Eike Stern

Die Ehre der Stedingerin


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bot und Dirk klirrend anstieß. „Dann so… wir werden sehen, was sich ergibt. Auch das ist besser als gemach die Hände im Schoß zu falten.“

      Das klang weniger spektakulär, und es überzeugte auch Godeke und Ekhard. Dirk grinste Frederik zu. „Mir geht es einzig und allein darum, dem unmenschlichen Treiben des Oldenburgers Grenzen zu setzen. Klären wir, ob er aus persönlicher Habsucht die Befreiung vom Frondienst aufgehoben hat oder ob unser Erzbischof dahinter steht.“

      Er war der Erste, der sich vom Stuhl erhob. Seine Augen streiften von einem zum anderen und begegneten erneut dem unsicheren Blick von Godeke. Als Dirk freundschaftlich zwinkerte, zog er die Lippe hoch. „Es wird das Beste sein, für das ich im Leben eingetreten bin.“

      6. Kapitel

      An einem sonnigen Nachmittag im Herbst 1204 nach der Fleischwerdung des Herrn erschienen vier Ritter in Berne und erregten Aufsehen. Sie waren als Eigenbrötler verschrien unter den Edlen, ungern und argwöhnisch geduldete Neue am Rande der Bremischen- und Oldenburger Ritterschaft. Sie blieben Sachsen, die im Sprachschatz sächsisches beibehielten. Deshalb nannten sie sich hinsichtlich der Schlüssel im Wappen die Keyhuser, und man erzählte sich, sie spielten den Junkern von Specken vor Jahren übel mit. Auch äußerlich stachen sie ab von ihren Standesgenossen. Ockerfarbene Reitstrümpfe aus feinem Leinen hatten sie an, besetzt mit kleinen Eisenringen, und darüber anschmiegsame Kettenhemden in kurzem Schnitt.

      Dirk zügelte vor dem Kirchturm das verschwitzte Ross und warf sich selbstbewusst in die Brust, da sich ein Ausblick auf den freien Platz bot, in dessen Mitte an diesem Morgen ein kleiner Markt stattfand, wie an jedem Dienstag. Wo sich beim Erntedankfest noch das Bühnengerüst ausbreitete, reihten sich die zahllosen Buden, Stände und Zelte der fahrenden Händler längs des Palisadenzaunes. Das Gras am Zelt einer Garküche wirkte gelblich.

      Für Frederik hatten sie einen Abstecher in Kauf genommen, zu einem Gestüt im Raum Hannover; der ritt auf einem Hengst mit dunkelbraunem Fell, das gepflegt glänzte. Um den Schnitt mit der inselhaften Glatze zu vergessen, rasierte er sich den ganzen Schädel und versteckte das unter einer losen Kapuze, die er einfach von der Kutte abtrennte. Er trug das Kettenhemd, das ihm früher gute Dienste leistete, darüber einen Wappenrock wie Godeke, Ekhard und Dirk. „Und nun - ? Ich kenne mich hier nicht aus, Dirk.“

      Er zog nachhaltig den Zügel straff, und der stattliche Hannoveraner, dem sein Reiter noch fremd war, schnaubte auf dem Fleck tretend aus und schüttelte störrisch die Mähne.

      Dirk konnte den Blick nicht von dem anderen Teil der Warft lösen, den neuerdings ein Wassergraben von der Hauptinsel abgrenzte. Stapel von Bauholz und Backsteinen erhoben sich drüben, abgedeckt mit Planen.

      „Man erkennt schon den Rahmen der geplanten Burg“, stellte er fest und wies mit dem Kinn hinüber. Nach wie vor stand der kleine klotzige Fachwerkbau der alten Schmiede mit dem Schornstein, unter dem sich die Ässe der Schmiede befand. Sich im Wind kräuselnder Rauch stieg auf; man hörte das helle Klingen von geschlagenem Erz. Dirk sagte sich, Lüder sei letztlich wohl einsichtig gewesen und arbeite schon im Dienste des Grafen. Langsam ließ er das Pferd hin traben und die anderen Reiter folgten gemächlich, bis er absprang und an dem Gatter neben der Tür den Zügel festzurrte.

      An der Stelle von Lüder schwang ein stiernackiger Geselle in blanker Lederweste den Schmiedehammer. Die Muskeln leicht angespannt, hielt er mit einer Zange ein Stück rotwarmes Eisen auf den Amboss gestreckt, und der handliche Schmiedehammer schlug den Takt und formte es, dass es hell und heiter durch die offenstehende Tür in den Morgen hinaus klang. Der Satz, den er sich im Geiste für Lüder zurechtgelegt hatte, blieb Dirk im Hals stecken. „Sei mir gegrüßt, Schmied“, begrüßte er den Mann ganz profan, während Godeke hinter ihm die von stickiger Hitze erfüllte Werkstatt betrat.

