Heike Möller

Wenn Vampire Tango tanzen


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Herzrasen bei der Vorstellung, aber sie beherrschte sich. „Ich … muss nur wegen Lyssa ….“

      „Lyssa kann am Dienstag bei mir übernachten!“, meldete sich Monika. Sie grinste ihre Enkelin breit an. „Wir verstehen uns schließlich prächtig. Und Mittwoch früh bringe ich sie zur Schule. Kein Problem.“

      Tobias sah Hanna erwartungsvoll an.

      „Also, wenn das so ist.“ Hanna blickte etwas unsicher zu Boden, schluckte.

      „Ach, Mama! Ich bin gerne bei Oma. Das ist okay, wirklich.“

      Lyssa sah ihre Mutter mit großen blauen Augen an und lächelte entwaffnend.

      Hanna seufzte und ließ die Schultern sinken. „Also gut!“

      Tobias verkniff sich ein triumphierendes Grinsen und kramte eine Visitenkarte von sich hervor. „Hier steht die Adresse meiner Tanzschule. Sagen wir … so gegen acht?“

      Zögernd nahm Hanna die Karte entgegen. „Werden da noch andere Kurse stattfinden? Ich meine, wird es Zuschauer geben?“ Sie konnte nicht verhindern, dass sie sehr ängstlich klang.

      Tobias legte den Kopf etwas schief. „Wir beide werden unter uns sein. Die beiden anderen Kurse werden in Saal 1 und 2 abgehalten. Wir haben den kleinen Saal 3. Der dient meistens nur als Aufwärmraum. Ich werde dafür sorgen, dass uns niemand stört. Versprochen.“

      Seine Rücksichtnahme verblüffte Hanna. „Danke“, sagte sie leise.

      „Bring deinen Terminkalender mit. Wir müssen abstimmen, wann wir trainieren. Ohne dir zu Nahe treten zu wollen, aber mit einer Übungsstunde ist es nicht getan.“

      Hanna nickte. Sie wusste, dass er Recht hatte und nahm es ihm nicht krumm. Außerdem hatte er es völlig neutral und ohne jede Wertung gesagt.

      „Wann machst du Freitag Feierabend?“, fragte Helena plötzlich.

      Hanna überlegte schnell. „So gegen 16.00 Uhr. Warum?“

      „Dann können wir vielleicht ein paar Brautgeschäfte unsicher machen. Ich hole dich von der Arbeit ab und wir steuern die Geschäfte direkt an. Ich gucke vorher im Internet nach, wo es sich lohnt und wo nicht, dann grenzen wir die Geschäfte ein.“

      „Ich kann Lyssa vom Hort abholen und dann zu mir nehmen“, bot Monika an.

      „Dann kann ich dir im Laden helfen, Oma!“ Das Kind war wirklich schnell zu begeistern. Sie liebte den Blumenladen ihrer Oma, die Farbenvielfalt, die Düfte.

      Hanna warf die Arme in die Luft. „Also gut. Und ich werde morgen gleich versuchen, meinen Urlaub in den Sommerferien ein wenig umzuschubsen, damit es wegen der Hochzeit passt.“

      Helena umarmte ihre Freundin erneut und lachte glücklich.

      Kapitel 4: Der erste Schritt

      Hanna stocherte lustlos in ihrem Salat herum. Das Brot, das zu dem Salat gereicht worden war, bildete schon längst einen ansehnlichen Haufen Krümel und die Spatzen, die in den umliegenden Hecken hockten, sahen begehrlich auf diesen Haufen. Sie warteten nur ab, bis Hanna aufstehen würde. Aber sie war zu sehr in ihren Gedanken vertieft, als das sie die Vögel bemerken würde. Die Tiere hätten neben ihr auf dem Tisch sitzen und ihr aus der Hand fressen können, sie hätte es nicht bemerkt.

      „Meine Güte, Frau Martens!“ Gudrun Niemark, eine ältere Kollegin von Hanna, mit der sie gelegentlich ihre Mittagspause verbrachte, schüttelte den Kopf. „Sie waren gestern schon ein wenig neben sich, aber heute? Was ist denn nur los?“

      Hanna merkte, dass sie hektische rote Flecken an den Schläfen hatte. „Ich bin nervös“, gestand sie der älteren Frau.

      „Warum das denn?“

      Hanna ließ die Gabel auf den Tisch sinken und griff nach ihrem Glas. Dabei bemerkte sie, dass das Brot in ihrer Hand verschwunden war und stattdessen einen Maulwurfshügel aus Krümeln auf dem Tisch bildete. Sie ließ das Glas los, schob die Krümel auf ihre Hand und warf sie in die Hecke. Ein vielfaches Piepen und Flattern erklang und Hanna schüttelte sich. Sie mochte Vögel nicht besonders. Sie ergriff ihr Glas und trank einen großen Schluck Wasser.

