Heike Möller

Wenn Vampire Tango tanzen


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auf `Play´ und ein gleichmäßiger Rhythmus auf Pauken geschlagen erklang. Keine Melodie, nichts, was irgendwie an Musik erinnerte.

      Nur ein Rhythmus.

      Leichtfüßig kam Tobias auf Hanna zu, stellte sich hinter sie. „Okay. Beginnen wir mit ein paar kleinen Regeln.“

      „Regeln gibt es auch?“ Hanna blickte mit weit aufgerissenen Augen über ihre Schulter nach hinten. Ihr Mund war plötzlich staubtrocken und sie wünschte sich, etwas Wasser trinken zu können. Dummerweise hatte sie die Flasche zusammen mit dem Handtuch und den Taschentüchern gleich neben der Tür abgelegt.

      Tobias verkniff sich ein Schmunzeln und sah Hanna todernst an. Er konnte die Panik der Frau fühlen, ihre Angst riechen.

      Ihren Duft.

      Rasch verschloss er sich vor diesen Eindrücken und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.

      „Regel Nummer eins: Bedingungsloses Vertrauen mir gegenüber. Ich weiß, was ich tue und wie ich es dir vermitteln kann. Also brauchst du mich nicht in Frage stellen, klar?“

      „Klingt ein wenig despotisch, findest du nicht?“ Hanna spürte einen Unmut, der sich auf den Weg vom Magen nach oben machte.

      „Regel Nummer zwei: Blöde Bemerkungen und Respektlosigkeit sind ab sofort einzustellen, solange du dich im Tanzunterricht befindest. Hinterher kannst du mir gerne Gemeinheiten an den Kopf werfen, aber hier drin habe ich das sagen. Klar soweit?“

      Hanna schnappte ein paar Mal, als ob sie etwas sagen wollte, aber der Blick aus den grün­braunen Augen bohrte sich regelrecht in ihre.

      „Okay“, sagte sie leise. „Alles klar.“

      „Regel Nummer drei: wenn du Schmerzen hast, ich meine richtige Schmerzen, sage mir sofort Bescheid. Ich will dich nicht unnötig quälen.“

      „Danke. Denk´ ich.“

      „Regel Nummer vier: Das Denken übernehme ich.“

      Hanna würgte sich eine bissige Bemerkung hinunter, nickte nur stumm. >Das bekommst du wieder!<

      „Gut. Stelle dich einfach hier hin. Ganz locker, lass die Arme schwer fallen, die Schultern. Nur stehen.“

      Hanna pustete kurz, stellte sich mit leicht auseinander stehenden Beinen hin und versuchte zu entspannen. Aber sie merkte, wie die Verkrampfung nicht aus ihren Schultern wollte. Sie schüttelte ihre Arme, bewegte die Schultern, atmete erneut durch.

      Tobias entging Hannas innerer Kampf nicht. Er legte seine Hände von hinten auf ihre Schultern. „Schließe die Augen. Vertrau mir.“

      Seine Stimme strich sanft an ihrem Ohr, die warmen Hände auf ihren Schultern fühlten sich wider Erwarten gut und vertraut an. Obwohl ihr Verstand sagte, sie solle die Augen gefälligst offen lassen, hörte sie auf eine innere Stimme, die ihr neu war.

      Hanna schloss die Augen.

      Und entspannte sich kurze Zeit später.

      „Sehr gut, Hanna. Und jetzt: atme. Ganz ruhig und gleichmäßig. Ein … und aus. Ein … und aus.“

      Tobias ließ seine linke Hand auf Hannas linker Schulter liegen. Die rechte strich langsam an ihren Arm hinab. Ihre Haut war kühl und leicht feucht. Die Schwüle des späten Frühlings ging auch an ihr nicht spurlos vorbei.

      „Immer weiter atmen. Höre deinem eigenen Atem zu. Ein … und aus. Ein … und aus.“

      Hanna hatte das Gefühl, dass Tobias´ Stimme in ihrem Kopf war und nicht an ihrem Ohr. Aber es fühlte sich gut an. Sie spürte, wie sie immer mehr entspannte, dabei sowohl ihrer Atmung als auch Tobis leiser, weicher Stimme zuhörte.

      „Ich werde jetzt meine Hand auf deinen Bauch legen. Du konzentrierst deine Atmung auf meine Hand. Ich will deine Atmung in meiner Hand fühlen.“

      Seine Hand glitt zwischen ihrem rechten Arm und der Taille nach vorn, ganz langsam. Seine Hand legte sich warm und leicht auf ihren Bauch oberhalb des Nabels.

