich hier und jetzt!«, versuchte Fiona, zwischen den hysterischen Lachsalven herauszupressen.

      Elena japste. »Auf jeden Fall kannst du von der Aktion noch deinen Enkelkindern erzählen.«

      »Mir reicht schon, wenn ich es Ryan erzähle! Der wird nicht schlecht Augen machen, wenn ich ihm mitteilen muss, dass ich ein Kleid für schlappe zwanzigtausend Euro nehmen musste, weil ich es geschrottet habe!«

      Elena schnappte nach Luft. »Hast du eben zwanzigtausend gesagt?«

      »Jawohl – und weißt du was? Bei dem Preis sind die Reparatur, die Änderung und sogar der Schleier mit drin.«

      »Dann ist das selbstverständlich etwas anderes, ein echtes Schnäppchen sozusagen!«

      Fiona streckte ihr undamenhaft die Zunge entgegen. »Aber was ist denn jetzt mit meinem Schleier? Ich würde es gerne wissen.«

      »Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Elena und übte sich in einer ähnlichen Zungenakrobatik. »Aber das wird meine Überraschung für dich!«

      Roomservice mal anders

       Hätte mich nicht einer darauf vorbereiten können, dass ich während der Überfahrt vom Flughafen nach Giudecca eine halbe Stunde mit David auf einem Wassertaxi zusammengepfercht verbringen muss, und dass der Wellengang mich immer wieder mit seinem Körper kollidieren lässt?

      Elena ärgerte sich, dass der Pilot sie immer noch wie eine Fremde behandelte, wenn sie in Begleitung waren. War es ihm peinlich, vor Fi und Ryan zuzugeben, dass zwischen ihnen etwas lief? Nun ja, lief war übertrieben. Aber schließlich hatte er mit dem gemeinsamen Abgang aus dem Penthouse und seiner ominösen Ankündigung, sie rechtzeitig abzuliefern, erst den Nährboden für die Gerüchteküche bereitet.

      Der Anblick des Fünfsternehotels lenkte sie für einen Moment von ihren trüben Gedanken ab. »Das ist doch mal eine stattliche Unterkunft!«

      »Der ganze Komplex wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als Wassermühle und Nudelfabrik erbaut.« Ryan zeigte auf das höchste Gebäude am Ende der Insel. »Und unsere Zimmer liegen ganz oben in den ehemaligen Silos.«

      »Wirklich etwas ganz Besonderes«, bekräftigte David. »Auch die Fenster in Form und Farbe, sieht auf die Entfernung aus als wären die Rahmen aus Gusseisen.«

      »Beim Umbau hat man darauf geachtet, die Gebäude nur zu entkernen, und die Fassaden originalgetreu zu erhalten. Heute gilt der Komplex als Wahrzeichen italienischer Industriearchitektur.«

       Was für ein wunderbar harmloses Geplänkel!

      Der Unmut holte Elena schneller wieder ein als gewünscht.

      Nach einem One-Night-Stand oder wie immer man es nennen wollte, was sie in der Nacht veranstaltet hatten, war es unter Erwachsenen üblich, sich mit Respekt und einer gewissen Distanz – oder bei der Aussicht auf Wiederholung liebevoll –, zu begegnen. Seine Form der Nichtachtung enttäuschte sie viel stärker, als verletzende Worte es hätten tun können.

      »Wartet ab, bis ihr die Zimmer seht!«, warf Fiona ein und kuschelte sich an ihren Verlobten. »Wir waren im letzten Herbst hier. Von Venedig aus sind wir auf unseren Segeltörn rund um Italien gestartet. Und Ryan hat es tatsächlich geschafft, dass wir wieder unser Zimmer bekommen!«

      »Wie sind die Räume denn eingerichtet?«, fragte Elena unverfänglich.

      »Der von dir und David wie ein barockes Lustschloss und mit einem schönen Blick über die Lagune«, entgegnete Ryan knochentrocken und freute sich spitzbübisch über die plötzlich einsetzende Blässe, die unter ihren entgleisenden Gesichtszügen durchschimmerte.

