Christine Schöpf

Mein Leben mit dir hat bereits begonnen


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wusste nicht, dass es einen guten Zeitpunkt gibt um einen todkranken zu besuchen- und jetzt mach dich zur Seite.“

      Nelly hörte noch Lina protestieren, aber da stand Hanna auch schon im Wohnzimmer- natürlich zog sie sich nicht die Schuhe vorher aus- das war Hanna- nie machte sie das, was man von ihr erwartete.

      „Hallo meine Süße. Dein Wachhündchen wollte mich nicht reinlassen, und wenn ich mich dich so anschauen tut sie auch gut daran. Du siehst erschreckend aus- gibt es kein Makeup mehr in diesem Haushalt?“

      Hanna nahm Nelly die Kaffeetasse aus der Hand, trank einen Schluck daraus und gab ihr diese mit einem angeekelten Gesichtsausdruck wieder zurück.

      „Ich freue mich auch dich zu sehen“, sagte Nelly, grinste und holte aus der Küche eine weitere Tasse Kaffee.

      Diesmal schwarz- und reichte sie Hanna.

      „Was führt dich hierher und das auch noch so gut gelaunt“, fragte sie Hanna.

      Diese ließ sich in den Sessel fallen und sah Nelly an. Lina setzte sich ebenfalls auf das Sofa und starte abwechselnd Hanna und Nelly an, man spürte förmlich, dass Lina sich nicht wohl fühlte. Hanna stellte ihren Kaffeebecher ab und stand wieder auf und nahm Nelly in den Arm.

      „Du musst mal wieder unter Menschen! Du siehst wirklich scheiße aus. Ich weiß, dass du nicht möchtest und du müde bist und das Benno dich braucht, aber heute Abend gehst du mit mir aus, wir zwei hübschen,“ Hanna stockte, „also ich Hübsche und naja-du.“

      Hanna grinste sie frech an und stand wieder auf. Hanna konnte nie lange sitzen bleiben.

      „Wir sind eingeladen. Wir lassen uns volllaufen und vergessen alles um uns herum und sind einfach nur Nelly und Hanna.“

      Hanna klopfte wie zur Motivation Nelly auf den Rücken: „Komm schon Nelly, wir lassen für ein paar Stunden einfach mal alles zurück und denken nur an uns“, und dann nahm sie Nelly in den Arm.

      Nelly erwiderte die Umarmung, denn Hanna war eine der wenigen Personen, deren Nähe sie ertragen konnte. Hanna war kein gefühlsdusseliger Mensch, und es kam selten genug vor, dass sie mal jemanden in den Arm nahm.

      Nelly erinnerte sich an die Worte von Bennos Arzt, und der Gedanken daran einfach mal Nelly zu sein und an sich zu denken, gefiel ihr aufrichtig. Sie nickte und befreite sich aus der Umarmung.

      „Du hast recht- wo gehen wir hin?“.

      Hanna blickte sie fassungslos an.

      „Fuck, was hast du mit meiner Freundin Nelly gemacht?“

      Hanna schaute Nelly ungläubig an,

      „Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Antwort! Ich hatte mir schon Drohungen und Beleidigungen überlegt, wenn du wieder mit all dem Scheiß kommst, warum du nicht kannst.“

      Hanna legte den Kopf zur Seite und schaute Nelly fragend an. „Was ist passiert, dass du so kampflos mitkommst?“.

      Nelly zuckte mit den Schultern.

      „Mein Akku ist komplett leer- ob ich hier todmüde zusammenbreche oder in irgendeinem Club- das ist mir gerade pups egal.“

      Nelly drehte sich zu Lina um, die wohl auch nicht mit Nellys Antwort gerechnet hatte, denn sie sah Nelly überrascht an.

      „Lina, bist du so lieb und wartest auf die Nachtschicht? Du müsstest mit Patrik nur die Übergabe machen. Du weißt, Telefonnummern und Medikamente – alles in der Küche.“

      Plötzlich fühlte sich Nelly wieder hellwach.

      „Natürlich bleibe ich noch so lange- hätte ich doch sowieso getan,“ murmelte Lina fast beleidigt.

      „Aber meinst du nicht, etwas schlaf könnte dein Akku auch auffüllen?“, Lina schaute Nelly besorgt an.

      So kannte sie Nelly nicht, sie konnte an einer Hand abzählen, wie Häufig Nelly ausgegangen war, seitdem sie sie kannte. Und dann auch nur zu Familienfeiern, aber nicht zu ihrem eigenen Spaß.

