Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers


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unserem Service nicht in Ordnung?«

      Tom hätte nicht geglaubt, dass Veyrons knallroter Kopf noch um eine Stufe dunkler werden könnte. Jetzt schien er förmlich zu explodieren. Adern traten an seinen verkrampften Händen hervor, das ganze Taxi schien zu vibrieren, so heftig zitterte sein Körper.

      »Wollen Sie mich verarschen? Geben Sie mir sofort Ihren Vorgesetzten! Ich will Ihren Vorgesetzten sprechen! Auf der Stelle! Sie sind gefeuert, jawohl, das sind Sie! Sie sind gefeuert! Geben Sie mir auf der Stelle Ihren Vorgesetzten!«, brüllte er ins Telefon.

      Tom machte sich instinktiv kleiner, auch der Fahrer duckte sich hinter sein Lenkrad. Es verging ein Moment der Stille, schließlich meldete sich eine neue Stimme, diesmal eine männliche.

      »Hier spricht Maximilian Dickens, Mr. Weller. Ich hörte, Sie haben ein Problem mit unserem Service?«

      »Und ob! Schmeißen Sie dieses unfähige Frauenzimmer sofort raus! Ich sage ihr, dass ich heute nicht fliegen kann, und sie macht sich lustig über mich! Ihr Flugzeug soll so lange warten! Es soll nicht starten, nicht abheben, nicht fliegen! Ist das so schwer zu verstehen?«

      »Es tut mir leid, Mr. Weller, aber das ist unmöglich. Unsere Supersonic wird gerade betankt. Wir können den Start nicht mehr verschieben. Vielleicht können Sie mit einer anderen Maschine nachkommen, während Ihr Orchester …«

      »Nein«, brüllte Veyron hysterisch. »Was interessiert das Publikum schon das Orchester! Es geht hier um mich, mich ganz allein! Wenn ich nicht fliegen kann, brauchen auch meine Leute nicht zu fliegen! Wenn Ihr verdammter Vogel nicht auf dem Boden bleiben kann, dann stornieren Sie unsere Tickets! Wir fliegen morgen mit der zweiten Maschine! Machen Sie, was ich Ihnen sage!«

      »Sir … Das ist nicht so einfach …«

      »Aha! Nicht so einfach, sagt er! Sagen Sie mal, wollen Sie auch einen neuen Job? Ich kann nämlich dafür sorgen, klar? Und jetzt stornieren Sie meine Tickets! Und zwar sofort! Ich lege nicht eher auf, bevor Sie das nicht erledigt haben!«

      »Ich brauche noch Ihre Reservierungsnummer …«

      »Ja, haben Sie denn den Verstand verloren? Wissen Sie, in welchem Zustand ich mich befinde? Glauben Sie, ich habe jetzt meine Nummer auswendig im Kopf? Sie Vollidiot! Was glauben Sie, wie viele Simon Wellers es gibt, die heute bei Ihnen mitfliegen? Muss ich rüberkommen und das selbst erledigen? Bewegen Sie endlich Ihren faulen Hintern und tun Sie was!«

      Auf der anderen Seite wurde hastig in Computertasten gehämmert. Ein Augenblick verging, bis sich Mr. Dickens wieder meldete.

      »In Ordnung. 200 Tickets für Sie und Ihre Leute, soeben storniert. Ich habe Ihnen einen Ersatzflug für morgen früh gebucht. Die Tickets kommen per E-Mail und sind jetzt für Sie abrufbar. Ich hoffe, Sie sind zufrieden?«

      Veyron beruhigte sich wieder ein wenig. Er lächelte gutmütig wie ein Herrchen angesichts seines treuen Hundes. »Ja, ja. Das bin ich. Sie sind ein guter Mann und sehr freundlich. Ich werde Sie weiterempfehlen«, seufzte er und legte auf. Anschließend brach er in schallendes Gelächter aus. Er brauchte einige Augenblicke, um sich wieder zu beruhigen.

      Tom starrte ihn entgeistert an. »Was war denn das?«

      Veyron sagte nichts, er atmete zweimal tief durch, schloss die Augen und rang um Fassung.

      »Eine hoffentlich perfekte Simon-Weller-Imitation«, raunte er, das Lachen nur mühsam unterdrückend.

      »Wird man Ihnen da nicht draufkommen? Das wird einen Riesenärger geben«, meinte Tom verunsichert.

      Veyron lächelte breit. »Nummernunterdrückung. Sicher werden die mir auf die Schliche kommen, aber nicht mehr rechtzeitig, um uns noch aufzuhalten. Weller wird die Polizei einschalten müssen. Bis dahin haben wir schon den halben Atlantik überquert.« Veyron tippte eine neue Nummer und hob das Telefon wieder ans Ohr.

      Erneut meldete sich eine freundliche, junge Frauenstimme – nicht die gleiche wie zuvor.

