Frater LYSIR

Magisches Kompendium - Runen und Runenmagie


Скачать книгу

dass die verschiedenen Möglichkeiten eben möglich sind – doch eine Möglichkeit ist kein 100%iger Beweis. Braucht man denn einen 100%igen Beweis? Die Ratio und der eigene Intellekt werden dies bestätigen, vielleicht sogar verlangen, da die Neugier doch recht groß ist. Immerhin läuft die Neugier Hand in Hand mit der Skepsis, was wiederum bedeutet, dass man sich selbst einen Beweis präsentieren muss, dass die Runen, im geschichtlichen Kontext, etwas Besonderes sind, sodass man mit der Magie der Runen in einem relativ seriösen Gebiet agiert, und kein irrer Spinner ist. Auf der anderen Seite wird es vielen magischen Menschen vollkommen egal sein, woher die Runen kommen. Letztlich kommen sie aus den oberen Ebenen, sie kommen von den Göttern, sie kommen aus dem Weltenbaum Yggdrasil und sind letztlich in allen Welten beheimatet. Vielleicht sind die Runen einfach nur Erweiterungen von anderen symbolischen Ideen, von buchstabengetreuen Fantasien, von Glyphen und anderen Zauberzeichen. Vielleicht sind es aber auch Weiterentwicklungen von Alphabeten, die letztlich auf irgendwelchen Hochkulturen fußen.

      Man weiß es nicht, auch wenn in den letzten 30 Jahren immer wieder wissenschaftliche Arbeiten entstanden sind, die hier Licht ins Dunkel bringen wollten, es dann aber doch nicht wirklich schafften. So kann man im Allgemeinen erst mal sagen, dass die Runen nicht einfach „aus dem Nichts“ gekommen sind, sondern irgendwie und irgendwann „übermittelt“, „erfunden“, „gefunden“ oder auch „gechannelt“ wurden. Die Runen wurden NICHT allein durch die nordische Kultur erschaffen, sodass hier irgendwelche Einflüsse vorhanden sein müssen! Diese Einflüsse werden WOHL als Vorlage ein „mediterranes“ Alphabet besessen haben … also ein Alphabet, welches sich aber aus dem phönizischen Alphabet entwickelt hat, da dieses Alphabet Stammsitz des lateinischen und des griechischen Alphabetes war. Tja, und je mehr Fundorte es gibt, die wie weit auch immer voneinander entfernt sind, desto komplizierter wird es, denn hierdurch wird es eher schwieriger, etwas Einheitliches zu erschaffen. Wenn es einen „Herrschersitz“ geben würde, der bestimmt hätte, dass das Futhark so sein muss, wie es jetzt bekannt ist, wäre es viel einfacher. Doch es gab keine einheitliche Herrschaft. Die Gebiete, in denen die Runen gefunden wurden, erstrecken sich über Mittel- und Nordeuropa, was bedeutet, dass hier Dutzende, wenn nicht sogar hunderte Herrschaftsgebiete berücksichtigt werden müssen. Dies führt wieder zu Stammeskulten, zu Sprachen, Dialekten und Maximen, denn Menschen, die weit weg von einer Küste lebten, haben andere Gepflogenheiten als die, die direkt mit dem Meer interagieren. So sind die formalen und die linguistischen Parameter so groß, dass man hier kaum Herr der Lage werden kann. Es wäre so schön einfach, wenn man etwas finden würde, was belegt, woher die Idee der Runen kam, also welches Alphabet oder welche Buchstaben hier Vorbild waren, warum überhaupt die Runen erschaffen wurden, also welchen Zweck die Runen besitzen und zu welcher Zeit die Runen ganz genau entstanden sind, denn die Funde reichen primär vom Zeitraum 200 - 1400, was zwar bedeutet, dass vielleicht die Runen um 200 entstanden sind, vielleicht aber auch noch viel, viel früher. OK, in diesem ganzen Kontext wäre auch noch der Ort bzw. das Gebiet toll, wo denn nun die Runen das Licht der Welt erblickten. Hierdurch könnte man wieder auf die Menschen schließen, die die Runen fanden bzw. erfanden. Welchen Stand hatten die ersten „Runenweisen“? War es eine homogene Gruppe, eine Sippe, oder waren es allgemein religiöse Menschen, die man als Priester / Priesterinnen ansehen kann? Oder waren es die Götter selbst, sodass man hier wieder von Besessenheiten und „Walk In’s“ sprechen kann, da die kosmischen Essenzen sich mit den Energien der inkarnierten Menschen verbunden haben und die „Fleischvehikel“ einfach übernahmen.

      Um hier aber ein relativ vollständiges Bild zu präsentieren, möchte ich die verschiedenen Thesen kurz und knapp ansprechen, wobei man ständig im Hinterkopf behalten muss, dass diese Thesen nur Möglichkeiten sind, und definitiv nicht – wie die Runen selbst – in Stein geritzt.

