Hermann Büsken

Die Tore der Atlanter Buch 3 von 4


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Die Tochter konnte sich losreißen und rannte zu ihrer Mutter zurück. Jetzt wurde es Zeit einzugreifen. Einfach mit beiden Frauen verschwinden, wollte Kristian nicht. Er nahm die Gestalt eines alten Mannes mit langen weißen Haaren an. In der Hand hielt er einen Wanderstab. So schlurfte er auf das Podest zu.

      »Hat die Gier eure Augen vernebelt«, rief Kristian, »seht ihr nicht, dass der Teufel in ihr steckt. Ihr würdet den ersten Beischlaf nicht überleben.« Der Händler wurde wütend. »Alter Mann verschwinde.« Der Frau schickte Kristian die Botschaft rüber, »erschrecke nicht, ich werde euch in Sicherheit bringen.« Als sie keine Reaktion zeigte, rief er, »seht ihr nicht das Feuer in ihr, es würde euch verbrennen.« Kristian ließ sie und das Kind fünfzig Zentimeter höher schweben. Die beiden Frauen waren genauso erschrocken wie die Menschenmenge. Einige Zuschauer rannten panikartig fort. Selbst der Händler mit seiner großen Klappe hatte Angst. Kristian stieg auf das Podest. Mit nach vorne gestreckten Armen machte er beschwörende Bewegungen.

      »Weiche von uns, verschone uns, kehre in dein Reich zurück.« Er berührte sie und schrie, »oh, ich sehe sie in ihrem feurigen Heim, hört ihr nicht die Schreie der Verdammten? Sie versucht, mich in ihr Reich zu ziehen, rettet euch.« Jetzt gab es kein Halten mehr, die Menge stob schreiend auseinander.

      Dann wurden sie unsichtbar, er sprang mit ihnen zum Rand des Dorfes, wo hoffentlich Decimus wartete. Dieser musterte sie. »Ich habe so etwas Ähnliches schon fast erwartet. Du musst mir erzählen, was du dort angestellt hast. Hast du für die Frau bezahlt?« Kristian grinste ihn an.

      »Sie waren froh, dass sie sie los waren. Ich musste eingreifen, man wollte Mutter und Tochter getrennt verkaufen.«

      Mutter und Tochter hatten noch keinen Ton gesagt. »Entschuldige das Theater, das ich gemacht habe«, sagte Kristian zu ihr.

      »Du bist frei und kannst hingehen, wohin du willst.« Als sie nichts sagte, schlug er vor, »es ist wohl besser, du reitest mit uns zu Freunden, dann sehen wir weiter, einverstanden?« Beide nickten. »Ich heiße Kristian, der dort ist Decimus.«

      »Mein Name ist Riga, meine Tochter heißt Elana.« Ihre Stimme klang gebildet. »Wir danken dir, obwohl wir nicht wissen, was eben passiert ist.« Decimus lachte.

      »Daran Frau, wirst du dich gewöhnen müssen.«

      »Wir sollten machen, dass wir von hier wegkommen. Wenn uns hier jemand sieht, werden sie uns folgen. Ihr könnt hoffentlich reiten?« Sie stiegen auf die Pferde. Gegen Abend erreichten sie das Kastell. Davor hatte sich ein Dorf gebildet. Es gab auch einen Markt. »Decimus suchst du für uns ein Nachtlager?«

      »Ich war schon einmal hier, folge mir.« Hinter dem Dorf gab es eine Koppel und ein Gasthaus. Sie besichtigten zwei Schlafräume, gingen dann in den Gastraum und bestellten Essen. Jetzt zeigte sich, wie hungrig beide Frauen waren.

      »Riga, wir wollen gleich ins Kastell, du brauchst doch bestimmt ein paar persönliche Sachen? Hier hast du ein paar Denare.« Zögernd hielt sie ihre Hand auf.

      »Warum tust du das?« fragte sie.

      »Du hast sicher festgestellt, dass ich kein Römer bin. Ich weis, dass die meisten Römer kein Mitleid mit ihren Sklaven haben.« Decimus grinste.

      »Ich kann dich nicht in deine Heimat zurückbringen, aber ich kann dir helfen, dass du dich in deine neue Heimat zurechtfindest.«

      »Können wir endlich«, drängte Decimus. »Vorher müssen wir unser Gepäck in die Zimmer bringen«, schlug Kristian vor. Decimus willst du nicht zwei Pferde verkaufen?«

      »Du hast recht, sie behindern uns nur.« Sie fanden auch schnell einen Händler, der ihnen zwei Pferde für je zweihundertfünfzig Denare abkaufte.

