Gabriele Ried-Hertlein

Karibikstrand


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der Weite des Meeres zu stehen, den Klang der Brandung in sich aufzunehmen. Langsam auf und ab zu blicken über den endlos langen Strand, der sich zu beiden Seiten in der Dunkelheit verliert.

      Und mein Blut fließt zäh und schwer durch meine Adern, als wir uns endlich Stufe für Stufe die vier Stockwerke zu unserer Suite hochschleppen.

      "Ich reiche Dir meine Hosen, du hängst sie auf die Bügel", übernimmt der Techniker am geöffneten Koffer sofort das Kommando.

      "NEIN, ich bin doch immer auf der linken Seite, Isa, nicht nach rechts hängen!"

      Am besten keinen Kommentar abgeben. Jetzt ist es Viertel vor Vier in der Früh, jedenfalls immer noch nach meiner Armbanduhr. Und ich kann definitiv nicht mehr!!!

      Liege in einer astrein von Koffern und Taschen befreiten Super-Suite ausgestreckt und halbtot auf dem in diesem Moment wirklich viel zu riesigen Kingsizebett und Leo, im seidenen mintgrünen Schlafanzug auf der Bettkante sitzend, ist voll auf seine Fingerbewegungen konzentriert:

      "Was machst Du denn jetzt noch?"

      "Ich will eine SMS öffnen, die habe ich noch nicht gelesen."

      Bling, Bling.

      "L E O !!!!!! ICH BIN KURZ VOR EINEM HERZINFARKT!! Aber...... Du musst schnell noch die zwei Mantas aus dem Schrank oben holen. Und mir einfach übers Bett werfen.

      "Bleib ruhig, Leo!!" dessen Finger erst einmal erstarren wollen. "Keine Manta-Rochen, Wolldecken auf Spanisch: Las mantas. Wir sollten uns heute Nacht vorsichtshalber mit ihnen zudecken", murmele ich und falle im selben Moment in den Schlafmodus.

      Leo schleicht sich in der kurzen Nacht nochmal aus dem Kingsizebett und japst im Dunkeln die drei Marmorstufen alle auf einmal mit einem einzigen langen, erschrockenen Satz nach unten zum Bad. Weil er sein Handy im Bad liegen ließ und von dort ein Bling, Bling hörte.

       Freitag, 3. Februar

      "El presidente! de la Repuuuuublica Domimicaaaana!...Venezueeeela! busca otra... doscientos empleados!" 6:40 Uhr brüllt mich wie aus dem Nichts eine spanische Männerstimme an. Unmittelbar an meinem Bett.

      Ich brauche Sekunden, um zu begreifen, wo ich bin und dass ich einfach irgendeinen Knopf auf dem Schreihalswecker drücken muss. LEO! Leo hat den Radiowecker auf meiner Bettseite in der Ankunftsnacht, bevor er dann noch die SMS öffnen wollte, gleich auf die unnormal frühe Uhrzeit 6:40 Uhr programmiert.

      "Du hättest wenigstens die Lautstärke kontrollieren können gestern!"

      "Und um 11:40 Uhr deutscher Zeit sollte man ausgeschlafen haben. Ich liege schon lange wach.", springt Leo aus dem Kingsizebett.

      Als wäre die Zeit stehen geblieben, zur selben Uhrzeit wie wir eben vor dem Restaurant einlaufen, nämlich kurz nach 7:00 Uhr, sitzen die Fusionierten Kartenvier genau wie alle Jahre bereits an ihrem immer gleichen Tisch beim Frühstück.

      "Hi!", grinse ich und schüttle der Reihe nach Marejeet, Raspel-Ria, Witze-Kalli und Kay die Hand.

      "Wie lange seid Ihr schon da?"

      "Ne gute Woche, sind zusammen angekommen."

      Jetzt bloß nicht fragen, wo sie wohnen, hämmere ich mir ein. Und wie zum Schutz versinken sie augenblicklich wieder in sich selbst.

      Pedro wiegt uns hin und her und bringt zwei Gläser Begrüßungssekt. Margarita hinter ihrer großen Safttheke gerät fast aus dem Häuschen, als ich ihr das kleine Päckchen Mousonseife hinhalte und verbietet mir, unsere zwei Gläser Bananensaft selbst an den Tisch draußen zu tragen. Rafael, seit letztem Jahr viel rundlicher geworden, steht wie aus dem Nichts plötzlich neben ihr, um ihr liebevoll über den Rücken zu streicheln.

      "Novio?", ziehe ich die Augenbrauen hoch. Verlobte?

      Obwohl Margarita mir schon lange erzählt hat, dass drei fast erwachsene Kinder bei ihr zu Hause im nahen Higüey wohnen und Rafael vier Kinder von drei Frauen hat und sie beide nur hier im Hotel ein Paar sind.

