Stefan G. Rohr

Herr und Untertan


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Vorteil. Er sah nur das Wohl in allem, und so entschied er aus Fürsorge die Vergabe der Hand seiner Tochter an einen ehrbaren Kaufmann, mit dem ihn schon gute und ehrliche Geschäfte verbunden hatten. Und sein Teil zum Gelingen sollte ihn nicht als Knauser sehen lassen. So nahm er einen Partner ins Geschäft, der hierfür einen kräftigen Zuschuss einzubringen hatte. Und diesen reichte der Vater an den neuen Gatten und Schwiegersohn durch, damit es schnell möglich werden sollte, dass beide, Eidam und Tochter, sich nun als Familie in bester Lage und Sicherung empfinden konnten.

      Doch zum großen Unglück aller war es dem Vater nicht gegeben, das Aufgehen seines Plans mit eigenem Aug´ zu sehen. Kurz nach der Vermählung, noch vor der Geburt seiner Enkelin, verfiel der alte Sonnenberg urplötzlich dem Wahn. In einem Irrsinnsanfall nahm er den Feuerhaken vom Kamin, zerschlug mit kräft´gen Hieben den Schädel seiner Gattin, und mit blutig Händen bestieg er sodann den Kirchturm, um sich von diesem in die Tiefe und zu Tode zu stürzen.

      Entsetzen und Trauer grassierte in vielen Herzen. Der neue Partner im Rumhaus der Sonnenbergs aber heimste sich mit linkisch Advokatenhilfe flugs auch den and´ren Teil des Handels ein, und es war der einz´gen Erbin nur noch gegeben, ein kläglich Almosen zur Abfindung zu erhalten, denn des toten Vaters Kontrakt mit dem neuen Partner war für´s Gute nur verfasst, und schlechte Optionen fehlten in der Vorausschau gänzlich, was sich der vom Partner vorsorglich dazu gerufene Advokat galant zunutze machte, womit dieser gewisslich ein hübsches Honorar dafür kassierte.

      Und der sonst doch so erhabene Franz-Joseph, ihr Göttergatte und ehrbarer Kaufmann im Hanseatischen, wurde glatt ängstlich und scheu dem frechen Tun dieser Gauner durch Führung eines vehementen Händels vor dem passenden Gericht entgegen zu treten. Wie sehr doch lamentierte er, und zeigte sich dann kampfbereit, um hiernach umzuschwenken. War mutig bei leerer Karaffe und zaghaft wie ein Kind am nächsten Morgen. Geschickt verstand es der Herr Advokat, dem Kaufmann Kohlhaase die Sendung zu vermitteln, dass es das gute Recht der Erbin sei, sich bei gegenteiliger Auffassung gegen unterzeichnete Dokumente dem Geiste des Kontraktes widersetzen zu wollen, es dafür nun einmal Gerichte und die Richter gab. Doch wär´s dann unvermeidlich, dass die Spektakularität des Verfahrens im Kreise der Kaufmannschaft, sicher auch über diesen hinaus, in die Münder und Köpfe der Interessierten geraten würde, und es somit dem Kaufmann Kohlhaase nicht zur Garantie geriete, dass Ruf und Ansehen ganz unbeschadet blieben. Denn was der Irre in seinem Wahn vollbracht hat, zeugte schließlich nicht von Ehrenwertigkeit und Solidität, auch wenn es eine derbe Krankheit war, die ihn zum Irren machte. Und wer würde jetzt nicht auch darauf wetten wollen, dass die Erbin, als leiblich Tochter, nicht ebenso erkranken kann, und auch das Enkelkindchen nicht bar solch schlimmer Bürde wär. So wär es, wenn ein Kunde vor der Wahl stünde, bei ähnlich Angebot den einen oder anderen Verkäufer zu wählen, dem Zahlenden nicht zu verdenken, der Ehre folgend doch nur verbindlich mit einem Partner dann zu kontraktieren, der frei von Tuschelei und Fingerzeig geblieben war.

      Auch wenn die Boshaftigkeit, gewiss auch das Unverfrorene, das ganz ohne sittlichen Schleier in dem Advokatenwort steckte, von großer Impertinenz und mit ebensolcher Chuzpe einer Erpressung nahe kam, so war es Kohlhaase dann aber auch nicht uneinleuchtend, und er wog nun innerlich ganz halbschlächtig das Pro und Kontra ab. Ein Gerichtsstreit konnte lange dauern, und in jeder Sitzung säßen viele Ohren und Münder. Und am Ende dann auch Recht zu bekommen, war nicht gewisslich zu garantieren. Das angebotene Almosen war zwar mickrig, doch es sollte dann auch unter Zins und Zinseszins gerechnet werden. Und es war nicht ohne Sinn, das kluge Menschen vom Vorteil des Spatzen in Händen sprachen. Und forthin in Einheit mit solch Gaunern das Geschäft zu führen, war mitnichten noch Option. So geschah es dann auch, dass Katharina als geborene Sonnenberg für ein Almosen um ihr Erbe gebracht war, den warme Regen aus künft´gem Vermächtnis damit für immer ausbleiben sollt´. Zumindest war die Mitgift sicher eingestrichen, und so sollte er nicht mehr greinen, denn unterm Strich war die Bilanz für ihn nicht übel, auch wenn diese zuvor noch ein besseres Ergebnis versprach.