      Unsicher schaute Nelly Hanna an, aber diese wischte mit der Hand durch die Luft, als würde sie diesen Unsinn wegwischen.

      „So eine gequirlte Kacke! Nelly muss ihren Akku mit positiven Aktionen füllen. Es geht nicht nur darum den körperlichen Akku wieder aufzuladen, sondern vor allem auch den seelischen- und das Machen wir beide heute Abend. Los zieh dir was Heißes an, klatsch dir Makeup ins Gesicht und davon besser eine krasse Menge. Ich mache eine Flasche Sekt auf und quatsche solange mit Benno, bist du fertig bist“.

      Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie in die Küche, öffnete den Kühlschrank und zauberte eine Flasche Sekt hervor. Nelly konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie noch eine Flasche Sekt im Kühlschrank gehabt hatte. Eigentlich trank sie viel lieber einen guten Osbourne 103 mit Eiswürfel, aber da war sie sich jetzt ganz sicher, dass sie den nicht im Hause hatte.

      Sie ging ins Schlafzimmer und stand unentschlossen vor ihrem Kleiderschrank. Was sollte sie anziehen? Sie war solange nicht mehr aus gewesen, geschweige denn shoppen, sodass sie wirklich nicht wusste was sie anziehen sollte.

      Benno bewegte sich und schlug die Augen auf.

      „Hi, ist es okay für dich, wenn ich heute mit Hanna ausgehe?“, Nelly zögerte, „nur wenn das für dich wirklich okay geht, ich sage ihr sonst auch ab -kein Problem. Ehrlich. Ist vielleicht sowieso eine blöde Idee, ich habe eh Nichts zum Anziehen…“.

      Noch ehe Benno antworten konnte, flog die Türe auf und Hanna stand, in beiden Händen mit einem Sektglas bewaffnete, im Türrahmen.

      „Hallo mein todkranker Freund -wie ich sehe, lässt du dir mit dem Sterben echt Zeit“, sie ging einen Schritt auf ihn zu und küsste in seine Richtung.

      Benno lächelte „Meine Freundin Hanna, wie man sie kennt und liebt. Nein, ich bin noch am Leben -mehr oder weniger- aber definitiv noch nicht tot“.

      Er warf ihr eine Kusshand zurück.

      „Siehst du Nelly, heute wird noch nicht gestorben, du kannst also aufhören nach Gründen zu suchen, um nicht mitzukommen“, sagte Hanna und hielt ihr eins der Sektgläser hin und prostete ihr zu.

      „Dir muss ich wohl keinen Sekt anbieten, wie ich in der Küche gesehen habe, bevorzugst du die härteren Sachen“, Hanna lächelte Benno an und es war das erste echte Lächeln, dass sie am heutigen Tag zu sehen bekam.

      Wie jedes Mal, wenn Benno und Hanna aufeinandertrafen, foppten sie sich so wie früher und man vergas, dass Benno wirklich todkrank war und seine Tage gezählt waren.

      Bevor Nelly noch was sagen konnte, zum Beispiel dass sie tatsächlich nichts zum Anziehen hatte, saß Hanna bereits auf ihrer Liege und scherzte mit Benno über dies und das.

      Nelly griff eine schwarze Hose, ein langes schwarzes Top und ein schwarzes Spitzen-Oberteil aus ihrem Schrank und ging sich im Bad umziehen. Im Bad konnte sie Benno lachen hören -fast so wie früher. Nelly musste sich zusammenreißen, um nicht laut los zu weinen. Sie riss sich zusammen, zog sich an und föhnte ihre Haare über der Rundbürste trocken. Danach legte sie etwas Makeup auf -aber kein Makeup der Welt könnte diese schwarzen Augenringe retuschieren -warum also erst den Versuch starten.

      Nelly schaute in den Spiegel und was sie sah, gefiel ihr nicht wirklich -aber das Gesicht was sie jetzt im Spiegel anschaute, gefiel ihr besser als das fahle traurige Gesicht von vorhin und das musste für heute Abend reichen. Nelly stellte fest, dass ihr auch diese Hose etwas weit geworden war, sie musste wohl durch den ganzen Stress noch ein paar Kilo verloren haben. Nelly zuckte die Schultern, mit Gürtel wird es schon gehen‘, dachte sie.

      Als sie aus dem Bad kam, hörte sie die beiden im Schlafzimmer immer noch miteinander lachen und da sie die beiden noch nicht stören wollte, ging sie in die Küche und sah Lina die Kaffeetassen spülen.

      „Warum stellst du sie nicht einfach in die Geschirrspülmaschine?“.

      „Ich wollte nicht im Wohnzimmer allein