Franziska Hartmann

Doran


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schwarz.

      NEUE HEIMAT

      Als ich aufwachte, fühlte ich mich unwirklich. Ich wusste, dass ich auf etwas lag, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Nicht einmal, wie es beschaffen war. War es weich? Oder hart? Kühl oder warm? Ich fühlte mich benommen. All meine Sinne schienen nur auf Sparflamme zu funktionieren. Nur meinen Kopfschmerz spürte ich klar und deutlich. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Über mir erkannte ich verschwommen die hölzerne Decke eines Raumes. Dann hörte ich Stimmen.

      „Er hat es nicht geschafft. Die Verbrennungen waren zu stark und zu großflächig.“

      „Wie geht es dem Mädchen?“

      „Sie hatte wieder Schmerzen. Ich habe ihr noch ein Mittel dagegen gegeben. Sie wird mit den Narben in ihrem Gesicht leben müssen.“

      „Und der andere Junge?“

      „Ich wollte gerade nach ihm schauen. Er ist noch nicht wieder zu Bewusstsein gekommen.“

      Erst als ich näher kommende Schritte hörte, wurde mir bewusst, dass sie von mir sprachen. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Doch ich bekam sie kaum einen Millimeter auf, weil mich das Licht blendete. Ich hätte schwören können, dass es nicht einmal besonders hell da draußen war, aber meine Augen waren einfach viel zu empfindlich.

      „Kaya, er ist wach!“

      „Bist du dir sicher?“

      Jemand hob meine Lider an. „Definitiv. Junge? Kannst du mich hören?“

      Ich wollte antworten. Ich schaffte es immerhin, meinen Mund zu öffnen.

      „Hab keine Angst. Du bist im Tal der Feuergeister. Wir kümmern uns um dich. Du bist in Sicherheit.“

      Sicherheit. Feuergeister. Ich wollte mich sicher fühlen. Aber ich konnte es nicht. Mein Körper signalisierte mir noch immer Gefahr. Doch für eine Reaktion war ich zu schwach.

      „Du wirst dich bald wieder besser fühlen.“

      Ich spürte etwas Kühles an meinen Lippen. Und als die Flüssigkeit meinen Mund und Hals benetzte, spürte ich erst, wie durstig ich war. Ich zwang mich erneut dazu, meine Augen weiter zu öffnen. Jetzt erkannte ich die beiden Gestalten. Es waren zwei Frauen, Feuergeister. Ich erkannte sie an ihren langen blonden Haaren und ihren goldenen Augen. Und an diesem einen bestimmten Grünton, ein im Gegensatz zu anderen Farben, die ich sah, sanftes Tannengrün, der die beiden umspielte. Dieser Grünton umgab nur Feuergeister. Sie sahen aus wie Zwillinge. Eine von ihnen hatte mir einen Becher Wasser eingeflößt, den sie nun wieder von meinen Lippen absetzte und an sich nahm.

      „M… mehr…“, krächzte ich.

      Die Frau füllte den Becher auf. „Kannst du ihn halten?“, fragte sie mich.

      Ich schickte meine Konzentration in meine Hände. Ich bewegte meine Finger unter der weichen Decke, unter der ich lag. Der andere Feuergeist half mir, mich aufzusetzen. Dann schaffte ich es, meine Arme zu heben und nach dem Becher zu greifen. Ich war froh, dass der Becher nur zur Hälfte gefüllt war, als ich ihn mit zittrigen Händen zu meinem Mund führte und trank.

      „Mein Name ist Kaya“, stellte sich die Frau vor, die mir das Wasser gereicht hatte und deutete dann auf die andere. „Und das hier ist meine Schwester Amber.“

      Amber nickte mir lächelnd zu.

      „Möchtest du etwas essen?“, fragte Kaya.

      Ich nickte heftig. Ich hatte nicht nur einen wahnsinnigen Durst, sondern auch einen Mordshunger.

      Kaya verschwand hinter dem roten Vorhang, der den Eingang in mein Zimmer verdeckte.

