Christine Schöpf

Mein Leben mit dir hat bereits begonnen


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      Lina schaute vom Spülen auf, sie hatte Tränen in den Augen: „Eigentlich hätte ich dir sagen sollen, dass du mal an dich denken sollst und dich mal wieder unter Leuten zeigst. Ich frage mich, warum ich es nicht getan habe“.

      Nelly schüttelte leicht den Kopf: „Du hättest es mir sagen können, aber ich wäre nicht gegangen. Ich verstehe selbst nicht, warum ich ausgerechnet heute ausgehe. Mach dir keinen Kopf -es ist nicht deine Aufgabe auf mich aufzupassen -Benno ist dein Patient und das machst du klasse mit ihm. Danke dafür.“

      Lina schaute wieder in ihr Spülwasser und spülte die Tasse zum gefühlten 10 Mal. Sie sagte nichts mehr und Nelly ging wieder ins Schlafzimmer.

      „Du siehst klasse aus“, sagte Benno und versuchte ein Pfeifen als Nelly mit dem Sektglas in der Hand wieder im Schlafzimmer auftauchte. Sie ließ sich neben Hanna auf die Liege plumpsen und lächelte dankbar.

      „Ich wünsche dir viel Spaß und mach dir keine Gedanken um mich. Patrick wird sich gut um mich kümmern.“

      Benno zwinkerte ihr zu.

      „Na dann los“, Hanna sprang auf und hielt Nelly beide Hände hin, um auch sie hochzuziehen.

      Nelly trank ihr Glas schnell aus, stellte es auf ihr Nachttischchen, ergriff Hannas warme Hände und ließ sich von Hanna hochziehen. Nelly war wieder einmal über Hannas Kraft verwundert, mit welcher Leichtigkeit sie sie hochzog war verblüffend.

      Nelly verabschiedete sich von Benno mit einem Kuss auf die Stirn und flüsterte in sein Ohr: „Wenn was ist, lässt du Patrick anrufen. Alle Nummern…“

      „Ja, ja ich weiß –alle Nummern und Medikamente inklusive Einnahmeliste liegen in der Küche und hängen an der Pinnwand und liegen bei den Krankenunterlagen in der Schublade. Geh jetzt! Und Hanna, bring sie mir betrunken, gut gelaunt und gesund wieder.“

      „Darauf kannst du einen lassen“, Hanna warf Benno zum Abschied einen Luftkuss zu und schob dabei Nelly vor sich aus dem Schlafzimmer.

      „Und nicht vergessen -heute wird nicht gestorben“, Hanna zwinkerte Benno zu und kurz darauf waren die Beiden schon aus der Wohnung und zogen die Türe hinter sich zu.

      -2-

      Der Club war gut besucht, aber um die Uhrzeit noch nicht überfüllt. Hanna hatte Nelly auf der Fahrt dorthin aufgeklärt, dass heute im Club der Geburtstag von einer Box-Freundin von ihr gefeiert werden würde und sie beide eingeladen waren. Nelly fand schon immer die „Freundschaften“ die Hanna pflegte mehr als zwielichtig. Hanna verkehrte nicht nur in Boxclubs, sie kannte auch alle aus dem hiesigen Rockerclub- oder anders gesagt- man kannte Hanna dort und sie wurde als einzige ihr bekannte Frau dort respektiert und mit diesem KAMHA „Kameradschafts-Handschlag“ begrüßt.

      Der Rockerclub war ihr auch wegen seiner Brutalität, seinen Geschäften im Rotlicht Milieu und im Drogenhandel aus den Schlagzeilen bekannt. Sie hatten es aber beide in der Vergangenheit immer geschafft, das Nelly zwar häufig bei diesen Partys dabei war, aber nie wirklich dazugehörte. Das war nun mal nicht Nellys Welt -und das wusste Hanna genauso gut wie Nelly.

      Hannas Freundin, die heute ihren Geburtstag feierte, war außerdem auch die Freundin des Clanführers und dementsprechend wurde vor der Tür auch die Personenkontrolle durchgeführt. Nelly hatte mit Hanna an ihrer Seite mal wieder freies Geleit. Hanna stellte sich grundsätzlich nicht in einer Schlange an, wenn Hanna irgendwo auftauchte spaltete sich die Menge und die Türsteher begrüßten Hanna wie einen Ehrengast. Immer bekam man mit Hanna irgendwelche Privilegien -VIP Plätze, kein Anstellen in der Schlange und teilweise wurden sie sogar über die Hintertür geleitet, über Hinterzimmer, von denen bestimmt kaum einer wusste.

      Warum das so war, hatte Nelly nur einmal bei Hanna hinterfragt und die hatte zwar mit einem Lächeln aber mit einem ernsten Unterton geantwortet: „Nelly, das willst du nicht wirklich wissen. Und wenn du es wüsstest müsste ich dich töten.“

      Damals hatte Nelly gelacht, aber sie hatte auch verstanden, dass das kein Thema war, über das Hanna mit ihr sprechen würde und Nelly fasste auch nie wieder nach.

