Tonda Knorr

Totenwache


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…“

      „Ich denke morgen?“, wollte Sarah das Gespräch schnell beenden.

      „Nur noch eine Frage. Warum reden Sie Ihren Vater eigentlich immer mit seinem Namen an? Ist doch ungewöhnlich, oder?“

      „Mach ich doch auch“, meldete sich Tim zu Wort, und bevor der Kommissar über Tims Antwort nachdenken konnte, übernahm Sarah wieder das Sprechen: „Spielt das eine Rolle?“

      Frank zögerte kurz. Er war innerlich verärgert. Wie es aussah, war das hier ein Scheißjob an einem scheißheißen Tag in einer Scheißgegend mit einer allerdings bildhübschen Frau, die ihm mehr Rätsel aufgab, als ihm lieb war und dann noch mit so einem jungen Pisser vor ihm rumturtelte.

      „Nein, nein, war nur so eine Frage.“

      Frank nahm die Akte in die Hand, deutete mit ihr einen Gruß an und ging langsam rückwärts.

      „Vielen Dank für den Kaffee. Wir sehen uns morgen, wenn es Ihnen passt. Die Fragen, Sie wissen schon.“

      Sarah nickte nur kurz und wandte sich dann Tim zu.

      „Komm, setz dich, erzähl. Wie geht’s dir?“

      Die beiden setzten sich auf den Tisch.

      „Wie geht es dir?“, erwiderte Tim, statt ihr eine Antwort zu geben.

      Wagner war mittlerweile an seinem Auto angelangt und schaute hoch zu Tim und Sarah. Vertieft in ihr Gespräch, schienen sie nichts mehr um sich herum wahrzunehmen. Plötzlich, als hätten sie ewig darauf warten müssen, umarmten sich die beiden und verharrten so für einen Augenblick. Die Haare hingen Sarah ein wenig vors Gesicht und so konnte sie unauffällig aus den Augenwinkeln über den Hof schauen und in Ruhe den Kommissar beobachten, wie er in sein Auto stieg.

      „Was willst du denn hören?“, fragte Sarah leise.

      „Was willst du denn erzählen?“

      Sarah löste die Umarmung.

      „Du warst so lange nicht da. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

      „Weiß dieser Kommissar, dass du bei der Polizei warst?“

      Sarah schien erstaunt. „War? Du weißt schon …?“

      „Mama hat mir alles erzählt.“

      „Alles?“

      „Na ja, was Mütter halt so von ihren Töchtern erzählen.“

      „Seit wann bist du denn da?“

      „Seit gestern“, gab Tim zu.

      „Herbert hat gar nichts erwähnt.“

      „Er kam auch erst spät. Wir haben uns noch gar nicht gesehen. Marianne meinte, ich treffe ihn hier bei dir.“

      „Er ist kurz vor dir weg. Es läuft hier nicht so, wie er sich das vorstellt.“

      Tim musterte das Gehöft. „Und was willst du hier? Du hast dich doch immer so wohl gefühlt in Berlin.“

      In Sarahs Augen bildeten sich Tränen.

      „Weiß nicht, zur Ruhe kommen.“ Sarah schaute nachdenklich.

      „Na, Ruhe hast du hier genug“, stellte Tim mit einem Lächeln fest.

      „Wir sind dann erstmal weg“, meldete sich Lubowski lautstark ab.

      Sarah nickte ihm unbeteiligt mit einem Blick über ihre Schulter zu.

      „Wie geht’s Herbert denn?“, nahm Tim das Gespräch wieder auf.

      „Herbert, ach der …“ Sarah seufzte und machte eine Pause. „Du kennst ihn ja.“

      „Kennen ist gut. Ich war über ein Jahr nicht da.“

      „Er hat mir das hier besorgt. Wir haben die letzten Monate kaum geredet. Ich wollte für mich sein. Von Bernhard habe ich erfahren, dass er die ganze Sache auch noch forciert hat.“

      „Was meinst du?“

      „Meine Versetzung in den Ruhestand.“

      „Begeistert war er ja noch nie von deinem Job. Kannst du damit nicht leben?“

      Sarah sprang entrüstet auf. Ihr Ton wurde lauter.

