Heike Möller

Wenn Vampire Tango tanzen


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Sie kennen zu lernen, Frau Martens“, sagte er und lächelte Hannas Mutter freundlich an. Dabei wirkte er schon deutlich entspannter als zuvor.

      „Und ich bin Alyssandra. Meine Mama sagt aber immer Lyssa oder Lys zu mir. Außer wenn ich etwas angestellt habe.“ Lyssa stand auf, streckte ihre Hand dem fremden Mann entgegen und grinste ihn keck an. Ihr hellblonder Pferdeschwanz wippte leicht.

      Als ob ein Schalter umgelegt worden war löste sich Tobias´ verkrampfte Haltung. „Hallo, Lyssa. Ich bin Tobi.“

      „Du bist nett. Du kannst neben mir sitzen!“

      Hannas Kinnlade klappte hinunter. Normalerweise erteilte Lyssa nicht so schnell den Ritterschlag der Freundschaft. Da mussten wenigstens mehrere Stunden, wenn nicht sogar Tage vergehen, bis Lyssa sich zu einer positiven Äußerung hinreißen ließ.

      „Dieser charmanten Einladung kann ich wohl kaum widerstehen, nicht wahr?“ Tobias grinste breit und zeigte seine ebenmäßigen, perlweißen Zähne.

      >Haben die alle den gleichen Zahnarzt?<, fragte sich Hanna erstaunt und bekam mit, dass Helena Jannik liebevoll ihren Ellenbogen in die Rippen stieß. Der lächelte verhalten und schob seiner Freundin den Stuhl ran.

      Kapitel 2: Versöhnung ausgeschlossen?

      Helena hatte Lyssa ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk überreicht. Es war eine Umhängetasche von Hello Kitty mit dazugehörigem Portemonnaie und Schlüsselband sowie eine kleine silberne Kette mit einem silbernen Anhänger, in dessen Mitte ein blauer Stein eingefasst war.

      „Versprich´ mir, dass du die Kette nicht in der Schule trägst. Jedenfalls nicht, wenn du an dem Tag Sport hast.“ Helena band das Schmuckstück gleich um Lyssas Hals.

      Hanna sah ihre Freundin fragend an. „Das ist doch nicht etwa echter Schmuck, oder?“

      Helena grinste. „Ein Saphir. Passt zu Lyssas Augen.“

      Betreten blickte Hanna auf ihren Teller, sagte nichts mehr.

      „Danke, Tante Lena. Das ist wunder-wunderschön! Ich werde ganz doll darauf aufpassen, versprochen!“ Lyssas Augen glänzten. Die Umhängetasche hatte sie der Einfachheit halber gleich quer um ihre Schulter gehängt.

      „Süße, nimm´ bitte die Tasche ab und lege sie neben deinen Stuhl. Nach dem Essen kannst du sie gern wieder umhängen.“ Hanna sprach sanft und leise zu ihrer Tochter. Diese zog kurz einen Flunsch, nahm dann aber brav die Tasche ab und hängte sie an die Stuhllehne. Hanna half ihrer Tochter und begegnete dabei den Blick von Tobias, der auf der anderen Seite neben Lyssa saß und Mutter und Tochter beobachtete.

      „Du hast mir in der Disco gar nicht erzählt, dass du eine Tochter hast“, sagte Tobias ruhig. Seine Stimme war nicht besonders tief, aber männlich und warm.

      Hanna fielen ungefähr drei mögliche Antworten ein und zwei waren definitiv nicht für Lyssas Ohren bestimmt. „Nun, du hattest mich nicht gefragt. Und bevor ich dir noch irgendetwas von mir erzählen konnte, lagst du schon auf dem Fußboden.“ Sie wollte sich am liebsten auf die Zunge beißen. Nun war es doch rausgerutscht, was sie unbedingt vermeiden wollte.

      Tobias wurde blass und starrte in Hannas braune Augen.

      >Oh je! Sie hat mir immer noch nicht verziehen!<, dachte er und sendete seine Gedanken an Helena und Jan.

      >Nein. Sie ist nachtragend!<, antwortete Jan und beeilte sich, einen Schluck aus seiner Kaffeetasse zu nehmen, damit er nicht lauthals loslachte.

      >Quatsch!< Helena funkelte Jan kurz an. >Sie hat lediglich ein verdammt gutes Gedächtnis für solche Nichtigkeiten!<

      >Sie ist nachtragend!<, bestätigte Jannik unbekümmert.

      Tobias seufzte schwer, dann stand er auf, ging auf Hanna zu und kniete sich vor ihr auf den Boden. Hanna riss die Augen auf und war bemüht, ihre Kinnlade unter Kontrolle zu halten. >Was kommt denn jetzt?< Sie spürte, wie eine Panikwelle in ihr hochstieg.

