Thomas Niggenaber

Barbaren am Rande des Nervenzusammenbruchs


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oder leises Gemurmel. Ansonsten war alles ruhig.

      Grahlum gab dem König deshalb ein Zeichen, woraufhin sich dieser mit der Last auf seiner Schulter auf den Weg machte. Er hatte den Druiden schon erreicht und gemeinsam hatten sie sich bereits nach Süden in Richtung Rauschhöhle gewandt, als hinter ihnen eine unangenehm schrille Stimme erklang.

      »Was treibt ihr beiden denn da?«, fragte die Stimme und ließ sowohl Storne als auch Grahlum erschrocken innehalten.

      Den zwei Barbaren war diese Stimme wohlbekannt. Sie gehörte Froengi, einer betagten Dorfbewohnerin, die schon mehr als dreißig Winter erlebt hatte. Neben ihrem hohen Alter war sie vor allem für ihre Neugier und Geschwätzigkeit bekannt. Sie personifizierte deshalb genau das, was König und Druide momentan so gar nicht gebrauchen konnten. Zu dumm, dass sie gerade dieser alten Klatschbase auf ihrem Abendspaziergang begegnen mussten.

      »Überlass das Reden mir«, flüsterte Grahlum deshalb, während sie sich Froengi zuwandten.

      Diese näherte sich ihnen raschen Schrittes. Während sie das tat, betrachtete sie den bloßen, wohlgeratenen Oberkörper des Königs mit eindringlichen, lustvollen Blicken.

      Storne erschauderte. Er fand es ekelhaft und geradezu widernatürlich, dass sich eine Frau in solch hohem Alter noch für das andere Geschlecht interessierte. Zumindest war sie altersgemäß gekleidet und trug nicht nur Lendenschurz und Bustier aus Fell, so wie es die jungen Frauen des Dorfs taten. Ihrem Alter entsprechend verbarg sie ihren bestimmt schon welken Körper unter einem weiten, grauen Gewand.

      »Aber das ist doch Zorm der Zerfetzer«, stellte sie fest, ohne eine Antwort auf ihre vorherige Frage abzuwarten. »Was ist denn mit dem passiert?«

      »Er wurde in der Schlacht verletzt«, antwortete der Druide rasch. »Konnte sich gerade noch so ins Dorf schleppen. Wir bringen ihn jetzt in meine Hütte, damit ich ihn behandeln kann.«

      Froengi runzelte ihre Stirn, die in den Augen Stornes ohnehin schon sehr zerfurcht aussah. »Das ist aber seltsam. Ich bin ihm begegnet, als er ins Dorf zurückgekommen ist. Er schien ganz und gar nicht verletzt zu sein. Er ist aufrecht gegangen und ohne ein Zeichen der Schwäche. Wir haben sogar ein paar Worte miteinander gewechselt. Er hat gesagt, er sei des Kämpfens müde und würde sich ein friedliches und harmonisches Leben herbeisehnen.«

      Grahlum räusperte sich und der König konnte es geradezu hören, wie der Druide in seinem Kopf nach geeigneten und glaubhaften Erklärungen herumwühlte.

      »Wirres Gebrabbel ist ein ganz eindeutiges Symptom einer schweren Kopfverletzung.«, erklärte er dann. »Ebenso symptomatisch ist es, dass der Geschädigte einer solchen Verletzung plötzlich und unvermittelt zusammenklappt. So etwas nennt man Spätfolge. Der arme Zorm war gerade dabei, uns von der Schlacht zu erzählen, als er wie ein nasser Sack in sich zusammensank.«

      »So ein Pech aber auch.« Froengis Anteilnahme schien aufrichtig zu sein. »Wo er doch so nette Sachen zu mir gesagt hat. Ich sei doch noch gar nicht so alt, hat er gesagt, eher reif und erfahren.« Ein fast schon entrückter Ausdruck erhellte ihr Antlitz. »Er hat mich sogar attraktiv genannt.«

      »Na, daran siehst du ja, wie enorm verwirrt er bereits war«, bemerkte Grahlum. »Es wird bestimmt sehr lange dauern, bis er wieder er selbst ist – vorausgesetzt er überlebt diese Verletzung. Es ist deshalb wichtig, dass ich möglichst bald mit seiner Behandlung beginnen kann.«

      »Aha!« Froengi nickte nachdenklich, dann wandte sie sich dem König zu. »Ich finde es aber befremdlich, dass unser König selbst einen Verwundeten durch das Dorf schleppt. So eine niedere Aufgabe sollte er doch seinen Untertanen überlassen. Schickt sich das überhaupt für einen Herrscher?«

      Storne antwortete nicht, sondern sah nur hilfesuchend zu seinem Berater hinüber. Dieser verlor langsam die Geduld und verschärfte deshalb seinen Tonfall.