      Katharina Kohlhaase war weder bemächtigt noch befähigt, den Schlamassel zu überblicken und ihrem Gatten vielleicht sogar Paroli zu bieten. Zudem kam die Trauer. Natürlich auch die Scham. Sie trug auch noch ein Kind unter dem Herzen und so war es dann auch nicht unverständlich, dass sie die Angelegenheit dem Gatten zur Entscheidung überließ, zudem dieser ihr ohnehin nicht viel Mitsprache zubilligen wollte. Doch im Nachgang, gesät ward dieser Gedanke bereits früh, gedachte sie so manches Mal das Handeln ihres Gatten dann als das eines Zögerlings und Hasenfußes, dem das Affrontieren lästig war. Und dass ihm der eigne Vorteil doch am nächsten lag, besonders wenn es andernfalls noch Mühsal versprach, er oft die kleineren Kirschen von den unteren Zweigen den prallen in der Baumeskrone vorzog, Beharrlichkeit und Strategie oft missen ließ, der Oberflächlichkeit von Vorteilen zu gern den Zuschlag gab, ließ sie, ganz insgeheim natürlich, zu einer nur noch bedingt vorteilhaften Referenz über ihn geraten.

      Und schlussendlich hielt sie es deswegen wohl auch nicht für ausgeschlossen, dass sie mit dieser Wertung nicht alleine war, ihn kluge Geschäftemacher sicher ähnlich durchschaut hatten, es ihnen aber – ganz im Gegenteil zu ihr selbst – dann zum eigenen Vorteil gereichte.

      Kapitel 3

      Der Jagdsaal war hergerichtet, ja er strotzte förmlich vor Vorfreude die Gäste der Soiree zu empfangen und die Ehre mit guter Achtung zu erweisen. Gewiss waren da andere Prunksäle in prächtigen Villen in Orten rundherum, vor allem doch in Hamburg und den lieblichen Vororten längs der Elbe, die Staunen und Respekt erzeugten, denn es waren die Kontorläger voll bester Waren und die Geschäfte florierten nur allzu gut, und die reichen Herren konnten leichthin in ihren Villen mit Prunk und Protz aufwarten.

      Gerad´ huschten noch die Dienstbereiten von links nach rechts, präparierten die letzten Nuancen, zupften sich Schürze und Livree zurecht, steckten ihr Häubchen gerade und waren ganz gespannt auf den anstehenden Verlauf. Der Hausherr schritt das geschaffene Werk von vorn bis hinten ab, musterte jeden Einzelnen von Kopf bis Fuß, schnauzte noch hier und dort die eine oder andere Missbilligung heraus, und als sich die Musiker auf ihren Plätzen einzurichten gedachten, stellte er sich vor ihnen auf und nahm eine herrische Pose ein.

      „Wie ich sehe“, begann er zu sprechen, „sind Ihre Notenhefte dick und reichlich. So gehe ich davon aus, dass sich Ihr Repertoire nicht nur auf drei mickrige Stückchen beschränkt, denn es ist mir ein besonderes Anliegen, die Gäste meiner Soiree ganz trefflich zu amüsieren. Und daher darf ich bitten, von Trauerliedchen ebenso abzusehen, wie von musikalischen Beiträgen, denen es besser zu Gesichte stünde, als Gutenachtmusik Verwendung zu finden. Es wäre mir sodenn mehr als lieb, wenn es Pläsanterie und fröhliche Unterhaltung reizte, was die Herren fürbass an diesem Abend vorzutragen gedenken“.

      Eines der Dienstmädchen huschte gerade eilig an ihm vorbei.

      „Du, junges Ding!“, rief er ihr hinterher. „Tu etwas von Nutzen, und bringe mir flugs ein Glas mit feinem Sherry“. Und als sie beflissen nickte und sich zur Ausführung der Order anschickte, rief er hier nicht hinterher: „Aber hüte Dich vor allzu feiner Zurückhaltung, und lass das Glas zu meiner Zufriedenheit füllen“.

      Und so stolzierte er von einem End zum anderen, platzierte stets einen Kommentar oder eine Anweisung nach seinem Sinne, strich sich hiernach den Schnurrbart zurecht, und die fleißigen Dienstmädchen versorgten ihn derweil mit immer wieder nachgereichten Gläschen.

      Indes waren Mutter und Tochter in ausreichender Weise damit beschäftigt, sich für den Abend zu richten. Viktoria ließ alle Prozeduren in der bereits nun schon fast gewohnten Weise stoisch über sich ergehen. Die Mutter hingegen wollte es sich nicht nehmen lassen, an allem doch etwas Gutes zu erspähen, denn es wäre, ob nun gewollt oder nicht, die einzige Verlobung ihrer Tochter. Und ihr Mutterherz hatte dann auch ein wenig Freude mit diesem Begebnis und dessen Präparation.

      Doch zu allem Unglück war des Schneiders Werk ganz und gar misslungen. Katharina Kohlhaase wurde nun so ingrimmig, dass es selbst ihren Gatten verjagt hätte, sofern er denn zugegen gewesen wäre. Und das unbegabte Schneiderlein hatte es in weiser Voraussicht offensichtlich auch vorgezogen, sich nicht an den Tatort zu verbringen, denn die