verschwunden.
Als sie sich umsah, tauchte er gerade auf der anderen Seite des Pools auf, um einmal kurz Luft für die Wende zu holen. Schneller, als sie es selbst für möglich gehalten hatte, drückte sie sich hoch. Ganz vom Pool wegzukommen, bevor er wieder an diesem Ende auftauchte, war nicht möglich, ohne dass es nach kopfloser Flucht aussehen würde, und so blieb sie auf der gemauerten Umrandung sitzen.
»Ist dein Fuß wieder ganz okay?« Er krönte seine Frage mit einem unschuldigen Lächeln.
Elena nickte und war nahe daran, hysterisch aufzulachen, weil sie sich für einen Sekundenbruchteil nicht sicher war, wer von ihnen beiden nicht alle beisammen hatte. Hatte sie sich die Invasion nur eingebildet und er war nichts weiter als ein besorgter Freund, der wieder sanft ihren Knöchel massierte? Oder hatte er binnen Minuten verdrängt, wo er seine Finger noch vor Kurzem platziert hatte, und spielte jetzt den Unschuldsengel? Doch gleichgültig, was es war, hier und jetzt würde sie es nicht klären können. Und sie hatte auch keine Lust mehr, sich über sein merkwürdiges Verhalten den Kopf zu zerbrechen. Elena beschloss, auf freundlich distanziert umzuschalten, und die Waffen einer Frau in Stellung zu bringen.
»Ich gehe mit Fiona und Ryan frühstücken. Und will noch ein wenig die schöne Stimmung genießen, man weiß ja nie, was einem plötzlich so alles dazwischen kommen kann.« Sie stand auf und schlängelte sich mit elegantem Hüftschwung zwischen den Tischen hindurch. Ihr war bewusst, dass der smarte Italiener, der lässig in einem der Sessel saß, sie mit den Augen verschlang – und sie wusste, dass David es auch sah. In Anbetracht dieser Tatsache und nach der Bemerkung des Israelis, der sich am Buffet dicht an sie drängte, ob sie mit der Riesenportion Rührei ihre Reserven auffüllen wollte, schmeckte das Frühstück doch gleich noch mal so gut.
Erster Pakt mit dem Teufel
Selbst ein großer Schluck Hugo reichte nicht aus, um die tiefen Grübelfalten auf Elenas Stirn zu glätten. »Für Ryan eine Stripperin zu engagieren wäre wohl ziemlich sinnlos.«
»Und mit den Fesseln und Peitschen einer Domina müssen wir ihm wohl auch nicht kommen«, warf David grinsend ein.
»Für einen dominanten Mann wie ihn wäre das wohl eher unpassend und ich denke, in der Richtung kennt er bestimmt auch mehr, als wir uns träumen lassen.«
»Denkst du? Soso, spannend. Das bedeutet dann ja wohl, dass du über seinen Lebensstil bestens unterrichtet bist. Ich nehme an Fiona …« Mit hochgezogener Braue warf er ihr einen Blick zu, als wolle er sie auffordern, sich näher zu äußern.
»Unter anderem«, blockte Elena ab. Jetzt driftete das Gespräch in eine Richtung ab, die sie nicht wollte.
Entschuldigend hob er die Hände. »Sorry! Schon verstanden: Frauengespräche sind Frauengespräche und das sollen sie auch bleiben.«
»Beruhigend, du scheinst lernfähig zu sein!«, musste Elena ihm zugestehen, obwohl sie nicht sicher war, ob seine Bemerkung echter Läuterung entsprang.
»Bitte was war das?«
»Ach nichts«, murmelte sie und vergrub sich wieder tief in ihr Buch. »Sieh mal hier, wäre das nicht eine tolle Idee für eine Überraschung?«
»Moment, Moment, du musst gar nicht versuchen abzulenken! Du meinst also, ich hätte einen dringenden Nachholbedarf in irgendetwas?« Sarkastisch zog er wieder eine Augenbraue hoch und betrachtete intensiv die tiefrote Flüssigkeit, die er in seinem Weinglas zum Kreisen brachte.
»Ja, nein … ja, weißt du …« Elena brach ab und beobachtete, wie er den Wein genüsslich die Kehle hinabrinnen ließ. Was sollte sie an dieser Stelle sagen? Ich kann nicht verstehen, dass du nicht mit mir schlafen willst, obwohl du offensichtlich deine Finger nicht von mir lassen kannst? Sie hoffte, dass er den Anflug von Enttäuschung in ihren Augen nicht sehen würde. Denn das war es, was sie unter der oberflächlich schwelenden Wut wirklich beschäftigte: Verunsicherung über sein provokant demütigendes Verhalten. Doch es nützte alles nichts, sie mussten sich als Trauzeugen nicht nur zusammenraufen, sie benötigte darüber hinaus seine leibhaftige Unterstützung. Elena schluckte ihren Ärger hinunter und überwand sich.
»Darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Wie kann ich dir helfen?«
»Du erzählst Ryan kein Wort darüber?«, vergewisserte sie sich und war erstaunt, dass der spöttische Zug um seinen Mund plötzlich verschwand, als er sein leeres Glas auf der Theke abstellte. Sollte der Mann doch tatsächlich so etwas wie Verantwortungsbewusstsein besitzen?
»Ich kenne mich in Venedig überhaupt nicht aus«, fuhr sie fort, »und muss möglichst schnell einen wirklich guten Floristen finden.«
»Für den Brautstrauß?«
»So ähnlich …«, druckste sie.
»Es wird schwierig, wenn ich dir helfen soll und nicht weiß, worum es geht.«
»Ja, du hast recht, entschuldige. Ich brauche einen Spezialisten, der den Brautstrauß und einen dazu passenden Kranz anfertigt, an dem der Schleier befestigt wird« Flehentlich sah sie ihn an. »Fiona weiß nichts davon, es soll auch für sie eine Überraschung sein!«
»Der Preis?«
»Ist völlig egal.«
»Ich glaube, wir haben uns missverstanden …« Er ließ sich jede einzelne Silbe auf der Zunge zergehen.
»Hä?«
David drehte sich auf seinem Barhocker noch weiter in ihre Richtung und rollte eine von Elenas Locken über seinem Zeigefinger auf und ab. »Was bietest du mir für mein Schweigen?« Der durchdringende Blick untermauerte sein Ansinnen. Und er wartete die Antwort nicht erst ab. Seine Hand wanderte weiter in ihren Nacken hinauf. Ruckartig vergrub er seine gespreizten Finger in ihren Haaren und zog ihren Kopf in seine Richtung. Hier vor allen Leuten in der Hotelbar küsste er sie leidenschaftlich. »Das soll als Anzahlung genügen, aber ich werde mir meine Belohnung holen – und du wirst sie mir dann nicht verweigern. Verstehen wir uns?«
Elena stöhnte auf, das Prickeln, das ihre Kopfhaut überzog, war unabhängig von dem Schmerz, den sein harter Griff erzeugte mehr als elektrisierend.
Du arrogantes Scheusal!
Es machte ihm Spaß sie vorzuführen. Immer wieder aufs Neue – und sie spielte mit, immer wieder.
Gib es zu! Das Spiel mit dem Feuer gefällt dir …
Verbrenne dich nicht!
Doch die Warnung ihres Verstands kam zu spät – viel zu spät: Durch ihr Nicken hatte sie den Pakt mit dem Teufel bereits besiegelt.
David musterte sie forschend. »Genügt es, wenn du die Antwort morgen früh hast, oder möchtest du, dass ich mich gleich darum kümmere?«
»Vielen Dank, morgen reicht völlig aus«, murmelte sie und blätterte wieder in ihrem Buch mit den Hochzeitsbräuchen. Wenn sie sich auch bereits in seinem Netz verfangen hatte, musste sie unbedingt Zeit gewinnen. Wertvolle Zeit, um eine entsprechende Gegenstrategie zu entwickeln, mit der sie ihn erst mal auf Abstand halten konnte. Denn wenn er seine Belohnung einforderte, musste sie gerüstet sein, um ihm die passende Antwort zu erteilen – gleichgültig, wie die Frage auch lautete.
»Reis werfen können wir uns sparen, Fruchtbarkeit müssen wir ihnen wohl nicht mehr wünschen«, bemerkte Elena und zog das Glas mit den Salzstangen, das auf dem Tresen stand, weiter in ihre Richtung. »Wir könnten versuchen, ob wir irgendwo Seifenblasen bekommen, das finde ich auch schön.«
»Okay«, stimmte David knapp zu und schob sich gedankenverloren einige Stangen des Salzgebäcks in den Mund – offenbar war derartiges Brauchtum nicht seine Baustelle.
»Und eine Brautentführung sollten wir auch nicht ins Auge fassen. Fiona ist mit ihrem fortgeschrittenen Babybauch bestimmt froh, wenn sie heil durch den Tag kommt.« Langsam gingen