Heike Möller

Wenn Vampire Tango tanzen


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nur gut, Nana. Táwo hat mir erzählt, dass du ein paar Mal bei ihm angerufen und nach mir gefragt hast?“

      „Natürlich! Du hast dich nicht gemeldet und ich erreiche dich nicht.“ Hanna warf das Küchenhandtuch auf den Tisch und stemmte ihre Faust in die Hüfte. Lyssa kam gerade mit dem Lesebuch und einem Übungsheft in das Wohnzimmer und sah ihre Mutter fragend an. „Táwo hat mir gesagt, dass du ziemlich schwer krank warst. Warum durfte ich nicht zu dir? Lyssa hat ihre Patentante auf ihrem Geburtstag vermisst.“

      Das Mädchen winkte hektisch in Richtung Telefon und grinste breit mit funkelnden Augen. Hanna machte eine beruhigende Handbewegung zu ihrer Tochter.

      „Ach, Nana. Das ist eine lange Geschichte. Ich hatte eine … Immunschwäche. Aber Jan hat sich aufmerksam um mich gekümmert.“

      „Jan? Jannik Cerný? Den du mir damals in der Disco vorgestellt hast?“ Hanna setzte sich hin. Das konnte ein längeres Gespräch werden.

      „Genau der. Wir wohnen jetzt zusammen.“

      Hanna fiel die Kinnlade herunter. „Wow!“, würgte sie hervor.

      Das ging schnell. Viel zu schnell. Sie und Helena hatte sich immer alles erzählt, keine Geheimnisse voreinander gehabt. Zumindest hatte Hanna das bisher geglaubt.

      Doch plötzlich verschwand Helena, war drei Monate quasi wie vom Erdboden verschluckt und tauchte dann mit enormen Neuigkeiten wieder auf.

      „Nana?“ Helenas Stimme klang beinahe ängstlich. „Bist du noch dran?“

      Hanna fasste sich schnell wieder. „Natürlich. Ich bin nur ein bisschen überrascht.“

      “Was hältst du davon, wenn du und Lyssa uns morgen besuchen. So gegen 15.00 Uhr. Ich vermisse dich so sehr!“

      Hanna war immer noch ein wenig sauer, vermisste ihre Freundin aber auch. „Okay. Wo?“

      Sie stand auf, griff sich einen Zettel und einen Stift, schrieb die Adresse von Jannik Cerný auf. „Gibst du mir auch gleich bitte deine neuen Telefonnummern?“ Auch diese schrieb Hanna auf.

      „Ach, und bring´ doch auch Monika mit.“

      Hanna stutzte. „Meine Mutter?“

      „Ja. Du weißt, deine Mutter war für mich immer eine Art Ersatzmutter. Ich möchte sie einfach wiedersehen.“

      “Okay. Ich frage sie. Bis morgen dann!“

      Grübelnd kappte Hanna die Verbindung, legte das Mobiltelefon zur Seite.

      „Übst du jetzt mit mir, Mama?“

      Lyssas Stimme riss Hanna aus ihren Gedanken. „Klar doch. Dann mal los.“

      Hanna studierte die Namen auf dem Klingeltableau, drückte dann auf `Cerný´.

      Sie, Lyssa und Hannas Mutter Monika waren bis U-Bahnhof Mehringdamm gefahren und den Rest des Weges gelaufen. Nun standen sie vor einem ehemaligen Fabrikgebäude, das vor noch gar nicht allzu langer Zeit zu einem modernen Wohnhaus mit mehreren Wohnungen, so genannten Lofts, umgebaut worden war. Die Fassade bestand aus roten Klinkersteinen, die Eingangstür aus dunklem Holz mit Schnitzereien im Jugendstil und Glaseinlagen. Von außen waren drei Stockwerke zu erkennen und auf dem Klingelbrett standen sechs Namen. Offensichtlich waren die Wohnungen extrem großzügig geschnitten, so dass in dem riesigen, über einhundert Jahre alten Gebäude nur sechs Wohnungen waren.

      „Wer ist da?“ Helenas Stimme krächzte verfremdet aus dem Klingeltableau.

      Einen Moment hatte Hanna das Gefühl, dass sie beobachtet würde. Irritiert sah sie sich um und entdeckte eine kleine Kamera über dem Tableau.

      „Hanna, Lyssa und Monika!“

      „Kommt rein! Nehmt den Aufzug. Dritte Etage.“

      Der Türsummer ging an und Hanna drückte die Haustür auf.

