Stefan G. Rohr

Herr und Untertan


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begann er salbungsvoll, „darf ich Ihnen zunächst meinen allerherzlichsten Glückwunsch zu Ihrem erst vor kurzem zu feiernden Geburtstag aussprechen, verbunden mit nur guten Wünschen um Glück und Gesundheit fürderhin. Und ich habe mir ganz bescheiden erlaubt, Ihnen zur Bestätigung meiner Ihnen gegenüber äußerst gern aufzubringenden Aufmerksamkeit ein Bouquet stecken zu lassen, welches ich bei meinem Eintritt in Ihr Elternhaus am heutigen Tage den Dienstbereiten zur ordentlichen Präsentation in Ihrem privaten Zimmer anhand gegeben habe.“ Nun grinste er und glänzte in seinem Schweiß, der sich nun nochmals deutlicher auf seiner Glatze abzeichnete.

      Viktoria verharre in ihrer steinernen Miene: „Ich danke dem Herrn Doktor sowohl für seine gutgemeinten Wünsche, als auch für die Aufmerksamkeit in Form seines Bouquets. Und ich gehe doch davon aus, dass er es gutheißen wird, wenn ich die sicher fein gewählte Blumenpracht einem Platz im Hause zuführe, an dem diese einer gerechten und freudebringenden Betrachtung unterliegt, und alle Herrschaften, wie auch Dienstbereite, sich an dem Anblick erfreuen können, bevor die Schönheit der Natur in meinem Zimmer kaum beachtet verkümmerte.“

      „Welch´ eine vorzügliche Idee!“, antwortete Krottenkamp süßsäuerlich. „Und zeigt das Fräulein doch schon im jungen Alter einen außergewöhnlichen Sinn für das häusliche Wohl.“

      Er merkte schnell, dass es ihm nicht leicht gemacht werden würde, mit seiner Zukünftigen, die das Vermählungsvorhaben gewiss schon zur Kenntnis erhalten hatte, mit dieser eine unbeschwerte und unverfängliche Konversation führen zu können. So versuchte er einen anderen Weg zu gehen: „Es wäre mir eine große Freude und Genugtuung, wenn das Fräulein Viktoria mir später einen Tanz zu dieser vorzüglichen Musik einräumen würde.“

      „Wie könnte ich noch in den Spiegel schauen, sollt´ ich ganz voller Eitelkeit und Eigensinn den hoffenden Damen hier im Saale das lang ersehnte Tanzvergnügen rauben. Und als Tochter eines Kaufmanns ist mir das Wesen von Verträgen wohlbekannt. So bitt ich den Herrn Doktor zur Nachschau des mich betreffenden, um die Passage zu finden, in der das Tanzen zum Bestandteil wurd´.“

      Viktoria hielt es für angebracht, die gerade aufgeflammte Konversation nicht weiter zu befeuern, senkte den Kopf und drehte sich mit ihrem Stand so, dass Krottenkamp unmissverständlich zu wissen bekam, dass es im Saal sicher Interessanteres als ihn geben sollte. Sie sah dann auch nicht, dass ihr bisheriges Gegenüber einen puterroten Kopf bekam und kurz darauf ein Taschentuch hervorzauberte, um sich mit diesem die feuchte Stirn zu tupfen. Und so verlief der erste Teil der Soiree nicht nur ohne einen weiteren Wortwechsel zwischen den beiden, sondern auch ohne das gewünschte Tänzchen. Sehr zum Missfallen des Vaters, sehr zur Sorge der Mutter, sehr zur Freude von Viktoria.

      Doch der scheinbar währende Frieden fand sein jähes Ende, in dem der Vater nach ausreichend Zeit der Präsentation und Verlauf der Soiree seine Tochter in die Bibliothek bat, da dort Herr Dr. Krottenkamp auf das Fräulein Viktoria warten würde. Cousine Käthe, so der Vater, wäre auch zugegen, um der Etikette gerecht zu werden. Ihr Zugegensein aber wäre unschädlich, da es mit ihrer Hörkraft bekanntlich ja nicht weit her sei. Er geleitete seine Tochter nun aus dem Saal bis zur Bibliothek, öffnete die Türe und ließ sie dann von außen ziehend leise ins Schloss gleiten, nachdem Viktoria den Raum betreten hatte.

      Käthe saß unverändert in ihrem Sessel und las im kleinen Büchlein, und es hätte niemand auf einen anderen Gedanken kommen können, dass sie sich in Gesellschaft befand, wenn nicht ganz unübersehbar tatsächlich zwei andre Menschen im Raume zugegen waren. Krottenkamp saß auf einem Stuhl an einem kleinen Tisch in der Zimmerecke gegenüber von Käthe. Als Viktoria hineinkam, stand er höflich auf und wies mit einer Handbewegung auf den zweiten Stuhl am kleinen Tisch. Viktoria setzte sich wortlos nieder und blickte dem ältlichen Doktor fast versteinert ins Antlitz. Ihr war klar, was nun gleich geschehen sollte. Und so ließ ihr Beisitzer auch keine Zeit mehr verstreichen.