      Doppelehe im Centercourt

      30er Sonnencreme auftragen, in den weißen Badeanzug schlüpfen, weiße Seidenhose, weißes Shirt und über den gepflasterten Wirtschaftsweg hinter unserem Hotel hinüber zum ROY Paradiso-Hoteleingang und dort abbiegen auf den kurzen Verbindungsweg, der direkt zu den ROY-Tennisplätzen führt.

      "L e o, L e o !!", winkt heftig die dominikanische Tennis-Crew, kaum dass sie uns auf dem schmalen Steinweg vor den Plätzen, der in einen holprigen Rasentrampelpfad zum Eingang mündet, erspäht hatten. Ohne Umschweife legen Alfredo und Juan ihre verschwitzten Arme um uns, klopfen Leo, der die beiden jungen Durchtrainierten noch immer zäh wegputzen kann, respektvoll vorsichtig den Rücken. Und japsen vor Freude, dass er sie wieder wochenlang unterhalten wird, wenn er in der karibischen Hitze jeden zweiten Tag mit konzentrierten Siegeraugen, Hechtsätzen und ausgefeilter Raffinesse klatschnass und kompromisslos um jeden einzelnen Punkt kämpft.

      "Übermorgen 16 Uhr? Kannst Du das eintragen, Juan? Spielst DU mit mir oder Alfredo? Oder habt Ihr einen Gast, der spielen will? .Isa, sag Du es ihm auf Spanisch."

      Aber Juan nickt schon und trägt das Date ein.

      "Yann está!!" Yann ist schon da!

      "Yann?"

      "Si, Yann, el Dr. Ginecologo!"

      "Adios amigos, hasta el Domingo mit Yann."

      Ich werfe meinen Kopf nach hinten und fächere mit den Fingerspitzen durch die Haare, als wir die verwitterte Gittertür der Tennisanlage zur anderen Seite zur Karibischen Straße mit seinen bunten Souveniershops hinter uns zuzogen.

      Mit fein heller Stimme wie Fabrikant Brentano Zierrock 'Betreutes Wohnen':

      "Ihr Mann führt eine URLAUBSDOPPELEHE! Mit Ihnen und mit dem Tennis!!!" und schiebe schnell noch meine Lippen zu einem Kussmund nach vorn. Wie seine hoch korrekte Gattin Irmintraude, mit der er seit Eröffnung des allerersten ROY-Hotels hier samt zottlich langer Urlaubsmähne, Melanomkrater auf dem Rücken und seiner Diamond-Stammgästekarte zur Überwinterung anreist. Von seinem Liegestuhl aus zwitscherte er das Ergebnis seiner Anamnese zu mir hoch letztes Jahr, als er in der Umbauphase des Paradiso bei uns wohnte und Leos eiliges Verabschieden zum Tennis genau beobachten konnte.

      Und seine Frau Spitzmund blickte neben ihm hoch konzentriert von ihren überaus gründlich studierten Illustrierten von den Gästen der letzten Chartermaschinen auf und bestätigte seine Diagnose: "In der Tat, das ist so!",

      und kräuselte nach dieser distinguierten Äußerung die Lippen nach vorn zu einem zusammengepressten Ring als akkurater Schlusspunkt am Satzende. Und hielt diese Position sekundenlang. Wie immer, seit wir sie kennen.

      "Wir müssen uns dranhalten, wenn wir das neue Hotel in Ruhe anschauen wollen",

      Leos knappe Antwort auf meine Showeinlage.

      Kantencooler Betonpurismus

      Gefühlt eine Viertelstunde dauerte der Fußweg, nur an den hinteren Zimmern entlang, zum Eingang des nagelneuen Hotel-Riesenklotzes, dem ROY Quadrato, neben dem ROY Paradiso. Wir drücken gespannt die breite Glastür zur Lobby auf und Eiseskälte ist das erste, was mir entgegenschlägt. Klimaanlage auf Hochtouren und rings um uns herum babyrosa, mattsilber und dottergelb! Schrill bunte Wände, silbergerahmte Einheitsgrafiken und sachlich-coole Möbelchen. Metallfarbene Sessel mit zwei Meter fünfzig hohen Rückenlehnen, neckische bunte Eisdielentischchen und Plastik-Schnickschnack. Und an der linken Seite versteckt sich unbedeutend, nada especial, die fade Rezeption. Für 1.400 Gäste!

      Die brünett gelockte Alexandra, Guest Relation Managerin für den neuen Sansibar-Bereich, steht vor der 'Nada-especial'-Rezeption und greift gleich zu ihrem Handy, als Leo sie nach Direktor Carlos fragt.

      "Señores Stern, Direktor Carlos möchte Sie sehr gern zum Abendessen einladen. Wann immer Sie möchten. Kann eben gerade dringend nicht weg bei ein paar Gästen."

      Wir