      Der Hausflur war eine riesige und hohe Halle aus Marmor, Stuck und dunklem Holz. Eine breite Marmortreppe mit einem gewundenen Holzgeländer war der Mittelpunkt des Foyers. An den Wänden und der hohen Decke befanden sich zwischen den Stuckarbeiten Fresken im Jugendstil.

      Hanna drehte sich um. Von außen war es nicht zu erkennen gewesen, aber die Glaseinlagen der Haustür schimmerten im Sonnenlicht in den schönsten Farben und zeigten die einzigartigen Motive aus dem Jugendstil.

      „Verflucht, das ist teuer hier!“, murmelte sie.

      „Mama, du trödelst!“

      „Naseweis!“ Hanna ließ sich von ihrer Tochter zu dem Aufzug ziehen. Der Aufzug muss schon von Beginn an hier im Haus gewesen sein, denn der äußere Teil wies schmiedeeiserne Handwerkskunst auf. Im Ziehharmonika-Prinzip gingen die Türen auf und die drei Frauen gingen in den Fahrstuhl hinein.

      Der Fahrstuhl war ziemlich groß und geräumig, von innen kernsaniert und entsprach mit TÜV-Siegel und Wartungsdaten den modernsten Anforderungen und Sicherheitsbe­stimmungen.

      „Das ist wunderschön!“, sagte Monika und deutete auf das Tableau mit den Zahlenangaben für die Stockwerke. Passend zu dem Gesamtstil waren die Zahlen und Buchstaben verschnörkelt.

      „Hhm!“, bestätigte Hanna und drückte auf den Knopf mit der Zahl drei. Als die Türen zugingen, fiel ihr plötzlich ein, dass sie schnell Beklemmungen in Aufzügen bekam. Kurz krampfte sie ihre freie Hand zur Faust. Monika legte ihre Hand auf den Arm der Tochter, lächelte ihr aufmunternd zu.

      Als der Aufzug hielt, stieß Hanna ein stilles Dankesgebet aus. Die Aufzugtür öffnete sich und Helena Kapodistrias stand breit grinsend vor ihr.

      „Nana!“ Helena zog Hanna in ihre Arme, drückte sie an sich.

      „Umpf!“ Hanna bekam fast keine Luft und sie glaubte eine Rippe knacken zu hören.

      „Entschuldige. Ich freue mich nur so, dich wieder zu sehen.“

      „Kein Problem, Lena. Ich habe ja noch ein paar Rippen übrig.“

      Helena kicherte und umarmte Monika Martens herzlich, aber vorsichtiger und auch respektvoll.

      „Meine Güte, Kind! Du siehst wundervoll aus!“ Monika machte große Augen und maß Helena vom Scheitel bis zur Sohle.

      Hanna blinzelte und sah sich ihre Freundin genauer an.

      Es stimmte. Helena Kapodistrias war schöner, als sie es je zuvor war. Ihre Haut war ebenmäßig und ohne jeden Makel. Die Augen glänzten in verschiedenen Schattierungen und sie lächelte. Sie lächelte offen und ehrlich, strahlte eine innere Zufriedenheit und tiefes Glück aus. Ihre Zähne, schon immer ebenmäßig und weiß, schienen noch ebenmäßiger und weißer geworden zu sein.

      „Verdammt, die Liebe bekommt dir!“, ächzte Hanna. Sie empfand plötzlich Neid. Etwas, was sie in Helenas Gegenwart noch nie empfunden hatte.

      Helena hob Lyssa hoch und drückte sie an sich. „Hallo, mein Patenkind!“

      „Hallo, Tante Lena! Du riechst toll!“

      Die schöne Frau strahlte Lyssa an. „Du bist schon wieder gewachsen.“

      „Kommt doch in die Wohnung, oder wollen wir im Hausflur Kaffee trinken?“

      Die warme, männliche Stimme hinter Helena lenkte die Aufmerksamkeit erfolgreich von ihr ab. Ein großer, blonder Mann mit Engelsgesicht stand lässig in Bluejeans und Poloshirt im Türrahmen der Wohnung.

      „Hallo, Hanna. Wir sind uns schon einmal begegnet.“

      Hanna musste jetzt doch Grinsen. „Ich weiß. In der Disco. Damals hattest du noch ´ne Matte im Gesicht.“

      Jannik Cerný grinste breit zurück und ging auf die drei Gäste zu. Sein Gang war leicht, fast federnd. Immer noch lächelnd nahm er Hannas Hand, drückte sie sanft. „Freut mich, dich noch mal kennen zu lernen. Und Sie müssen Hannas höchstens ein Jahr ältere Schwester sein.“ Er nahm Monika Martens Hand in seine, verbeugte sich leicht