      »Einem großen Krieger und Heerführer wie Zorm kann man eine solche Begünstigung schon mal angedeihen lassen. Du hingegen solltest dich mal lieber fragen, ob es sich für eine Frau deines Alters schickt, um diese Zeit noch im Dorf herumzulaufen. Du solltest schon längst im Bett liegen! Reife weibliche Haut benötigt sehr viel Schlaf, sonst trocknet sie aus und wird spröde und runzlig wie die einer getrockneten Pflaume.«

      »Verzeiht mir, großer Druide.« Froengi senkte schuldbewusst den Blick. »Ich habe mich nur gefragt, ob ich Euch vielleicht irgendwie helfen kann.« Sie sah wieder auf und ein verschmitztes Lächeln erschien in ihrem Gesicht, das vor vielen Jahren vielleicht sogar mal hübsch gewesen war. »Es wäre nämlich wirklich schade um so einen ansehnlichen, stattlichen Burschen wie Zorm.«

      Wieder schüttelte es den König. Alte Frauen mit solch unkeuschen Gedanken waren ihm wahrlich ein Graus. Zudem spürte er, wie sich die Last auf seiner Schulter leise regte. Allzu lang würde die Bewusstlosigkeit des Zerfetzers wohl nicht mehr anhalten.

      »Genug, Weib!«, meldete er sich deshalb nun lautstark zu Wort. »Du hast gehört, was der Druide gesagt hat. Tue, was dir dein König nun befiehlt: Geh zurück in deine Hütte und belästige uns nicht weiter! Wir haben schon viel zu viel Zeit mit unnützem Geplapper verschwendet. Ende meiner herrschaftlichen Durchsage!«

      Derart gescholten wich Froengi einen Schritt zurück. »Aber natürlich, Hoheit!«

      Sie verbeugte sich zum Abschied vor ihrem Herrscher, jedoch nicht tief genug nach dessen Ermessen. Angesichts ihrer bestimmt schon morschen Knochen sah er ihr diese Verfehlung allerdings nach. Dann wendete sie sich endlich ab und ging langsam davon.

      »Schwatzhafte, alte Vettel«, zischte Storne leise. »Wir hätten ihr nach dem Tod ihres Mannes schnell einen neuen beschaffen sollen. Das hätte ihre unerträgliche Neugier vielleicht im Zaum gehalten.«

      Grahlum stieß ein höhnisches Schnaufen aus. »Sei nicht albern! Das verrottende Gestell hätte doch keiner mehr genommen.«

      Er sah der Witwe misstrauisch hinterher. Selbige bewegte sich in einer enervierend mäßigen Geschwindigkeit von ihnen fort und warf immer wieder einen Blick über die Schulter zurück. Glücklicherweise lag die Behausung des Druiden auf halbem Weg zur Rauschhöhle, sodass es tatsächlich so aussah, als würden die beiden Barbaren den Bewusstlosen nun dorthin bringen. Als sie die Hütte erreicht hatten, überzeugten sie sich ausgiebig davon, dass Froengi fort war und auch sonst niemand ihr Tun beobachtete. Da nur die Krähe auf dem Langhaus ihnen weiterhin ihre Aufmerksamkeit schenkte, umgingen sie rasch die Heimstätte des Druiden. Anschließend setzten sie ihren Weg mit beschleunigtem Schritt fort.

      Recht schnell und ohne weitere Störungen erreichten sie den kleinen bewaldeten Hügel am Rand des Dorfs, dessen Inneres die Rauschhöhle beherbergte. Deren Zugang war versperrt von einem hohen, massiven Holztor. Wie ein Fallgatter konnte dieses mittels einer dicken, über mehrere Rollen laufenden Kette nach oben gezogen werden. In Gang gesetzt wurde diese aufwendige Vorrichtung durch das Drehen eines großen Handrads, das dem Steuerrad eines Schiffes sehr ähnelte und sich seitlich des Höhleneingangs befand. Zwei oder mehr Personen waren üblicherweise für diesen Kraftakt vonnöten.

      Der greise Druide schaffte es jedoch unter großen Anstrengungen auch alleine, das Tor ein wenig zu öffnen. Es hob sich gerade so weit, dass der König den bewusstlosen Körper Zorms davor ablegen und mit seinem Fuß darunter herschieben konnte. Danach ließ Grahlum das Handrad wieder los, woraufhin das Tor wieder nach unten fiel und sich mit einem dumpfen Krachen schloss.

      »Das hätten wir«, stellte der Druide zufrieden schnaufend fest. Er schickte sich an, den Heimweg anzutreten, doch sein Begleiter erstarrte plötzlich.

      »Moment mal«, sagte Storne. »Mir fällt da gerade etwas ein.«

      »Was denn?«, wollte Grahlum wissen.

      Der Barbarenkönig verzog sein Gesicht wie unter leichten Schmerzen, dann ließ er die Finger seiner rechten Hand durch die schwarze Mähne auf seinem Kopf gleiten. »Haben wir nicht vor Kurzem auch den Säbelzahntiger dort eingesperrt? Du weißt schon, den kräftigen Burschen, auf den ich letzte Woche im Wald gestoßen bin und den ich mit einem Fausthieb niedergestreckt habe. Ich wollte mir die Bestie doch zum Schoßtier abrichten.«

      Im