Tonda Knorr

Totenwache


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er das auch, aber nichtsdestotrotz musste Sarah sich eingestehen, dass er durchaus in Lisas und ihr Beuteschema gepasst hätte. Im Moment stand ihr der Sinn aber nach allem anderen, bloß nicht nach einem Mann.

      „Danke.“

      „Danke wofür?“

      „Für die junge, hübsche Frau.“

      Franks verschmitztes Lächeln wurde breiter. Sein Blick ging von Sarahs Gesicht runter zu der Kaffeetasse in ihrer Hand. „Bekomm ich auch einen?“, fragte er.

      Ohne ihren Blick von Franks Gesicht zu lassen, drückte sie ihm ihre Tasse in die Hand, wandte sich ab und ging langsam ins Haus.

      „Wo wollen Sie hin?“

      „Ins Haus, oder bin ich verhaftet?“ Ohne sich umzudrehen, ging Sarah weiter.

      „Ich müsste aber noch ein paar Fragen mit Ihnen klären.“

      „Fragen Sie meinen Vater. Der kann Ihnen vermutlich mehr erzählen.“

      Frank zuckte mit den Schultern.

      „Und wo find ich den?“

      Sarah zeigte mit dem Arm zur Straße.

      „Kommt gerade, und hören Sie auf, mir auf den Arsch zu glotzen.“ Sarah verschwand im Haus.

      Frank blickte abwechselnd zur Straße und zu der offen stehenden Haustür. Er kniff die Augen etwas zusammen und grübelte. Er hatte Sarahs Vater noch nicht bemerkt. Der war gerade angekommen und stieg aus dem Auto.

      „Na Bravo, ein fetter Mercedes“, sprach Frank leise zu sich selbst. Er hatte doch Sarah Fender die ganze Zeit im Blick. Wie konnte sie bei dem ganzen Trubel, den die Sonderkommission verursachte, ohne auch nur einmal in die Richtung der Straße zu schauen, mitbekommen, dass ihr Vater kam? Frank verzog die Mundwinkel und starrte auf das Dunkle in der offen stehenden Tür.

      Er drehte sich zur Straße und beobachtete, wie Sarahs Vater mit einem älteren Mann sprach. Ihre Blicke trafen sich. Herbert Fender zeigte auf Frank. Vermutlich hatte er den alten Mann, gefragt, wer er sei. Die Männer kamen auf ihn zu. Herbert musterte die Männer von der Sonderkommission. Sein Blick ging fragend zum Kommissar. Langsam ging er ihm entgegen. Frank blickte mit zugekniffenen Augen in die Sonne und stöhnte. Langsam zog er seine Jacke aus. Herbert Fender war fast auf Franks Höhe.

      „Gut, meine erste Frage hat sich gerade erledigt. Sie sind vermutlich irgendein Kripobeamter?“

      Frank schaute kurz runter auf sein Pistolenhalfter.

      „Tut mir leid, aber die Hitze… Kommissar Wagner, Kripo Berlin. Sie sind vermutlich Herr Fender?“

      „Wie kommen Sie darauf?“

      „Sie haben denselben kurzsilbigen Humor wie Ihre Tochter.“

      „Ah, auch noch ein feinsinniger Polizist“, erwiderte Herbert Fender.

      Frank drehte sich wieder zur Haustür und setzte ein gespieltes Lächeln auf. „Hab ich’s nicht gesagt?“

      „Sagen Sie mal, was soll der ganze Zirkus? Hier soll gebaut werden, hier soll Geld reingesteckt werden. Ich habe keine Zeit für solchen Kinderkram.“

      Frank, der Herbert Fender mittlerweile den Rücken zudrehte, legte behutsam seine Jacke auf die Akte. Er verharrte kurz und redete mehr mit sich selbst als mit Herbert Fender.

      „Kinderkram?“ Langsam drehte er sich um.

      Herbert verfolgte aufmerksam, wie der Kommissar die Ärmel seines Shirts hochzog.

      „Was? Wollen Sie mir jetzt eine reinhauen?“

      „Sollte ich?“

      „Herr Kommissar, das ist mein Vater, Herbert Fender. Herbert, das ist Kommissar Frank Wagner aus Berlin. Richtig?“ Die Frage untermauerte Sarah, die mittlerweile wieder in der Haustür stand, mit einem Blick zu Frank. Wagner nickte. Sein Schmunzeln verriet, dass er Sarahs Spitzzüngigkeit verstanden hatte. „Er wurde direkt vom Polizeipräsidium beauftragt. Richtig?“

      „Was? Von Kuntz?“

      Frank schaute überrascht zu Herbert Fender: „Sie kennen den Polizeidirektor?“

      „Woher kennt Sie meine Tochter?“

      Frank schaute zu Sarah.