      »Torben-Carrisson-Airways, was kann ich für Sie tun? Sie sprechen mit Mandy Sikes.«

      »Guten Tag, hier spricht Veyron Swift. Kundennummer vier-zwölf-neunzehn-einundachtzig. Ich brauche sofort zwei Tickets nach London. Ist noch was in der Supersonic frei?«

      Die junge Frau tippte hörbar auf ihre Tastatur. Ihre Stimme klang vollkommen überrascht, als sie antwortete: »Äh … Ja. Soeben sind ein paar Sitzplätze frei geworden. Moment, ich überprüfe das … Kein Zweifel. Wie viele Plätze brauchen Sie?«

      »Nur zwei. Einen für mich und einen für Mr. Thomas Eugene Packard, vierzehn Jahre alt«, sagte Veyron.

      Tom klappte die Kinnlade nach unten. Für den Rest der Fahrt konnte er sich nur wundern, während Veyron in aller Seelenruhe ihren Flug buchte.

      4. Kapitel: Der Flug der Supersonic

      Alec McCray konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er den Worten seines neuen Geschäftspartners lauschte. Dies schien der bedeutendste Tag in der Geschichte des Roten Sommers zu werden. Heute würde der Rote Sommer etwas tun, das ihm erstmalig Augen- und Ohrenmerk der ganzen Welt einbrächte.

      Alec war nicht übermäßig groß, aber durchtrainiert, muskulös, in seiner ganzen Erscheinung ein Frauenheld. Obwohl ihn niemand dazu ernannt hatte, wurde er von allen als der Anführer des Roten Sommers angesehen (dabei war er noch nicht einmal eines der Gründungsmitglieder). Nun saß er mit abgetragener Jeans und Lederjacke Charles Fellows gegenüber und hörte sich an, was der aalglatte Geschäftsmann zu sagen hatte.

      Roter Sommer wurde erst in jüngerer Zeit von den internationalen Behörden als Terrororganisation eingestuft. Dabei fing einst alles relativ harmlos an. Aus Protest gegen die Ausbeutung ihrer Völker hatten sich ein paar Studenten rund um den Globus zu einer Widerstandsorganisation vereint. Sie wollten den Großkapitalisten eine Lektion erteilen und steckten die Luxuskarossen einiger superreicher Bonzen in Brand – allesamt skrupellose Gangster mit Schlips und Aktenkoffer. Sie waren es, die Zehntausende Studenten überall auf der Welt als Praktikanten anheuerten, ihr Wissen und Können ausbeuteten und dafür kaum Geld bezahlten – falls überhaupt etwas. Am Ende standen Zehntausende junger Leute ohne Job auf der Straße. Raffgierige, skrupellose Manager waren für die Verarmung der Jugend auf der Welt verantwortlich. Diese Kreaturen (Alec wollte sie gar nicht als Menschen bezeichnen) zerstörten die Gesellschaft und häuften nebenbei Reichtümer an. Diesen Verbrechern, die mit ihrer grenzenlosen Gier so immens viel Unheil auf der Welt anrichteten, die mit ihrem Geld Politik und Justiz kontrollierten, sagte der Rote Sommer den Kampf an.

      Die Antwort der Geschäftemacher hatte jedoch nicht lange auf sich warten lassen. Demonstrationen wurden – je nach Nation unterschiedlich – entweder mit Wasserwerfern, Knüppeln oder mit Schusswaffen aufgelöst. Es gab sogar Mordanschläge gegen vereinzelte Aktivisten, auch Mitglieder vom Roten Sommer befanden sich unter den Opfern. Also beschloss die Organisation, sich zu wehren. Eine kleine Gruppe, der loyalste Kern, beschaffte sich Waffen und schlug zurück.

      Drei Manager in Südamerika, zwei in Afrika und einer in Osteuropa unterhielten sich seitdem mit den Würmern. Alec hatte diesen Weg von Anfang an vorgeschlagen: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wenn sich der Staat nicht imstande sah, seine Bürger vor der Willkür der Kapitalisten zu beschützen, dann musste dies eben der Rote Sommer tun.

      Es war jedoch ein Grundsatz der Organisation, dass der Rote Sommer niemals ohne vorherige Provokation zuschlug. Kam es zu einem Übergriff gegen Mitglieder, gegen Unterstützer oder Gleichgesinnte, wurde zurückgeschlagen, und zwar gnadenlos. Vergeltungsaktionen nannten sie so etwas innerhalb der Organisation. Manchmal ging das auch nicht ohne Kollateralschäden ab. Es war ja eine Art von Krieg, da gab es eben Opfer.

      Alec bereute keine ihrer Taten. Diesen Kapital-Banditen, welche die ganze Welt für sich beanspruchten, war aus seiner Sicht eben nur mit tödlicher Gewalt beizukommen. Man musste sie angreifen und bloßstellen, bis die Wut des Volkes überkochte und alles Vertrauen in die Staatsmacht und ihre Strippenzieher verloren ging.

      »Einen