Kadhira del Torro

Geliebt wird anders


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ist? Hast du etwa noch einen Termin?“

      „Nein. Aber du.“

      „Ich?“

      „Ich sagte doch, dass du mich ein Stück zur Tür begleiten wirst und unterwegs eine alte Liebe triffst.“

      „Tue ich das? Ach so“, meinte er und nickte. „Und du hast diese alte Liebe gleich mitgebracht, damit ich gar nicht erst in die Verlegenheit komme, dich nach Hause zu fahren?“

      „Das ist sowieso ausgeschlossen, weil ich mit meinem eigenen Wagen hier bin. Nein, Kim ist nicht nur eins deiner Produkte, sondern auch meine Sekretärin.“

      „Eins meiner was?“

      „Bevor du mit ihr ins Bett gegangen bist, hatte sie eigentlich ganz vernünftige Ansichten. Aber das hat sich nach einer Begegnung mit dir grundlegend geändert.“

      „Muss ich Angst um mein Leben haben?“

      „Laut Statistik stirbt nicht jeder Mann an einem Herzinfarkt, während er Sex hat. Also dürften deine Chancen ganz gut stehen, die Nacht zu überleben.“

      „Das tröstet mich jetzt zwar, aber verstehe ich das richtig? Du hast mir eine Frau mitgebracht, mit der ich ins Bett gehen soll?“

      Nicole nahm ihre Handtasche und lächelte. „Ja.“

      „Hattest du Angst, dass ich selbst keine finde? Oder ist sie so hässlich, dass du mir mit ihr den Spaß am Sex verderben willst?“

      „Weder noch.“ Sie beugte sich etwas vor. „Du hast schon mal mit ihr geschlafen. Also kann sie doch gar nicht so hässlich sein, oder?“

      Er sah etwas skeptisch aus. „Nein, eigentlich nicht. Und wenn ich viel lieber mit dir schlafen würde?“

      Sie erhob sich. Rico und Jonathan taten es ihr nach. „Dann gibt es drei Möglichkeiten. Du kannst nach Hause fahren und dich mit deiner Fantasie und deinen Händen vergnügen, du kannst Kim mitnehmen und die ganze Nacht Spaß haben, oder du kannst komplett verzichten und mal eine Nacht ausschlafen.“

      „Ich sehe mir Kim mal an“, entschied er sich spontan.

      „Tust du mir einen Gefallen?“

      „Welchen?“

      „Tu einfach so, als erinnerst du dich an sie, okay? Du würdest ihr sonst ihr kleines, zartes Herz brechen.“ Sie drehte sich zu ihm um und tippte mit dem Zeigefinger hart auf seine Brust. „Und wenn du das tust, Casanova, dann werde ich dir die Hölle heiß machen, so dass du dir wünschen wirst, selbst noch Jungfrau zu sein. Klar?“

      „Okay. Aber dafür schuldest du mir was.“

      „Warum? Ich sorge dafür, dass du eine heiße Nacht hast.“

      „Das kann ich auch alleine.“

      Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne und sah ihn kritisch an. „Na schön. Aber übertreib es mit deinen Wünschen nicht. Klar? Und Kim hat Morgen ausgesprochen gute Laune und schwebt mindestens zehn Zentimeter über dem Boden.“

      Er hob die Hände und zeigte ihr grinsend seine Handflächen. „Kein Problem.“

      Nicole hakte sich bei ihrem zukünftigen Geschäftspartner ein und lenkte ihn unauffällig an der Bar entlang Richtung Ausgang. Schon von weitem konnte sie Kim sehen. Sie trug ein nach allen Richtungen freizügiges, ultrakurzes Kleid in leuchtendem rot, die blonden Haare zu einer offenen Mähne toupiert. Ein Vamp, wie er im Buche stand.

      Nicole blieb hinter ihr stehen, tippte ihr auf die Schulter und umarmte sie. „Hallo, Kim. Jonathan, du erinnerst dich an ...“

      „Kim“, unterbrach er sie, nahm Kims Hand in seine und gab ihr galant einen Handkuss. Nicoles Augenbrauen zuckten hoch, als Kim förmlich dahinschmolz. Ihre Augen leuchteten und sie war sprachlos, fiel ja fast vom Barhocker. Jonathan schenkte ihr sein verführerischstes Lächeln, sah ihr tief in die Augen und behielt ihre Hand in seiner, als könnte er sich gar nicht trennen. „Ist es wirklich schon so lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?“, meinte er.

