Michael C. Horus

Das Buch der Vergeltung


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er mochte uns offenbar nicht, wir ihn aber auch nicht. So taten wir uns wenigstens nichts, da wir das nun voneinander wussten.

      Zu meiner und auch Bischof Landwards allgemeiner Überraschung war der Herr Papst auch bei diesem Empfang nicht allein anwesend. Aber weniger dieser Umstand, als vielmehr die erstaunliche Tatsache, um wen es sich bei seinem Besucher handelte, vermochte uns wahrhaftig zu verwundern. Kein anderer als Adalbert von Ivrea, Sohn des Berengar und der Willa, saß seitlings des in goldenem Samte glänzenden Papstthrones auf einem bequemen Stuhle, welcher aber nicht dem Papste, sondern uns zugewandt war, so als wäre er nicht Gast, sondern Gastgeber in diesem Hause.

      So kam es, dass wir unsere Ehrerbietung gegenüber dem Herrn Papste in gewisser Weise auch an ihn richten mussten, denn wie es sich gehört, verneigten wir uns tief und lange vor dem obersten Bischofe. Adalbert nahm es mit sichtbarer Genugtuung und Freude auf, worunter ich sehr litt. Dem braven Franco jedoch machte dies nichts aus – er lächelte einfach zurück.

      Johannes XII. forderte sodann Bischof Landward auf, des Kaisers Anliegen nun vorzutragen. Der brave Bischof begann etwas umständlich mit der Einleitung, bevor er ein Schriftstück entrollte und daraus des Kaisers Botschaft verlas:

      Dass der Papst sich zu bessern und sein Betragen zu ändern verspricht, dafür sage ich ihm meinen Dank. Wenn er mich aber beschuldigt, mein Versprechen nicht gehalten zu haben, so urteilt selbst, ob das wahr ist. Wir versprachen ihm das ganze Gebiet des Heiligen Petrus7), welches in unsere Gewalt kommen würde, zurückzugeben. Und das ist der Grund, weshalb wir uns jetzt darum bemühen, den Berengar mit seinem Anhang aus dieser Festung zu vertreiben. Denn wie sonst können wir ihm dieses Gebiet zurückgeben, wenn wir es nicht vorher den Händen der Räuber entreißen und in unsere Gewalt bringen? An der Festnahme des Zachäus in Capua trifft uns ebenso wenig eine Schuld. Wir wissen aber auch, dass der Herr Zachäus, obwohl er ein verworfener Mensch ist, der göttliche und menschliche Schriften nicht kennt, vom Herrn Papste erst kürzlich zum Bischof geweiht wurde, jetzt aber zu den Ungarn abgesandt ist, um ihnen zu predigen, dass sie über uns herfallen sollten. Dass der Herr Papst solches getan hat, würden wir nicht glauben, wenn es nicht durch einen Brief mit seiner Bleibulle und seinem Namenszuge bestätigt würde.

      Als wir dies der Ordnung gemäß vorgetragen und beeidet hatten, sahen wir weder Einsicht bei dem Herrn Papste noch beim Herrn Adalbert. Schon bei der Erwähnung des Berengars sah ich in den Zügen Adalberts eine verabscheuungswürdige Grimasse, die der Papst mit einer ebenso entsetzlichen Geste beantwortete. Ich konnte dem Adalbert dies nicht verdenken, denn schließlich hört niemand gern Unbilliges über seine engsten Verwandten. Aber dem Herrn Papste verüble ich dies sehr wohl!

      Johannes XII. schickte uns hinaus, um sich mit seinen Getreuen und seinem neuen Kumpan zu beraten. Auch dies war ein sehr ungebührliches Verhalten, wie mir Bischof Landward, der ebenfalls sehr kundig und geübt in gesandtschaftlichen Angelegenheiten war, bestätigte. Als wir ohne jede Form durch die verschlossenen Türen wieder hereingerufen wurden, standen neben Adalbert auch der Camerlengo Salek und zwei Männer des römischen Klerus beim Herrn Papste, die ich zuvor nicht gesehen hatte. Ich suchte den Raum nach dem Kanzler Leo ab, konnte ihn aber nirgends entdecken.

      Der Herr Adalbert teilte uns mit, dass er dem heiligen Kaiser seine Versprechungen und Eide nicht glauben werde und dass er aus sicherer Quelle wisse, dass der Kaiser auf Rom marschieren werde, kaum, dass er den von Gottes Gnaden einzigen und gerechten König von Italien, wie er seinen Vater Berengar benannte, verjagt oder, was der Herr verhindern möge, gar Schlimmeres angetan hätte. Die anwesenden Kleriker nickten stumm und auch der Papst stimmte dem ohne ein weiteres Wort zu, womit klar war, dass unsere Gesandtschaft an diesem Punkte gescheitert war. Landward und ich sahen uns einige Augenblick lang unschlüssig an, aber genau genommen war er ebenso überzeugt davon, hier nichts mehr ausrichten zu können. Was uns blieb, war nur der Rückzug.