      »Hier nimm deine Hälfte«, sagte Decimus. »Wenn es dir recht ist, behalte ich dafür die zwei anderen Pferde?«

      Decimus nickte. Die Frauen zurücklassend, gingen sie ins Kastell. Es war ähnlich gegliedert, wie das von Rufus. Legionäre wurden gedrillt. Wehrend Kristian zuschaute, ging Decimus zwei Holzschwerter holen. Sie hatten das gleiche Gewicht wie ein Echtes. Sie gingen zu einer freien Rasenfläche und tauschten die echten Schwerter gegen die Holzschwerter aus. Decimus war ein guter Lehrer. Mehrmals schlug er Kristian das Schwert aus der Hand, was nicht ohne Schmerzen und blaue Flecken abging. Kristian lernte schnell und stellte ihm ein Bein, sodass er stürzte. Kristians Schwertspitze zeigte auf seinen Hals. »Legionär, bitte um Gnade, deine Todesstunde ist nahe.«

      Lachend rappelte Decimus sich auf. »Das reicht, ich bringe die Schwerter zurück. Mit etwas Glück kannst du gegen einen Wegelagerer bestehen.«

      »Glück? Du lagst vor mir im Staub.«

      »Ich hatte mich auf deine Tricks noch nicht eingestellt.«

      »Faule Ausrede.«

      »Was hast du mit den Frauen vor«? fragte er, als er zurück war. »Meinst du nicht, ich könnte sie bei Octavius als Freie unterbringen?«

      »Vielleicht.« Sie kamen wieder am Markt an. Kristian kaufte zwei Halsketten aus Bernsteinperlen und musste sich zurückhalten, sonst hätte er den Markt leergekauft. Sie gingen zurück, Kristian wollte den Frauen die Ketten geben. Er klopfte an ihre Tür und trat ein. »Oh, entschuldige.« Riga stand mit nacktem Oberkörper, mit dem Rücken zu ihm, vor ihre Waschschüssel. »Tut mir leid, ich komme nachher wieder.«

      »Kristian, warum entschuldigst du dich?« Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Brüste waren klein und fest, so wie er sie vom Verkaufspodest in Erinnerung hatte.

      »Ich bin gekommen, weil ich euch etwas mitgebracht habe.« Er legte die Ketten in Rigas Hand und vermied es, auf ihre Brüste zu schauen. Schnell verließ er die Beiden.

      »Wir sind im Gastraum«, sagte er durch die geschlossene Tür. Der Gastraum füllte sich, sie hielten zwei Plätze frei. Die neuen Gäste murrten zwar, mit einem Legionär wollten sie sich aber nicht anlegen. Die Frauen traten schließlich in neuen Gewändern, seine Ketten um ihren Hals, in den Raum. Die Gäste verstummten und sahen zu, wie sich die Frauen zu Kristian setzten. Dieser konnte die Gäste verstehen, beide Frauen waren ein richtiger Hingucker.

      »Ihr seht wirklich gut aus«, sagte er. Decimus nickte zur Bestätigung.

      »Wir möchten uns bedanken für das, was du für uns getan hast«, sagte Riga. »Das habe ich gerne getan, sieh nur die Leute, wie sie uns um eure Gesellschaft beneiden.« Sie bestellten ihr Essen. Kristian hatte noch kein Wort mit Elana gesprochen.

      »Elana, hast du noch einen Wunsch?« Stumm blickte diese ihre Mutter an.

      »Unser Geld hat nicht für ein Paar Schuhe gereicht.« Kristian schaute unter den Tisch. Einige Riemchen ihrer Sandalen waren gerissen.

      »Nach dem Essen gehen wir über den Markt und kaufen dir welche.« Dankbar schaute sie ihn an. Sie ließen sich das Essen schmecken. Der Wirt bestand auf eine sofortige Begleichung der Rechnung, was sie verstehen konnten. Elana war ganz aufgeregt, anscheinend hatte sie ihre Schuhe schon irgendwo gesehen, denn sie eilte zielstrebig voraus. »Elana, nicht so schnell«, rief Riga hinter ihr her. Plötzlich sahen sie Elana nicht mehr. Ihre lauten Hilferufe wiesen ihnen den Weg. Die Marktbesucher machten ihnen Platz, als sie angerannt kamen. Kristian sah, wie zwei Männer versuchten, Elana in eine Seitengasse zu ziehen. »Halt«, rief er, was einen der Männer veranlasste, stehenzubleiben, während der Andere weiter an Elana zerrte. Der Mann, der stehen geblieben war, zog sein Schwert, Kristian ebenfalls. Decimus hatte sich im Hintergrund gehalten und hielt Riga fest.

      Kristian zeigte, was er gelernt hatte und konnte nur hoffen, dass der Mann nicht über mehr Erfahrung verfügte. Er versuchte den gleichen Trick, den er bei Decimus angewendet hatte. Plötzlich lag der Entführer vor ihm im Staub. Angstvoll waren seine Augen auf Kristian und sein Schwert gerichtet.

      »Sage deinem Freund, er soll das Mädchen loslassen.«

      Er schrie es hinaus. Der Mann ließ Elana los. Währenddessen hatte sich Decimus hinter den Rücken des Mannes geschlichen, drückte sein Schwert in dessen Rücken und schob ihn damit zu Kristian. Riga hielt glücklich ihre Tochter in den Arm. »Was sollen wir mit ihnen