Angela Zimmermann

Erlös mich, wenn du kannst


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ich Amara am anderen Ende kichern.

      „Ja, wie soll es anders sein“, kommt nur kurz von mir. Den Anruf hätte ich mir echt sparen können.

      „Hast du etwas geträumt in der ersten Nacht?“, fragt Amara überraschend und mein Lächeln verschwindet für einen Moment.

      „Nein“, piepse ich, denn ich weiß, dass das in ihren Augen garantiert etwas zu sagen hat.

      „Gut so. Es beginnt ein vollkommen neuer Abschnitt für dich oder besser gesagt für euch. Dein Unterbewusstsein wird selbst noch nicht wissen, wie es weiter geht“, erklärt sie mir einfühlsam.

      „Und das ist gut?“, frage ich zögerlich.

      „Frage, ob ich mit dem Puzzlestück recht habe“, flüstert Manuel mir ins Ohr.

      „Ja, er hat recht“, antwortet sie, bevor ich sie stellen kann. „Das Puzzle ist fast fertig. Es gibt nur noch wenige Teile und die wirst du bald finden. Oder sie finden dich“, lacht Amara.

      „Was passiert, wenn es fertig ist?“, will ich wissen und Unbehagen macht sich in meiner Magengegend breit.

      „Dann weißt du, warum du die Visionen hattest und wo sie eigentlich hergekommen sind. Alles hat einen Grund, so auch alles, was du schon durchlebt hast. Lass es auf dich zukommen, du wirst es sowieso nicht ändern können. Du kannst jetzt eigentlich nur noch Antworten bekommen und die wünsche ich dir von ganzem Herzen“, sagt Amara und löst in mir eher ein Durcheinander aus, als das sie mich beruhigt und noch weniger meinen nervösen Magen.

      „Ich werde die Augen offen halten“, murmele ich in den Hörer.

      „Ach Mädchen, mach dich nicht verrückt. Du wirst nichts finden, es findet dich. Lebe einfach und genieße den schönen Sommer in eurem neuen Haus“, erwidert Amara und ich sehe sie vor mir, wie sie den Kopf darüber schüttelt, dass ich mir schon wieder Sorgen mache. Also sollte ich es auch sein lassen und einfach leben, wie sie es sagt.

      „Vielen Dank, dass du Zeit für mich hattest. Ich werde deinen Rat befolgen“, lache ich nun auch, denn es hat wirklich keinen Sinn, sich den Kopf zu zermürben.

      „Immer gerne. Du hast meine Nummer und ich bin stets für dich da. Ich wünsche euch einen schönen Sonntag. Tschau meine Lieben.“

      Die letzten Worte von Amara treffen mich wie ein Schlag. Es ist Sonntag früh morgens und sie hat ohne zu zögern abgenommen. Man sollte an diesem Tag niemanden stören. Aber bei Amara ist es anders und das hat sie mir wieder einmal bewiesen. Menschen, die sie tief in ihr Herz geschlossen hat, für die ist sie immer da, egal wann.

      Ich lege das Handy weg, atme tief durch und spüre, dass sich mein Magen wieder beruhigt und ich sogar Hunger habe. So folge ich Manuel in die Küche und nehme an den so hübsch geschmückten Tisch platz. Wie schön wäre es, jetzt auf der Terrasse in der Sonne zu sitzen, aber auch das wird eines Tages möglich sein. Jetzt genießen wir erst einmal in aller Ruhe das Frühstück und dann werde ich mich um mein Arbeitszimmer kümmern, ob es nun Sonntag ist oder nicht.

      

      

       Kapitel 3

      

      Eine Woche wohnen wir jetzt schon hier und haben uns langsam in dem neuen Heim eingelebt. Manuel hat sich die letzten sieben Tage um den Garten hinter dem Haus gekümmert. Jetzt sieht er ein wenig ordentlicher aus. Der Rasenmäher hat es in zwei Gängen doch geschafft, sich durch das hohe Gras zu kämpfen und dabei ist auch einiges zum Vorschein gekommen. Die Vorbesitzer haben wahrscheinlich Kinder gehabt, denn mein Mann hat Spielsachen gefunden, die auf kleinere Kinder hinweisen. Diese hat er in eine Kiste geräumt, die in den Keller gewandert ist. Ich selbst, hatte noch keine Zeit, es mir anzusehen, denn dieses alte Zeug zu behalten ist nicht in meinem Sinn. Aber ich werde irgendwann die notwendige Zeit dafür aufbringen, es auszusortieren und momentan stört es da unten im Keller niemanden.