      2. Kapitel

      In den folgenden Tagen, wir waren inzwischen eiligst und unversehrt zum Kaiser zurückgekehrt, regten sich das Herz und der Verstand des römischen Adels. Sie verabscheuten den jungen Papst und tadelten seinen Lebenswandel aus tiefster Seele. Zunächst aber suchte eine drückende, ganz außergewöhnliche Hitze die Stadt heim und der Gestank in den Vorstädten muss zu dieser Zeit noch unerträglicher gewesen sein. Für zwei Wochen verfiel alles in eine schlafende Starre. Als die Wiederkehr des Gestirns der Jungfrau die Hitze wohltätig linderte, erwachte der Lebensgeist der Stadt wieder. Die adligen Römer bemächtigten sich des Kastells Sankt Paulus und sandten dem geheiligten Kaiser ganz offen und sogar unter Stellung von Geiseln eine höfliche Einladung. Der Kaiser sammelte hierauf sein Heer und bezog am dritten Iden des November8) sein Lager vor der Stadt Rom.

      Kaum, dass er angekommen war, entflohen miteinander der Herr Papst und der Herr Adalbert. Die adeligen Herren von Rom aber nahmen noch am gleichen Tage den geheiligten Kaiser und sein ganzes Heer in der Stadt auf, erneuerten ihr Treuegelöbnis und schworen überdies einen feierlichen Eid, dass sie niemals einen Papst wählen noch weihen lassen wollten ohne die Zustimmung und Bestätigung des gerechten und erhabenen Kaisers Otto und seines Sohnes, König Otto.

      Franco und ich kehrten in Ottos Gefolge nach Rom zurück. Wir bezogen die gleiche Herberge wie schon zuvor und wurden vom edlen Herrn Stephanus de Imiza und seinem Bruder Rikhardus erneut auf das Herzlichste begrüßt, was mich persönlich sehr erfreute, weil es mir die Verheißung auf viele weitere gelehrte und ausgezeichnete Gespräche bei gutem Essen, Wein und Tanz brachte.

      Zur Mittagszeit des darauffolgenden Tages klopfte Salek, der Kammerdiener des Herrn Papstes, unerwartet an das Tor unserer Herberge. Rikhardus öffnete ihm und geleitete ihn eine Treppe hinauf, wohin Franco und ich einquartiert worden waren. Ich hatte seine Ankunft bereits bemerkt.

      Der Salek war ein gedrungener Bursche, kaum dreißig Jahre alt, so schätzte ich. Von seiner Größe her lag er zwischen der Francos und der meinigen, aber er bewegte sich ständig mit nach vorn geneigtem Kopfe, als trüge er schwer an der Last seiner Gedanken. Sein kurzes und zotteliges Kraushaar war sicher voller Ungeziefer, weshalb ich wohl gut daran tat, mich von ihm ein wenig fernzuhalten. Auch seine Kleidung zeugte nicht von erlesenem Geschmack. Ich fürchtete fast, ihm läge nicht viel daran, nach außen hin eine gute Erscheinung abzugeben, wie es sich für einen Mann seines Amtes gebührte. Als er so die Treppe hinaufkam, blickte ich ihm für einen kurzen Moment in die finsteren Augen. Sogleich wich er mir aus und verlangsamte seinen Schritt, um ihn dann, wiederum mit gesenktem Kopfe, umso schneller fortzusetzen. Mir fiel auf, dass er entsetzlich nach Knoblauch und schlechtem Schweiße stank.

      „Der Papst verlangt nach dem Knaben“, sagte er ohne Umschweife und ohne eine Form von Höflichkeit.

      „Das kann er nicht“, erwiderte ich etwas unbedacht, denn ich wusste, dass er dies sehr wohl tun konnte, wann immer ihm danach gelüstete. Um meinem Ausspruche zumindest ein wenig mehr Legalität zu verleihen, fügte ich hinzu: „Der Junge ist Teil unserer kaiserlichen Gesandtschaft, er kann nur mit mir oder dem Bischof Landward gemeinsam vor den Heiligen Vater treten.“

      Salek sah mich aus seinen dunklen Augen mit erkennbarer Verachtung an. „Ich tue, was mir gesagt wird. Schickt den Knaben heute zur vierten Abendstunde gewaschen und in festlichem Aufzuge vor das Tor. Ich werde ihn hier abholen. Tut Ihr das nicht, wird er geholt werden.“

      Daraufhin händigte er mir ein reich besticktes orangegelbes Festgewand aus, welches wohl für den Jungen gedacht war, drehte sich auf dem Absatze und stapfte finster die Treppe hinab, ohne noch ein weiteres Wort oder einen Gruß an mich oder einen der Umstehenden zu richten.

      „Sagt, Herr Salek“, rief ich ihm hinterher, „wie kann der Papst nach dem Jungen verlangen, wenn er doch gar nicht mehr in der Stadt ist? Ist sein überstürzter Ausflug ins Umland denn so schnell beendet?“

      Der Salek verlangsamte seine Schritte, drehte sich um und funkelte böse hinüber. „Ihr solltet mehr Bedacht auf die Wahl Eurer Informanten legen, Bischof! Manch einer hat in diesen Zeiten schon für weniger seine Zunge verloren.“

      Es bedurfte nicht einmal der darauffolgenden abfälligen Geste, um zu wissen, wen er damit meinte.

      „Ich