      Nicole verdrehte die Augen. Himmel, soviel Schmalz vertrug doch kein Mensch. Aber wenn sie sich ihre Freundin mal genauer ansah, war es genau das, was sie abheben ließ. Kim schwebte im 7. Himmel und nahm nichts mehr um sich herum wahr außer diesem Mann, der es auf unverschämte Weise einfach hatte. Aber okay, der Abend war gerettet und Kim der glücklichste Mensch der Welt. Was wollte sie mehr? „Ihr entschuldigt mich bitte? Ich fahre nach Hause“, verkündete sie, wartete die Antwort gar nicht erst ab und verließ das Restaurant. Draußen warteten immer noch einige Reporter, hatten ausgeharrt und vielleicht sogar gehofft, dass sie und Jonathan das Restaurant gemeinsam verließen. Fehlanzeige, Freunde. Ihr solltet mich mittlerweile besser kennen. Nein, ein Interview gab es auch nicht, nur ein kleines Lächeln für die Kameras und ein leises Knurren von Rico, als einer der Reporter zu aufdringlich wurde.

      Den restlichen Abend vergnügte sie sich mit den Akten aus dem Büro. Kurz nach Mitternacht drehte sie ihre letzte Runde mit dem Hund, gähnte herzhaft und war ausnahmsweise froh, in ihr Bett krabbeln zu dürfen. Der Alkohol hatte sie müde und träge gemacht und entfaltete Dank der frischen Luft seine volle Wirkung.

      Der Traum war einfach atemberaubend und bar jeglicher Realität, wie es Träumen nun einmal eigen war. Sie hatte zwanzig Termine an einem Tag, brachte jeden erfolgreich nach Hause und noch vor dem Feierabend verkündete Jonathan Dunmore, dass er wieder abreisen würde und ihr das Management überließ. Oh wie schön.

      2. Kapitel

      Aufstehen, Duschen, Joggen. So sahen die ersten zwei Stunden eines jeden Tages in Nicoles Leben aus. Bislang gab es kein Ereignis, das dieses Ritual gestört hätte. Sie lief immer die gleiche Strecke, im gleichen Tempo, traf die gleichen Leute und grüßte freundlich. Sogar die Männer. Normalerweise hatte sie beim Joggen ausgesprochen gute Laune und genoss die brodelnde Ruhe, wie sie nur eine Großstadt hervorbringen konnte, die kühle, frische Luft und die Tatsache, dass sie gute Musik hörte und kein Telefon ihre ausschweifenden Gedanken störte. Diese Stunde gehörte allein ihr. Sie teilte sie mit niemandem, gab sie nicht auf, auch wenn es ihr manchmal schwer fiel aus dem Bett zu steigen, morgens um halb sechs.

      Nicole sog die Luft tief in ihre Lungen, lief langsam, immer wieder unterbrochen durch Dehnübungen, mit denen sie bereits im Badezimmer angefangen hatte, um die Muskeln aufzuwärmen. Im Park hatte sie ihre Betriebstemperatur erreicht und steigerte das Tempo. An der Straßenecke stand, wie immer, ein Streifenwagen. Der Officer lehnte an der Motorhaube, hob grüßend die Hand und trank seinen Kaffee. Er ignorierte die Tatsache, dass Rico frei herumlief, was in New York ja schon grundsätzlich verboten war. Aber wen interessierte das?

      Obwohl Nicole entspannt war und die Kopfhörer sie vom Rest der Welt abschnitten, ihr Blick stur auf den Boden gerichtet war und sich nur selten anhob, registrierte sie jede Veränderung. Und heute Morgen war etwas anders. Irgendetwas störte Nicole. Sie lief langsamer, schob den Kopfhörer von den Ohren und stemmte die Hände in die Hüften. Sie suchte die Umgebung sorgfältig ab, sah einen Jogger, der gut ein paar hundert Meter entfernt war und sich durch seine dunkle Kleidung kaum vom Hintergrund der Bäume abhob. Nur seine Bewegungen ließen ihn sichtbar werden. Rico stand mitten auf der Wiese, schnupperte nicht wie sonst, sondern sah in die Richtung, in die Nicole laufen wollte. Er stand stocksteif, die Ohren aufgestellt, den kleinen Stummel hoch erhoben und das Maul geschlossen. Er lauschte, produzierte so keine Atemgeräusche, die interessante Geräusche überdecken könnten. Und dann knurrte er. Tief aus seiner Brust schien das Grollen zu kommen und war für Nicole selbst auf diese Entfernung zu hören. Er ging einen Schritt vor, noch einen, das Grollen wurde lauter und klang jetzt richtig bedrohlich. Nicoles Blick wanderte in die Richtung, in die Rico sah und tastete die dichten Büsche, Bänke und Wiesen ab, konnte aber nichts entdecken. Aber irgendetwas musste da sein, sonst würde Rico sich nicht so benehmen. Sie ging vor, ganz langsam, stellte den CD-Player an ihrer Hüfte aus und lauschte jetzt ebenfalls. Hier fehlte eindeutig was. Wieder sah