      Unsere Gartenmöbel, die wir von meinen Eltern zum Einzug geschenkt bekommen haben, stehen mittlerweile auf der Terrasse. Benutzt wurden sie jedoch noch nicht. Jeder hatte sich für die erste Woche Ziele gesetzt und sie auch fast alle erreicht. Dass wir uns dabei kaum gesehen haben, war vorprogrammiert. Wie gesagt hat Manuel im Garten gutzutun gehabt und ich habe die Sachen aus den restlichen Kartons ausgeräumt und an ihren neuen Standorten verteilt. Anschließend habe ich mich in mein Arbeitszimmer zurückgezogen. Da war ebenfalls noch einiges zu erledigen. Am Dienstag hatte ich dann die Zeit mich wieder meinen Schmuckstücken zu widmen, ebenso lief der Verkauf überraschend gut an.

      So stehe ich jetzt mit einem Korb, wo mehrere Päckchen drin sind, die zur Post gebracht werden müssen, in der Küche und schreibe noch schnell einen Einkaufszettel. Es ist dringend Zeit, dass ich nicht nur den Kühlschrank auffülle.

      Manuel ist heute Morgen sehr früh weg, er hat den ersten Arbeitstag an der Schule. Er wird in den Vorbereitungen für das neue Schuljahr von Anfang an mit einbezogen. Ihm war die Aufregung anzumerken, aber ich bin mir sicher, dass er das alles hervorragend meistern wird.

      Ich dagegen habe einige Wege zu erledigen, wie Einwohnermeldeamt, das Auto ummelden und die Päckchen zur Post bringen. Da kam es mir ganz entgegen, dass gestern ein Prospekt von der Stadt in unserem Briefkasten war. Heute ist Markttag und so habe ich die Gelegenheit, mir das anzuschauen und vielleicht auch ein paar Leute kennenzulernen. Irgendwie freue ich mich darauf, einen Zugang zu den hier lebenden Menschen zu finden. Ich kann nur hoffen, dass mir nicht gerade heute Visionen in die Quere kommen, da ich ja schon Jahre keine mehr hatte, warum dann jetzt und hier.

      Also packe ich alles zusammen und gehe los. Ich nehme nicht das Auto, denn laut des Infoblattes sollte es nicht zu weit sein. Während ich an den Häusern entlanggehe, sehe ich kaum eine Menschenseele. Sind alle schon auf dem Markt, oder ist es doch eine öde Stadt? Ich hatte mich vor dem Kauf ein wenig über das kleine Städtchen versucht zu erkundigen, habe jedoch kaum etwas erfahren. Wir wussten, dass es hier alles gibt, was man zum Leben braucht, aber ein besonderer Ruf eilt der Stadt keinesfalls voraus. Uns hat das nicht gestört, denn ich arbeite von zu Hause aus und finde die meisten Kunden sowieso über meinen Online-Shop. Manuel hat auf seine Bewerbung sofort die Stelle an der hiesigen Schule zugesprochen bekommen. Zur Zeit hat also jeder zu tun und wir brauchen momentan nicht viel mehr zum Leben. Wenn wir doch einmal ins Kino wollen oder vielleicht zum Tanzen in eine Disco, da können wir auch ein paar Kilometer mit dem Auto fahren.

      Nach fast einer halben Stunde, also doch etwas weiter, als ich gedacht habe, komme ich auf dem Markt an. Ich laufe an den Ständen vorbei, wo frisches Gemüse, Pflanzen von einem Gärtner, Backwaren und Fleischerzeugnisse angeboten werden. Dazwischen stehen noch drei Wagen die Speisen zum Mitnehmen anbieten, aber es fehlen die Leute. Es ist kaum jemand hier und so ziehe ich fast alle Blicke der Verkäufer auf mich. Ich bin die Neue, die Fremde und sie beobachten mich mit neugierigen Augen. Sie folgen mir, bis ich die Gelegenheit bekomme, im Rathaus verschwinden zu können. So unwohl habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Ich bin nicht einmal dazu gekommen, etwas auf dem Markt zu kaufen und die rechte Lust darauf ist mir sehr schnell vergangen. Ich werde jetzt die Formalitäten erledigen, zum Glück ist das alles hier im Gebäude und dann auf dem kürzesten Weg wieder nach Hause gehen. Einkaufen werde ich heute Nachmittag. Am Stadtrand ist ein Discounter, wo ich bestimmt nicht so auffalle und angestarrt werde. Die wenigen Kilometer nehme ich gern auf mich.

      Aus dem Rathaus heraus, biege ich in eine andere Richtung, um nicht noch einmal über den Markt laufen zu müssen. Zwei Nebenstraßen entlang komme ich auch wieder auf die Hauptstraße. Ich staune nicht schlecht, denn mein Weg führt mich an mehreren kleinen Läden vorbei. Schreibwaren, Buchhandel, Spielzeugladen sowie eine Bäckerei und eine Fleischerei. Hier fühle ich mich eindeutig wohler und am liebsten würde ich jetzt in den Buchladen gehen. In den Büchern stöbern und vielleicht etwas finden, wo man sich hinein vertiefen kann, aber ich habe leider wenig Zeit. Zu Hause wartet meine Arbeit darauf, erledigt zu werden. Nach dem Kauf des Hauses und dem Umzug brauchen