H.L. Thomas

Schattenkriege


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genauso. Vielleicht könnten sie einfach Richtung Süden fahren und erst anhalten, wenn das Wetter wärmer wurde.

      „Kannst du die Heizung höher drehen?“

      Tank nickte und warf ihr einen besorgten Seitenblick zu. Ein Blinder konnte sehen, dass Jane sich ziemlich unwohl fühlte. Sie war blass und hatte ziemliche Ringe unter den Augen. Von ihrem gewohnten Elan und ihrer Fröhlichkeit war nicht viel zu spüren. Sie hatte es in der letzten Zeit wohl ziemlich schwer gehabt. Wenn sie freiwillig in einen Bus gestiegen war, statt zu fliegen, sagte das auch einiges aus. Genauso wie die Tatsache, dass sie bereits zwei Kopfschmerztabletten mit erschreckendem Automatismus genommen hatte. Ein paar Tage Ruhe, vernünftiges Essen und frische Luft würden ihr bestimmt guttun.

      „Hey, ich kenne ein sehr nettes Lokal. Was hältst du von Steak, French fries mit Sour-Cream und zum Nachtisch ein großes Stück Käsekuchen?“

      In diesem Moment wurde Jane klar, dass sie furchtbaren Hunger hatte. Ihr Magen rebellierte schon beinahe.

      „Ja, gute Idee.“ Sie versuchte ein zaghaftes Lächeln. Mehr ließen ihr Magen und die stechenden Kopfschmerzen einfach nicht zu.

      Tank hatte nicht zu viel versprochen. „Larry’s“ war ein alter Straßenbahnwagen, der auf irgendwelchen undefinierbaren Wegen nach Lincoln gefunden hatte. Er war jetzt zur Mittagszeit sehr gut besucht.

      Tank schien Stammgast zu sein, denn Larry kam persönlich an den Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Tank war noch nie in Begleitung hergekommen. Neugierig musterte er Jane. Hübsch war sie ja, wenn auch etwas zu blass und zu dünn für seinen Geschmack. Eine richtige Großstadtpflanze.

      Das Essen war wirklich sehr gut. Ihr Magen knurrte, seit Tagen hatte sie nichts Vernünftiges mehr in den Bauch bekommen, aber jetzt war es, als stecke ein Kloß in ihrer Kehle und hindere sie, zu schlucken. Ihre Hände zitterten.

      Tank schaute sie mit einem besorgten Seitenblick an. Es entging ihm nicht, dass sie seit ihrer Ankunft mindestens drei verschiedene Pillen geschluckt hatte. Die Beiläufigkeit, mit der sie das Zeug runterspülte, ließ eine Gewöhnung erkennen, die ihn mit Sorge erfüllte. Kein Wunder, dass sie so kaputt und fahrig war. Das Ganze passte ihm ganz und gar nicht.

      „Sollen wir fahren? Du schläfst dich erst mal aus, und wenn es dir morgen nicht besser geht, schleppe ich dich zum Arzt.“

      Jane nickte, während Tank Larry bedeutete, dass er zahlen wollte.

      „Marshal, du hast ja noch gar nicht aufgegessen. Und ihr Teller“, er schaute Jane an, „ihr Teller ist ja praktisch unberührt. Schmeckt es Ihnen nicht, Miss?“

      Tank angelte eine Decke von der Rückbank und reichte sie Jane.

      „Hier. Ich möchte nicht, dass du frierst. Es dauert immer einen Moment, bis die Karre warm ist. Jane rang sich ein Lächeln ab.

      „Ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie dein neuer Job ist. Wie fühlt man sich so als US-Marshal?“

      Tank grinste. „Ist nicht halb so spannend wie bei Wyatt Earp. Mittlerweile reiten wir auch in Nebraska nicht mehr durchs Land und suchen nach den bösen Jungs. Wir vollstrecken Haftbefehle, aber das ist meistens nicht besonders spektakulär. Dann Bewachung von Zeugen, Überstellungen von einem Gefängnis zum nächsten. Gerichtstermine. Aber ich beklage mich nicht, hätte es wirklich schlimmer treffen können. Die Kollegen sind ganz in Ordnung, Jim kennst du ja. Er und seine Frau würden sich übrigens freuen, wenn wir in den nächsten Tagen mal zum Abendessen reinschauen.“

      Jane nickte. Sie waren gute Freunde gewesen, damals in Saigon. Saigon – das schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Sie fragte sich, ob sie wieder hinfliegen würde, aber nein – es gab dort keinen Tank mehr. Saigon ohne Tank, das wäre nicht dasselbe und Tank war heilfroh, dass er wieder hier war.