      „Ein … und aus. Ein … und aus.“

      Hanna spürte die Hand, spürte, wie ihr Bauch sich seinem Rhythmus folgend in seine Hand dehnte und wieder entspannte.

      „Und jetzt lasse deine Atmung den Rhythmus folgen, den du von der Musik hörst.“

      Die Stimme wehte leise und warm in ihr Ohr. Hanna hörte plötzlich eine Musik im Hintergrund. Leise, mit dem gleichmäßigen, fast trägen Rhythmus der Pauken. Sie folgte dem Rhythmus mit ihrer Atmung, atmete in ihren Bauch, in Tobias´ Hand.

      „Gut so. Immer weiter.“

      Die linke Hand strich ebenfalls langsam an Hannas Arm hinab, schob sich an der Taille entlang auf ihren Bauch. Er brachte seine Lippen jetzt dicht an ihr Ohr. „Spürst du den Rhythmus als Erschütterung im Fußboden?“

      Hanna lenkte ihre Konzentration von ihrem Bauch auf ihre Beine, auf die Füße. Ein leichtes Vibrieren kitzelte in regelmäßigen Abständen die Fußsohlen.

      „Ja“, flüsterte sie.

      „Gut. Lass diesen Rhythmus in dir stärker werden. Fühlen, nicht denken. Fühlen, nicht hören. Ein … und aus. Ein … und aus.“

      Hanna hatte nach einigen Minuten das Gefühl, dass ihre Füße und Beine in einem schwachen Strombad stehen würden. Es kribbelte aufwärts, über die Knie hinweg.

      Es war ein schönes Gefühl, befreiend und befriedigend zugleich. Sie gab sich nun völlig dem Rhythmus hin, spürte nur noch das Beben in den Füßen und die Hände auf ihren Bauch.

      Tobias lächelte leicht. Er hätte nicht gedacht, dass Hanna sich ihm so schnell öffnen würde. Er hatte wesentlich mehr Widerstand erwartet. Aber offensichtlich wollte Hanna für Helena die Sache mit dem Tanzen wirklich durchziehen.

      Er atmete kurz durch die Nase ein und wäre fast aus dem Takt gekommen. Der Duft, der von Hannas Haut ausging, war ungewöhnlich und intensiv. Eine Mischung aus wilder Pflaume und Zimt, mit einem Hauch Vanille.

      >Oh Mann, jetzt fantasiere ich auch noch!<

      So schnell, wie seine Unsicherheit aufkam, so schnell schüttelte er sie wieder ab. Er fing an, Hanna in seinen Armen im Rhythmus der Musik hin und her zu wiegen.

      „Deine Füße sind so leicht wie Luft, Hanna. Sie fühlen den Rhythmus, aber sie schweben dicht über dem Boden. „Ein … und aus. Ein … und aus.“

      Tobias merkte, dass seine Stimme heiser war. Aber er wagte es nicht, sich zu räuspern. Er wollte Hanna nicht aus diesem Zustand reißen.

      „Lege deine Hände auf meine. Lass dich einfach fallen.“

      Hanna kam der Aufforderung umgehend nach. Tobias zuckte kurz zusammen, als ihre kühlen Hände seine Haut berührte. Seine Schaukelbewegungen wurden großzügiger.

      Der Rhythmus der Musik änderte sich etwas. Der Takt wurde etwas schneller und Tobias änderte die Schaukelbewegung dem neuen Takt entsprechend.

      „Du bist wie eine Schaumkrone auf der Welle, tanzt über dem Wasser, gleitest dahin. Aber du hast noch Spannung in dir, bestimmst das Tempo selbst.“

      Hanna hatte das Gefühl, in einen Schwebezustand zu geraten. Ihr Unterbewusstsein bekam mit, dass die Pauken immer leiser wurden und sich der Musik, die erklang, immer weiter unterordneten.

      „Eins und zwei. Eins und zwei. Eins und zwei.“ Tobias Stimme wehte in ihr Ohr und unwillkürlich begann sie, den Rhythmus nachzusprechen, war nach wenigen Takten synchron mit ihm.

      Tobias drückte Hanna sanft bei den Schaukelbewegungen in eine Aktion. Sie begannen, kleine, rhythmische Seitenschritte zu machen.

      Die Musik wurde etwas schneller, war aber immer noch leicht nachvollziehbar. Hanna glaubte, einen Walzer herauszuhören.

      Tobias ergriff mit seiner rechten Hand Hannas linke Hand, drehte sie langsam während der wiegenden Schritte in seinen