      „Hanna, es tut mir aufrichtig Leid, wie ich mich benommen habe.“

      Tobias kniete auf einem Knie, das andere Bein war angewinkelt und stand auf dem Fuß, wie ein Ritter, der vor seinem König kniete. Seine Arme hingen links und rechts herab, die Handflächen straff geöffnet. Fest sah er in Hannas braune Augen, die ihn misstrauisch ansahen.

      „Du hast mir nur geholfen und ich habe mich wie ein Schuft benommen. Es gibt keine adäquate Entschuldigung, ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst.“

      „Ähm ….“ Hanna war irgendwie überfordert.

      „Mama, was hat Tobi denn gemacht, weil er sich bei dir entschuldigt?“ Lyssas unschuldige Kinderstimme riss Hanna aus ihrer Lethargie. Doch bevor sie antworten konnte, drehte sich Tobias zu Hannas Tochter um.

      „Ich habe deiner Mutter Unrecht getan. Als wir uns kennen lernten, ging es mir nicht gut und ich bin umgefallen. Deine Mutter hat mit geholfen, wollte sogar, dass ein Arzt kommt. Aber ich wollte keinen Arzt, reagierte unhöflich und undankbar. Ich war sehr gemein zu deiner Mutter. Und das tut mir wirklich sehr, sehr Leid!“

      Verlegen rückte Hanna ihre Brille zurecht. Sie war stark kurzsichtig und normalerweise saß die Brille immer perfekt. Aber sie hatte das Gefühl, das die Brille ausgerechnet jetzt schief saß. „Ist schon gut. Ich meine, vergessen und vergeben. Ich bin nicht nachtragend!“ Sie merkte, dass ihr Gesicht tiefrot sein musste. Es glühte nämlich.

      >Von wegen!<, dachte Jan und steckte sich ein Stück Käsekuchen in den Mund. Für seinen offenen Gedanken an Helena und Tobias bekam er einen ziemlich unsanften Rippenstüber von seiner Freundin. Jan gab keinen Laut von sich und zuckte auch nicht zusammen, dafür sendete er einen Gedanken, der nur für Helena bestimmt war.

      >Mein Schatz, dafür werde ich dich nachher bestrafen!<

      Helenas Augen gingen auf Halbmast. >Mit Handschellen?<

      Tobias konnte die Gedanken seiner beiden Freunde nicht empfangen, spürte aber eine plötzliche erotische Anspannung und musste grinsen. >Hört auf! Ich werde sonst rot!<

      „Der Beginn einer Freundschaft?“, fragte er gleichzeitig Hanna und lächelte sie sanft an.

      „Vielleicht“, antwortet sie schnippisch und widmete sich wieder ihrem Kuchen und dem Kaffee. Dabei erhaschte sie den Blick ihrer Mutter, die sich eine Serviette vor den Mund presste. Offensichtlich versuchte Monika im Moment alles, um nicht lauthals zu lachen.

      „Ich stehe nicht auf, bevor wir uns nicht versöhnlich die Hände gereicht haben.“ Tobias streckte ihr mit einem feierlichen und ernsten Gesichtsausdruck die Hand entgegen.

      Perplex starrte Hanna auf die Hand. Es war eine relativ kleine Hand, mit eher kurzen, aber kräftigen Fingern. „Das ist doch lächerlich!“, stieß sie hervor.

      „Wie du meinst.“ Tobias faltete seine Arme über dem nach oben gerichtete Bein und wartete.

      „Das meinst du ernsthaft, oder?“ Hanna glotzte in grünbraune Augen. Monika konnte sich nicht länger beherrschen und kicherte ungehalten, Lyssa grinste über beide Backen.

      >Tobi! Du blamierst meine Freundin!<

      >Sie hat angefangen, Helena. Sie ist am Zug!< Dabei sah er weiterhin ruhig in Hannas braune Augen.

      Diese warmen braunen Augen, die ihn vor drei Monaten so gefesselt hatten. Er hatte sich gern mit ihr in der Diskothek unterhalten. Schnell erkannte Tobias, dass er eine warmherzige, kluge und selbstbewusste Frau vor sich hatte, die mit beiden Beinen fest im Leben stand. Von Anfang an kam sie weder als Mitternachtssnack noch als One-Night-Stand in Frage.

      „Okay!“ Hanna warf ihre Hände kurz in die Luft, drehte sich Tobias wieder ganz zu. Dann holte sie tief Luft und reichte ihm die Hand. „Ich verzeihe dir und biete dir eine Versöhnung an. Könntest du jetzt bitte wieder aufstehen, das ist wirklich peinlich!“

      Tobias