      Die Herkunft der Runen lässt sich auf fünf primäre Thesen eingrenzen, wobei es sich hierbei einmal um die phönizische These handelt, die norditalisch-etruskische These, die lateinische These, die griechische These und letztlich auch Asgard These. In diesem Kontext sagt einfach die phönizische These aus, dass die Runen sich aus einem Alphabet entwickelt haben müssen, welches von einer Hochkultur entwickelt wurde, in diesem Kontext die Phönizier, da aus dem phönizischen Alphabet im Grunde alle Alphabete entstanden sind, die heutzutage in Europa und Mittelasien verwendet werden, da die Runen, wenn man sich allein auf die archäologischen Funde bezieht, zeitgleich an verschiedenen Orten in Mittel- und Nordeuropa aufgetreten sind. Es scheint daher, dass die Runen Stück für Stück von der jeweiligen Bevölkerung und Kultur entwickelt wurden, jedoch den Initialfunken in einem Alphabet hatten, welches ähnliche Strukturen hatte. Zwar wird sehr gerne vermutet, dass die gerade Struktur der Runen damit begründet sei, dass es einfacher ist, gerade Linien in Holz und Stein zu treiben, doch ist diese Aussage eher unhaltbar, da nicht nur mittlerweile auch gerundete Runen gefunden wurden, sondern auch andere Schnitzereien, die deutlich kunstvoller waren, als einfache Runendarstellungen. Auch die Idee, dass letztendlich die Runen vom phönizischen Alphabet abstammen, ist nicht wirklich zu halten, denn auch wenn die phönizischen Buchstaben den Runen ähneln, zeigt die Tatsache, dass sich aus diesem Buchstaben die hebräischen Buchstaben entwickelt haben, doch die Möglichkeit, dass auch gerade Linien und Ecken abgerundet werden können. Natürlich muss man sagen, dass es möglich ist, dass hier die Phönizier federführend waren, denn die hebräische Schrift, genau wie die griechische Schrift und auch unsere lateinische Schrift, beziehen sich ursprünglich auf die phönizische Schrift – eine Schrift, die knapp 3000 Jahre alt ist. Es ist aber nicht die älteste Schrift, denn dies ist die sumerische Keilschrift (ca. 3150 v. Chr.), aus welcher sich die babylonische Schrift entwickelt hat und schließlich das phönizische Alphabet.

      Und genau hier sieht man schon, dass die anderen Thesen letztlich auch so gestrickt sind, dass irgendwie die Sumerer, die Babylonier und die Phönizier ihre Finger mit im Spiel haben. Da die lateinische Schrift, wie auch die griechische Schrift, sich von den Schriften der Hochkulturen ableiten, und sich in Bezug auf die Herkunft der Runen, die lateinische und griechische Thesen, Seite an Seite befindet, muss man hier nicht viel Fantasie haben, um diese Thesen auch ins Reich der Phönizier zu drücken. Die norditalisch-etruskische These bezieht sich darauf, dass das nordetruskische Alphabet hier ein wichtiger Sprungpunkt war. Dass sich dieses Alphabet aber unter anderem einer Beeinflussung von den Griechen gegenüber sah, könnte man eigentlich schon zur nächsten These springen. Daher sei hier einzig noch einmal erwähnt, dass das nordetruskische Alphabet in seiner Form, ein paar Ähnlichkeiten besitzt.

      Diese Ähnlichkeiten sind aber viel stärker in Bezug auf das phönizische Alphabet zu deuten, als auf die Runen. Hier einmal ein Abbild des nordetruskischen Alphabets und im Anschluss sofort eine Tabelle der phönizischen Buchstaben:

Grafik 1 Grafik 4 Grafik 7

      Nun ja, man kann hier natürlich Übereinstimmungen finden, wenn man dies denn will, doch sind sie wahrlich nicht perfekt. Genauso unperfekt sind die lateinische These und die griechische These, da einfach davon ausgegangen wird, dass die Bevölkerung von Mittel- und Nordeuropa durch die Expansion des Römischen Reiches, zwangsläufig Kontakt mit dem lateinischen Alphabet hatte, sei es jetzt durch die Eroberungszüge, oder durch Händler, sodass die lateinischen Buchstaben ganz einfach als Vorbild genommen wurden, um hieraus eigene Buchstaben zu formen. Natürlich ist es möglich, auch wenn man hier wahrlich übergroße Egos haben müsste, die unbedingt eigene Buchstaben verbreiten wollten. Zwar findet die These, dass die Runen sich aus dem lateinischen Alphabet entwickelt haben, viele Fürsprecher, doch sind deren Fundamente nicht so stahlhart, wie man es sich wünschen kann. Da hilft es auch nicht, dass die Ogham-Schrift mit ins Boot geholt wird, da hierdurch eher mehr Verwirrung als Klarheit herrscht. Dies liegt daran, dass die Ogham-Schrift sich sehr stark auf eine mythologische Erschaffung stützt, denn der Begriff „Ogham“ bezieht sich auf den irischen Gott Oghma MacElatha, der aus dem irischen Göttervolk der Fomhoire stammt, jedoch den Tuatha de Danann zugetan ist. Die Ogham-Schrift wird gern mit den Runen verglichen, denn auch bei der Ogham-Schrift gibt es eine Legende, wie diese „erschaffen“