      „Tim, ich bin fünfunddreißig Jahre alt. Was soll ich denn im Ruhestand? Ich bin Polizistin.“

      „Aber so was kann einen schon aus der Bahn werfen. Was kann einer Frau denn Schlimmeres passieren?“

      Sarah musterte Tim.

      „Was in der Nacht passiert ist, ist die eine Sache. Herbert war es nie recht, dass ich zur Polizei gegangen bin. Die haben mich hängen lassen. Erst waren es meine Kollegen, danach war es Kuntz und zu guter letzt auch noch Herbert. Das kann einem Schlimmeres passieren.“ Sarah redete sich in Rage. „Da gab es keine Untersuchungen, nichts. Ich war die Angeschissene. Kuntz meint, die Umstände waren ungünstig. So einen Scheiß musste ich mir anhören. Die haben mich hängen lassen und richtig schön auflaufen lassen. Keine Sau hat mir geholfen. Ich sei unvorsichtig gewesen und trage eine Mitverantwortung. Wir hatten Haagedorn fast am Wickel, und jetzt ist der schon lange wieder in Holland oder sonstwo, und ich bin draußen. Die sind alle noch da, und dann haben sie auch noch Lisa versetzt.“

      „Haagedorn?“ Tim schaute fragend.

      „Ein Holländer. Ganz üble Gestalt. Drogenhandel, Geldwäsche, Prostitution, das ganze Programm. Musst du nicht kennen. Hinter dem waren wir schon ewig her, und dann habe ich den Tipp mit dem Iron Fist gekriegt.“

      „Iron Fist? Was machst du denn in so einem Schuppen?“

      Sarah flippte fast aus. Zum ersten Mal liefen ihr Tränen über die Wangen, aber es schien ihr wichtig zu sein, endlich mal mit jemandem, der unbeteiligt war, darüber zu sprechen.

      „Na Haagedorn kriegen!“, schrie sie fast schon.

      „Hey, ist ja gut, komm her.“

      Tim breitete die Arme aus. Sarah setzte sich wieder neben ihn und ließ sich in seine Arme fallen.

      „Ist ja gut. Hast du mit Herbert schon darüber geredet?“

      Sarah löste sich aus der Umarmung und wischte sich mit ihrem Ärmel die Tränen weg.

      „Wann denn? Du siehst doch, was hier los ist. Außerdem baut er schon wieder ein neues Werk.“

      „Hört das denn nie auf? Der kommt wohl nie zur Ruhe.“

      „Ohne das Werk hätte er den Hof hier nicht bekommen. Oder umgekehrt. Oder … ach, was weiß ich. Kennst doch seine Geschäftsgebaren.“

      „Wahrscheinlich wieder so ein typischer Herbert-Fender-Deal.“ Tim machte eine kurze Pause. „Du musst aber mit ihm reden. Wie lange willst du das noch mit dir rumschleppen?“

      „Reden, du bist gut. Du hättest ihn die letzten Tage sehen sollen. Lange hält er das nicht durch.“

      „Das Herz?“

      „Kennst ihn doch. Der hört doch nicht mal auf Mama. Ist doch nur eine Frage der Zeit, bis er aus den Latschen kippt.“

      „Ich weiß schon, warum ich lieber durch die Welt ziehe.“

      Sarah blickte Tim vorwurfsvoll an.

      „Wegrennen ist auch keine Lösung. Ich hätte dich gebraucht. Wo warst du eigentlich? Früher hast du wenigstens mal ne Karte geschickt.“

      „Australien“, antwortete Tim kleinlaut.

      „Und die haben wohl keine Briefkästen?“

      Wieder wischte sich Sarah mit dem Ärmel übers Gesicht.

      „Du kennst mich doch. Wenn ich weg bin, will ich auch weg sein.“

      „Wie lange bleibst du?“

      „Keine