      Ärgerlich brummte der Mann vor sich hin, ehe er sich umdrehte und sie mit einem scharfen Blick musterte, wer ihn da wohl störte. Sein Gesicht wirkte gewöhnlich, ein grob geschnittenes Bauerngesicht mit hohlen Wangen, die Stirnglatze übersät mit den Spuren verblasster Sommersprossen. Die ruppige Nase erinnerte Dirk seltsam an einen Habicht. „Was wollt ihr von mir?“, fragte er, ohne richtig die Lippen auseinander zu bekommen. „Ist ein Ross zu beschlagen?“

      „Wo finde ich Lüder, der vorher diese Schmiede bestellt hat?“

      Der neue Schmied zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ob er tot ist? Ich weiß nicht“, erwiderte er kurzsilbig.

      „Tot?“ Dirk wiederholte ihn ungläubig. „Seit wann?“

      „Fragt mich nicht, ich frag Euch ja auch nicht. Für mich war’s ein Schlendrian. Der ist aus der Schmiede, ohne aufgeräumt zu haben und hat’s auch nicht nachgeholt. Kein guter Mann rennt so von der Arbeit weg.“

      „Lüder war ein tüchtiger Schmied“, belehrte ihn Dirk. Ihn ärgerte dieses vorschnelle Urteil.

      Der Mann leckte sich unzugänglich die Zähne. „Langweilt mich nicht, auch wenn ihr ein Ritter seid. Langweilt mich nicht.“

      „Wie starb Lüder?“, fragte Dirk ihn und blickte Godeke zerknirscht an. „Eigentlich wollte ich mir bei ihm ein Schlachtschwert schmieden lassen.“

      Der neue Schmied betrachtete die Edelleute aus zusammengekniffenen Augen, kalt, starr und feindselig und kam zu dem Schluss, lieber zu schweigen.

      „Du weißt nicht, was mit Lüder geschehen ist?“, folgerte Dirk.

      „Ich bin meinem Grafen verpflichtet und werde mir nicht die Zunge verbrennen oder so.“

      „Na das ist ja eine Auskunft“, sagte Dirk und überlegte, ob sich dem Mann nicht ein wenig mehr aus der Nase ziehen ließe. „Auf einem Turnier in Hannover fiel mir ein dänischer Edelmann auf. Der trug geschultert ein blankes Schwert, das war das gewaltigste und furchterregendste, das man sich vorstellen kann… gut vier oder sogar fünf Fuß lang... Kannst du mir eine solche Waffe herstellen, mit einer ungewöhnlich langen Klinge… drei Hand breit der Griff?“

      Dirk schätzte ihn richtig ein. Es weckte geschäftliches Interesse an dem Fall und seinen Ehrgeiz. „Bis wann? Sicher… das will ich tun. Ihr habt Glück, ich verfüge über einen Schleifstein und habe lange Jahre bei einem Schwertfeger gearbeitet.“

      „Das trifft sich. Der Griff sollte mit schwarzem Leder überzogen sein. Die Klinge muss perfekt ausbalanciert werden, damit das Schwert in der Hand liegt wie ein gewöhnliches. Das setzt Können voraus. Als Knauf nimm ein hübsches Medaillon mit irgendeiner Gravur, in die Klinge arbeite bitte eine Blutrille ein.“

      Dirk hielt sich die Hand flach an die Brust. „Das Ganze in etwa so groß, vom Erdboden gemessen.“

      Der Schmied furchte skeptisch die Stirn. „Über vier Fuß hinaus geht auf Kosten der Qualität. Also Ihr habt Wünsche, Herr Ritter. Na ja, ein wenig länger als vier Fuß oder so, das ist machbar. Ich habe noch einen halbfertigen Rohling liegen… Trotzdem. Kostet Schweiß und ist mühsam, so ein langes Ding. 20 Mark muss Euch das wert sein, sonst stehlt mir nicht die Zeit.“

      Dirk holte vernehmlich Luft. Der, für den der Rohling war würde sich gedulden müssen, und das machte es für ihn teuer. Die Vorstellung, Lüder sei tot, rief Erinnerungen an Ulrike wach. Es war heiß am Schmiedefeuer, und er wischte sich über die Brauen. „Ich schwitze wie ein Bulle, aber ich gehe nicht, ehe ich nicht weiß, was hier los war nach Erntedank.“

      Überlegend blickte er Godeke an, und der schüttelte den Kopf über ihn. „Das ist ein Vermögen, Dirk. Bedenke, was du tust.“

      Für 20 Mark hätte Dirk einen Bauernhof kaufen können, aber das schien ihm egal. Adalbert gönnte er sich damals ebenso aus einer Laune heraus für viel Geld. Dieses Schlachtschwert war ein lang gehegter Traum, gut genug für einen König. Er hatte sich entschlossen, seinem Leben einen Sinn zu geben, und dieser Leichtsinn würde ihn beflügeln zum nächsten Schritt, gleichgültig, ob es ihn um die gesamte Barschaft brachte und er danach den Freunden auf der Tasche lag. Die unsichere Hoffnung, vermutlich bei den Aumunds unterzukommen, tröstete ihn darüber hinweg. „Gut, Schmied. Der