      Für seine unflätige Bemerkung erntete er von Fiona augenblicklich einen Seitenhieb in die Rippen.

      »Prinzessin, jetzt fängst du schon an, mich zu misshandeln, bevor ich dir mein Jawort gegeben habe?«, beschwerte er sich mit gespielter Empörung.

      »Du bist und bleibst ein Scheusal Ryan Kerrigan!«, entrüstete sich Fiona lachend. »Du kannst es einfach nicht lassen!« Sie sah Elena und David an. »Ihr habt natürlich Einzelzimmer …« Was sie verschwieg – weil sie es nicht wusste –, war die Verbindungstür, die es ermöglichte, von einem Zimmer in das andere zu gelangen, ohne über den Flur gehen zu müssen. Darauf hatte Ryan bei der Buchung in weiser Voraussicht bestanden.

      Als das Wassertaxi anlegte, zeigte Fiona auf die Reihe großer Sonnenschirme, die farblich mit den rotbraunen Ziegelwänden harmonierten und gleichzeitig einen schönen Kontrast zum üppigen Grün der Kübelpflanzen bildeten, die die Sitzgruppen umrahmten. Die Aussicht auf ein lauschiges Plätzchen mit Blick aufs Wasser und einer kühlen Brise weckten augenblicklich noch einmal ihre müden Lebensgeister.

      »Ich würde gerne einen original italienischen Cappuccino trinken, seid ihr dabei?« Fragend sah sie in die Runde.

      Ryans krause Stirn spiegelte deutlich seine Besorgnis. Doch bevor er sein Veto verbalisieren konnte, nahm Fiona ihm bereits den Wind aus den Segeln. »Für mich natürlich koffeinfrei – ich hatte heute Morgen schon meine tägliche Dosis«, führte sie augenzwinkernd aus.

      Der werdende Vater fixierte sie mit forschendem Blick und schwieg, denn seine Bedenken galten weniger ihrem Koffeinkonsum,als vielmehr dem erschöpften Ausdruck in ihrem Gesicht und ihrer Körperhaltung. Fiona zerfloss schon regelrecht im Gehen. Achtundvierzig aufwühlende und anstrengende Stunden lagen hinter ihnen. Das waren alles andere als optimale Bedingungen für eine Schwangere im sechsten Monat. Doch als er das freudige Blitzen in ihren Augen sah, verließ er sich auf ihr Bauchgefühl und korrigierte seinen Kurs in Richtung der Terrasse.

      Elena plagten indes ganz andere Sorgen. »Nicht nur die Fassade ist originalgetreu, selbst das Kopfsteinpflaster stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert«, stellte sie nach einer schmerzhaften Begegnung mit einer tiefen Fuge zwischen den einzelnen Quadern fest. Bevor sie sich bücken konnte, um ihren Knöchel zu betasten, fand sie sich bereits auf dem Arm von David wieder, der sie auf einen der bequemen Luxussessel verfrachtete.

      »Darf ich?« Ohne die Antwort abzuwarten, nahm er ihr gegenüber Platz, legte sich ihren Fuß auf die Knie und zog ihr vorsichtig den Schuh aus. Zart umschlossen seine Finger ihre Wade, während er mit der anderen Hand behutsam das Gelenk abtastete. »Keine Sorge, da ist nichts gebrochen. Wohl auch keine Verstauchung, nur ein wenig gezerrt – du hast Glück gehabt«, klärte er sie fachmännisch auf. »Hochlagern und ein wenig Kühlen kann allerdings nicht schaden.«

      Elena biss sich auf die Zunge, um ihre unflätige Bemerkung, seit wann er denn Arzt sei, hinunterzuschlucken. Aus diesem Mann sollte einer schlau werden! Vor fünf Minuten hatte sie sich noch über seine zur Schau getragene Gleichgültigkeit geärgert und jetzt trat er als echter Gentleman auf. Der Pilot entpuppte sich als Mann mit zwei oder sogar noch mehr Gesichtern. Blieb nur die Frage, wo sich unter diesen vielen Schichten der echte David verbarg – und vor allem: Warum versteckte er ihn?

      Ihre Gedanken und der leichte Schmerz, der