      Offiziell arbeitete Hanna als selbstständige Fitnesstrainerin -aber auch das hinterfragte Nelly nie, obwohl sie daran ihre Zweifel hatte. Hanna war die durchtrainierteste Frau, die sie kannte, aber Hanna hatte so oft Wunden und Verletzungen, die nicht von einem normalen Training herkommen konnten. Sie wusste, dass Hanna auch Kampfsport machte, aber ihre Verletzungen waren teilweise Fleischwunden, die eher aussahen wie ernsthafte Stichverletzungen. Nicht das Nelly sich wirklich damit auskannte, aber sie konnte schon einen Kratzer von einer tiefen klaffenden Wunde unterscheiden, die teilweise mit mehreren Stichen dann genäht werden mussten. Hannas Körper war mit Narben übersäht und die bekam man nicht vom Training in einem Fitnessstudio, vom Boxen oder als Personaltrainer.

      Aber Nelly akzeptierte es und genoss die Privilegien die sie -wenn sie mit Hanna zusammen war- hatte.

      So langsam füllte sich der Club und Nelly konnte erkennen, das eigentlich nur Mitglieder des Clubs oder enge Freunde Einlass gefunden hatten.

      „Warum haben die nicht direkt an der Türe ein Schild Geschlossene Gesellschaft angebracht für heute Abend“, fragte Nelly Hanna grinsend.

      „Damit niemand dies als Einladung auffasst und den Laden in die Luft sprengt“, antwortete Hanna automatisch.

      Als ihr das bewusst wurde lächelte sie Nelly an und schob ihr ein weiteres Bier über den Tisch zu.

      „Auf uns und auf unsere immerwährende Freundschaft“, Hanna prostete Nelly zu und Nelly setzte es an und stellte das Glas erst wieder ab, als es leer getrunken war.

      Sie lächelte Hanna an, es war gut, dass sie heute endlich Mal wieder ausgegangen war. Heute wird nicht gestorben, dachte Nelly -heute wird gelebt! Sie griff Hannas Hand und drückte sie ganz fest.

      Die Stimmung änderte sich merklich als eine Gruppe von Männern eintrat. Einige waren Nelly vom Sehen her bekannt und sie wusste, dass der etwas Untersetztere mit dem Narbengesicht in der Mitte Kalle war, der Clanführer.

      Die Gruppe bahnte sich ihren Weg durch die Menge, nickte begrüßend mal zu dem ein und anderen rüber, mal gab es diesen Nelly bereits bekannten KAMHU für die Auserwählten.

      Als Kalle mit seinem Gefolge an dem Tisch von Hanna vorbei ging, straffte sich Hannas Körper und Kalle blickte zu ihnen hinüber. Er sah über Nelly wie gewöhnlich hinweg, seine Augen blieben jedoch an Hanna hängen und er lächelte sie an.

      Er trat auf Hanna zu und begrüßte sie mit dem besagten Handschlag, ließ jedoch Hannas Hand nicht los, sondern beugte sich zu ihr rüber: „Da ist sie ja, mein Mädchen. Es ist schön, dass du da bist.“

      Und dabei hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange.

      „Nach letzter Woche hatte ich schon befürchtet das wir uns eine Weile nicht sehen würden“.

      Hanna lächelte: „Mich wirst du so schnell nicht los -alles gut“.

      Kalle drückte noch einmal Hannas Hand, bevor er sie los lies und ohne noch weiter Personen an dem Tisch zu begrüßen, ging.

      Einer nach dem anderen aus dem Gefolge kam zu Hanna und begrüßte sie mit Handschlag. Nick, einer von ihnen den Nelly auch bereits von anderen Partys kannte, gratulierte Hanna noch zu ihrer starken Leistung letzte Woche.

      Nelly würde gerne Hanna fragen, wo sie letzte Woche war, aber nach weiterer Überlegung kam Nelly mit sich überein, es nicht wirklich wissen zu wollen und ihr war bewusst, dass sie von Hanna auch keine Antwort erhalten würde.

      Noch während sie ihren Gedanken nachhing, verspürte Nelly ein leichtes behagliches Kribbeln im Nacken. Es wurde immer stärker und entwickelte sich zu einem aufregenden Kribbeln, dass sich wie ein Wasserfall über ihren ganzen Rücken ergoss und sich aber auch parallel dazu kalt über ihrem Hinterkopf nach oben zu ihrer Schädeldecke ausbreitete. Innerhalb weniger Sekunden wurde ihr ganzer Körper, von den Haarwurzeln bis in die Zehenspitzen mit einem nie gekannten überwältigenden