      „Ich bin Trauzeugin bei meiner besten Freundin.“

      „Das ist doch großartig, Kindchen!“ Gudrun beugte sich etwas über den Tisch. „Da haben Sie aber demnächst alle Hände voll zu tun, nicht wahr? Ihre Freundin hat Sie doch bestimmt in die eine oder andere Aufgabe eingespannt.“

      „Helena hat tatsächlich eine ziemliche Liste an Aufgaben. Aber das ist schon in Ordnung. Sie leitet nach dem Tod ihres Onkels die Firma ganz allein. Und sie war monatelang krank gewesen. Außerdem ist sie wirklich meine allerbeste Freundin und Lyssas Patentante. Da helfe ich gern.“ Hanna pickte ein Salatblatt auf die Gabel und steckte es sich in den Mund. Langsam kaute sie es, hatte aber sichtlich keinen Appetit.

      „Das ist es also nicht, was Sie so beunruhigt“, stellte Gudrun fest. Ihre ruhigen grauen Augen fixierten Hannas Gesicht und sie lächelte milde. Die graumelierten Haare waren akkurat frisiert und das Gesicht ungeschminkt.

      Hanna druckste ein wenig herum. Sie schätzte ihre Kollegin, mochte sie sogar. Gudrun hatte zwanzig Jahre Berufserfahrung und in vielen Dingen des Lebens einfach die Ruhe weg. Mitunter, wenn Hanna nicht weiter wusste suchte sie Rat bei der Kollegin. Bei ihr fand sie immer ein offenes Ohr.

      „Kennen Sie die Tradition, dass man mit den Trauzeugen den Tanz eröffnet?“

      Gudrun lächelte versonnen. „Ja, die Variante gibt es. Das Brautpaar beginnt und die Trauzeugen fallen einige Minuten später mit ein. Dann wird der Partner getauscht. Und wenn die Braut ein Zeichen gibt, können alle Anwesenden ebenfalls tanzen.“

      Hanna stopfte sich lustlos eine Gurkenscheibe in den Mund. Sie hatte gehofft, dass die erfahrene Frau das als Unfug abtun würde, aber die Hoffnung zerstob und flog in Bruchstücke davon. „Oh Mann“, murmelte Hanna.

      „Warum fragen Sie?“

      „Ich soll tanzen. Das Brautpaar wünscht sich einen Tango.“ Hanna nuschelte nur noch, aber Gudrun hatte es verstanden.

      „Tango? Das ist allerdings ungewöhnlich. Können Sie denn Tango tanzen?“

      Mit einem verzweifelten Blick sah Hanna in graue Augen. „Ich kann nicht mal irgendeinen Tanz. Selbst beim Ententanz komme ich aus dem Takt!“

      Gudrun sah Hanna verblüfft an. „Oh je. Weiß das Ihre Freundin?“

      „Natürlich. Sie hat meine kläglichen Versuche im Tanzunterricht hautnah miterlebt. Während sie so grazil wie eine Elfe dahin schwebt und jeden Standardtanz im Schlaf beherrscht, falle ich nach dem vierten Schritt spätestens aus dem Takt und trete um mich. Hoffnungslos!“

      „Wann ist die Hochzeit?“

      „In etwa neun Wochen. Der Trauzeuge des Bräutigams hat eine Tanzschule und hat sich bereit erklärt, mich für den Tag fit zu machen, wenn man so will. Er tut mir jetzt schon Leid.“

      Gudrun wischte sich den Mund an der Serviette ab und legte sie auf den leeren Teller. „Da liegt der Fehler, Hanna.“

      Hanna blickte erstaunt hoch. Gudrun nannte sie selten beim Vornamen. „Fehler?“

      Die Frau nickte. „Sie verkrampfen schon von vornherein. Sie erwarten regelrecht, dass Sie scheitern. Lassen Sie los, denken Sie einfach nicht daran.“

      Hanna wusste, dass Gudrun Niemark Recht hatte, aber das nutzte im Moment nichts. Sie hatte eine panische Angst.

      „Wann ist denn die erste Tanzstunde?“

      Hanna schluckte krampfhaft. „Heute Abend“, nuschelte sie.

      „Großartig. Dann möchte ich morgen von Ihnen hören, dass Sie es genossen haben und das es Spaß macht.“

      Hanna verzog das Gesicht zu einem gepeinigten Lächeln. „Oder