      „Verehrtes Fräulein Viktoria … Viktoria …!“, begann er nervös seine Ansprache, „Unübersehbar bin ich bereits im fortgeschrittenen Alter, was ich nur deshalb erwähnen möchte, weil jede Jahreszählung auch von gewachsener Erfahrung spricht, und ich diese zudem durch vielerlei Anschauung eines Arztes zur Ergänzung gebracht habe. So habe ich sicher ein gutes Verständnis um Ihre Befindlichkeit in puncto meines, Ihrem verehrten Herrn Vater gegenüber vorgetragenen Wunsches Sie zu ehelichen. Und dass Ihr Herr Papa und meine Wenigkeit so schnell und förderlich zu einer Übereinstimmung gelangen konnten, darf Ihnen als Beleg für allseits besten Willen, honorable und ehrenfeste Absichten dienen. So ist meine Freude schier unermesslich, dass Ihr Vater willens war, mir seine geliebte Tochter zu versprechen und sich mit der anstehenden Vermählung sogleich einverstanden zu erklären. Nun will ich Ihnen schlankerhand garantieren, Ihnen ein guter und liebender Gatte zu sein, jemand, der sehr wohl um das Innere der künft´gen Ehefrau zu wissen glaubt. Allgemach wird es für Sie zur Überzeugung, womöglich auch im Herzen gelangen, in mir einen treusorgenden Mann zu sehen und die Richtigkeit der Liaison damit bestätigt zu wissen. Sie ehelichen zu wollen entsprang keiner Schnurrpfeiferei, mögen Sie es auch noch so sehr denken. Auch fehlt es nicht an honetten Motiven, denn die Holdseligkeit des Fräulein Viktoria ist schließlich nicht übersehbar. Es war mir bislang nicht gegeben, in den heiligen Stand, in den Anfurt der Ehe zu gelangen, was jedoch keine Aussage über meine charakterlichen Eigenschaften zulässt. Nun aber, nachdem ich doch diesen Umstand und das Fehlen einer liebreizenden Ehefrau an meiner Seite schmerzlich und so lange vermisst habe, will ich es nachbessern und das junge Fräulein Kohlhaase hat mir – ich darf es Ihnen gegenüber nunmehr auch offen bekunden – durchaus im Herzen Freude entfacht.“

      Krottenkamp erhob sich, griff in seine Westentasche und holte ein dunkelblaues samtbeschlagenes Kästchen hervor, öffnete den Deckel und dann griffen seine dicken Finger den darin bisher verwahrten Ring hervor, den der Vater für seinen künft´gen Eidam in Auftrag gegeben hatte.

      „So erlaube ich mir, verehrte Viktoria, Ihnen diesen Ring zu geben, als Zeichen unserer Verlobung, so dass es ein jeder, heut hier im Saale und fürderhin dann allerorts, zu wissen erhalte, dass wir nun offiziell Verlobte sind und die Vermählung nunmehr ansteht.“

      Viktoria hatte mit versteinerte Miene der Rede Krottenkamps zugehört. Sitzend verharrte sie in ihrer Position, und sie gab kein Anzeichen, den ihr vorgehaltenen Ring anzunehmen, ja noch nicht einmal zu berühren. Sie schaute prüfend auf den ihr gegenüber Stehenden, denn sie wollte gewisslich abwarten, ob dieser nun seine Ansprache als erledigt betrachtete. Als dieser immer noch stumm und wartend ihr das Schmuckstück entgegenhielt, ähnlich so, als würde es eine Mohrrübe sein, die ein Eselchen zum Laufen bringen sollte, befand sie es dem schwitzend Erpel nun zu antworten.

      „Betrachten Sie den Ring als mir nun anverwandelt.“, sagte sie schroff, dennoch mit Fassung. „Ich gedenke diesen nicht und nie zu tragen, sodass Sie das gute Stück zurückverfrachten können, dorthin, woher es gerad´ hervorgeholt ward. Der Eheschließung wird´s kein Abbruch tun, denn diese ist ja längst verhandelt, beschlossen und sogar besiegelt, es fehlt allein der offizielle Segen. Und fürwahr, es geschah ganz ohne mein Zutun, auch bar meines Willens, allein aus mangelnder Option, mich des Vaters Order zu entzieh´n, es sei denn, ich würde mich vom Kirchturm stürzen. So erfüllen Sie den gefassten Plan, ich werde es für mich dann ebenso tun. Und da ich meinem Schicksal nicht entrinnen kann, werde ich der Eheschließung ebenso zu folgen haben, wie den Anforderungen und Bedürfnissen des künft´gen Gatten. Nur soll er heut schon wissen, vielleicht auch zur Bedenkung, dass es sein baldig Eheweib nur eingeht, da es gezwungen dazu ward. Auch heg´ ich keine Hoffnung, dass es zur Umkehr kommen könnt´, die Basis doch in Gänze ein schnödes Kaufmannswerk nur ist. Und wenn´s Geschäft dann erste Ordnung, wird nur der Vorteil lobgepreist. Wen kümmert´s noch, was eine junge Maid gern hätte. Sie ist nur das Objekt der Begierde, für den einen das holde Weib, für den anderen die gute Ware, die zum Höchstpreis sich veräußern ließ. So schreiten Sie zur Tat, Herr Dr. Krottenkamp und verkünden das Ergebnis Ihrer vorgetäuschten Werbung. Wir sind nun verlobt, soll´s jeder wissen. Und den Ring in Ihrer Tasche verwahren Sie für schlechte Zeiten, dann mag dieser fürderhin als Notgroschen dienen, nicht mehr und auch nicht weniger. Und haben Sie nun die Güte, mich zu entschuldigen, denn es ist mir nicht gut, sodass ich mich nun besser zurückziehe.“

      Viktoria