      Und als ich allein mit Amber war, fand ich endlich meine Sprache wieder. „Was ist passiert?“, fragte ich sie. „Wie bin ich hierhergekommen?“

      Amber sah mich mitfühlend an. „Ein paar Feuergeister haben dich gerettet.“

      „Und die anderen?“

      Ihr Blick wurde noch trauriger. „Ich fürchte, für die meisten kam die Rettung zu spät.“

      Mein Herz klopfte wild. „Was ist mit meinen Geschwistern? Cuinn? Lilly? Sind sie auch hier?“

      „Ich kann es dir nicht sagen. Aber ich verspreche dir, ich werde es herausfinden“, versicherte Amber mir.

      „So.“ Kaya kehrte zurück mit einem Holztablett in den Händen. Sie stellte es auf meine Oberschenkel. „Ich hoffe, es wird dir schmecken.“

      Da war ich mir sicher. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich einen Kanten frisches Brot und Käse vor mir stehen sah. Dazu reichlich Obst. Ohne zu zögern, langte ich zu und begann, Brot und Käse zu verdrücken.

      „Wir werden nun erst einmal nach den anderen schauen“, teilte Kaya mir mit.

      Doch ich war viel zu vertieft ins Essen, um darauf zu reagieren.

      „Cuinn und Lilly, richtig?“

      Als Amber die Namen meiner Geschwister nannte, sah ich jedoch auf. Ich nickte. „Cuinn und Lilly Lasair.“

      „Wir werden versuchen, sie ausfindig zu machen. Und wie ist dein Name, junger Mann?“

      „Ich bin Doran“, nuschelte ich, während ich weiter mein Brot kaute.

      Dann ließen Kaya und Amber mich allein.

      Und wie ich da allein in meinem Bett saß, verging mir plötzlich der Appetit. Weil mir bewusst wurde, wie allein ich wirklich war. Mein Vater hatte mich verlassen. Meine Mutter war weit weg und ich würde vielleicht nie wieder zu ihr zurückkehren können. Und ich wusste nicht, ob Cuinn und Lilly noch lebten. Ich hatte niemanden. Ich ließ den letzten Rest meines Brotes liegen und saß dann eine Weile wie versteinert da. Da war sie wieder: Diese innere Leere. Und die Frage: Was brachte es mir eigentlich, überlebt zu haben, wenn ich nun alleine war?

      „Ist alles in Ordnung bei dir, Doran?“

      Ich zuckte zusammen. Amber schaute hinter dem Vorhang hervor. Ich antwortete nicht. Das war nicht nötig, denn Amber wusste, dass es mir nicht gut ging. Doch als ich sie ansah, sie und die bunten Farben, die sie begleiteten, hellte sich meine Stimmung auf. „Du hast Lilly gefunden“, sagte ich erleichtert. Es hatte gestimmt, was ich gesehen hatte. Lilly hatte überlebt.

      Amber nickte freudig lächelnd. „Deine Schwester lebt. Sie hat aber schwere Verbrennungen davongetragen. Zwar ist sie außer Lebensgefahr, aber sie wird noch einen langen Genesungsprozess vor sich haben. Cuinn jedoch…“ Sie schlug betrübt die Augen nieder. „Er ist nicht unter den Halbbluten, die wir aus der Stadt geholt haben. Zumindest nicht unter denen, die noch leben.“

      Ich schluckte schwer. Amber setzte sich neben mich auf die Bettkante und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Es tut mir furchtbar leid.“

      „Er ist entkommen“, murmelte ich.

      „Wie bitte?“, fragte Amber überrascht.

      „Er ist weggelaufen. Vielleicht ist er entkommen.“ Ich glaubte nicht wirklich daran. Aber es war eine Möglichkeit.

      Und ich sah Amber an, dass auch sie nicht daran glaubte, als sie sagte: „Ja, vielleicht.“

      „Kann ich zu meiner Schwester?“, fragte ich.

      Amber zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf. „Warte lieber noch ein, zwei Tage. Dann geht es ihr sicher schon besser. Und du solltest auch noch das Bett hüten.“

      Ich wusste, dass sie recht hatte. Ich fühlte mich immer noch schwach. Auch wenn das Essen gut getan hatte.

      Amber kniff die Augen leicht zusammen und legte den Kopf schief. „Darf ich dich etwas fragen?“

      Ich nickte.

      „Dein goldenes Auge… Hast du das von einem Feuergeist geerbt?“

      Mir wurde kalt und ich bekam eine Gänsehaut, als sie mein Auge erwähnte.