      Sein warmer Bariton unterbrach ihre Gedanken.

      „Woran arbeitest du im Moment?“

      Das wüsste sie selbst gern.

      „Mal dies und mal das. Die richtig tollen Sachen werden meist von den Leuten erledigt, die für die großen Zeitungen schreiben. Für Leute wie mich bleiben da mehr so die Krümel, die unter den Tisch fallen. Nichts wirklich Großartiges. Das Aufregendste war letzte Woche eine Dinnerparty bei einer Society-Lady, Felicity irgendwas. Die Party plätscherte vor sich hin, bis die Tochter des Hauses vollkommen stoned die Treppe herunterkam. Wäre vielleicht nichts Besonderes gewesen, aber bis auf die Sandaletten, die sie in der Hand trug, war sie nur mit einem Slip bekleidet …“

      Tank hörte Jane zu, während der Torino immer weiter über den Highway grollte. Das war also Janes Leben? Sie hatte tolle Reportagen gemacht. War rausgegangen, an die Front. Sie genoss große Anerkennung bei den Jungs. Und jetzt hörte sie den Polizeifunk ab, um lohnende Objekte zu finden, oder fotografierte auf drittklassigen Promipartys. Er konnte es nicht fassen. Irgendwann nickte sie ein, den Kopf an die Scheibe gelehnt.

      „Wir sind da, Baby, aufwachen!“

      Jane rappelte sich hoch und schaute aus dem Fenster. „Habe ich geschlafen?“

      „Wie ein Murmeltier während der letzten halben Stunde.“ Das Lächeln in seinen Augen wärmte beinahe besser als die Decke. „Schau mal, sieht das nicht wundervoll aus?“ Er wies mit der Hand zum Seitenfenster.

      „Wow!“

      Vor ihnen breiteten sich endlose Felder aus. Getreidestoppeln schauten durch den Schnee, der die Landschaft wie mit Puderzucker überdeckt hatte. Darüber färbte die tiefstehende Sonne den Himmel rosa-golden, bevor sie bald hinter dem Horizont verschwinden würde.

      Tank legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. Verträumt schaute er in die endlose Weite.

      „Hier ist mein Zuhause.“

      Jane hob den Kopf und küsste ihn auf die Wange.

      „Ja, das sehe ich. Der weite Himmel, das ist etwas anderes als die Straßen von Washington. Ich mag es und jetzt musst du mir den Rest zeigen, bevor es dunkel ist.“

      „Erwarte bloß nicht zu viel. Das Haus ist eine Ruine und die Scheune wartet nur noch auf den nächsten Sturm, um wegzufliegen! Aber das ist mir egal.“

      Jane sah ihn erstaunt an. „Und wo werden wir dann schlafen? Sag bitte nicht in diesem Auto!“

      Tank lachte schallend. „Nein Baby, keine Sorge. Ich habe einen Trailer hinter die Scheune gestellt. Das ist zwar nicht gerade ein Palast, aber es ist warm, es ist trocken und dort ist genug Platz für uns beide!“

      Ihnen blieb nur ein kleiner Blick auf das, was einmal die Farm von Tanks Eltern gewesen war, denn die Dunkelheit senkte sich rasch über die Ebene. Tank würde viel Zeit und Arbeit investieren müssen, bis das Ganze wieder bewohnbar war.

      Es war, als könne er ihre Gedanken lesen. Er zog sie an sich und schloss seine Arme um sie.

      „Ich habe doch jede Menge Zeit, Baby. Es reicht, wenn es fertig ist, wenn du bleiben möchtest.“

      Tanks Wohnwagen war tatsächlich ziemlich gemütlich. Er hatte den Abend zwar etwas anders geplant, aber Jane sollte sich erst mal etwas ausruhen. Ihnen blieb schließlich eine ganze Woche Zeit. Mit etwas Glück schneiten sie ein und er würde seinen Boss anrufen, dass er im Frühjahr wiederkommen würde. Er grinste bei der Vorstellung.

      Jane kramte in ihrer Tasche und suchte nach dem Fläschchen mit den Ephedrinkapseln. Sie war schließlich nicht zum Schlafen hergekommen. Tank lehnte sich gegen die Wand und schaute ihr unverwandt zu.

      „Meinst du nicht, du hast schon genug davon geschluckt?“

      Jane sah irritiert auf. „Was soll denn die Frage?“

      „Seit ich dich abgeholt habe, hast du drei verschiedene Pillen geschluckt und zusätzlich die beiden Kopfschmerztabletten bei Larry.