      „Wir kennen uns nicht, aber wir hatten gerade das Vergnügen, uns zu begrüßen.“

      Sarah nahm mit den zwei Kaffeetassen in ihrer Hand auf dem Tisch Platz.

      „Bitte, die Herren.“

      Sie zeigte auf die Tassen, und während sie sich ihre Tasse griff, versuchte sie unauffällig, die Akte unter Franks Jacke hervorzuziehen.

      Frank entging das nicht. Er nahm mit einer Hand seine Tasse und schob mit der anderen die Akte unter seine Jacke. Verschmitzt lächelte er dabei Sarah zu. „Danke.“

      Wieder roch Sarah diesen dezenten Geruch. Scheiße, warum roch der so gut? Sarah stand auf gepflegte Männer. Sie musterte seine Oberarme, die in dem T-Shirt richtig zur Geltung kamen. Als sich ihre Blicke trafen, fühlte sie sich ertappt.

      „Kinderkram“, nahm Frank den Gesprächsfaden wieder auf. „Sie nennen das Kinderkram?“ Frank wandte sich an Sarahs Vater. „Wissen Sie, ich verstehe durchaus, dass Ihnen das ungelegen kommt. Eines können Sie mir glauben. Mir passt das hier genau so wenig wie Ihnen, aber ich bin nun mal hier, und wir müssen das hier über die Bühne kriegen. Was auch immer hier passiert ist, Kuntz will es wissen, und glauben Sie mir, die SOKO wäre nicht hier, wenn es sich um Kinderkram handeln würde.“

      „Das sind doch nur ein paar Knochen.“ Herbert Fender gestikulierte wild mit den Armen.

      „Und ne Knarre und Uniformreste“, ergänzte der Kommissar.

      „Wir sind hier kurz vor Berlin. Hier gibt es überall alte Uniformen, Knarren, Blindgänger und Knochenreste.“

      „Tja, die sollten aber wenn, in einem Museum sein. Und eben deshalb gibt es ja diese Sonderkommission, um all diese Fälle aufzuklären.“

      „Hhrrr.“ Herbert löste seine Krawatte und wusste nicht genau, was er erwidern sollte.

      „Wie gesagt, ich habe genau so wenig Bock auf diesen Scheiß hier wie Sie.“ Frank zögerte kurz. „Sie kommen doch aus der Generation. Würden Sie nicht auch irgendwann Gewissheit haben wollen, wo Ihre Verwandten, die vielleicht seit dem Krieg vermisst sind, geblieben sind?“

      Sarah hätte Wagner solchen Enthusiasmus gar nicht zugetraut und schon gar nicht, dass er das auch noch so besonnen vorträgt. Auch ihr Vater schien irritiert zu sein.

      „Wollen Sie mich jetzt über eine Zeit belehren, in der an Sie noch gar nicht zu denken war?“

      „Nein, ich will nur, dass Sie mal einen Schritt zurückgehen und die Sache im Ganzen betrachten. Auch wenn das Problem hier auf Ihrem Grundstück ist, die Welt dreht sich nicht um Sie allein.“

      Treffer. Herbert Fender stand mit offenem Mund da, und Sarah legte noch einen nach: „Da hat er definitiv recht.“

      Die beiden Männer drehten sich ihr zu. Sie erwiderte abwechselnd die Blicke, während sich ihr Vater wieder an die Brust fasste.

      „Alles in Ordnung?“ Sarah war, obwohl sie dem Kommissar recht geben musste, besorgt.

      „Nichts ist in Ordnung.“

      „Ich habe die Information, dass hier gerade ein Baustopp verhängt wurde, der aber eigentlich nichts mit dem Fund zu tun hat. Seien Sie doch froh, dass wir jetzt hier sind und nicht dann, wenn Sie eigentlich loslegen könnten. Versuchen Sie doch der Sache was Positives abzugewinnen.“

      Fassungslos schaute Herbert Fender den Kommissar an.

      „Das hat nichts mit dem Fund zu tun? Sie haben Ihre Hausaufgaben aber ordentlich gemacht.“

      Frank lachte kurz auf: „Dazu