Mein kleiner Schatz … du starbst, weil wir nicht gut genug waren. Du saßt, während wir auf dich zu rannten. Ich liebe dich, Caitlin. Caitlin, Caitlin, Caitlin. Ich kann deinen Namen unendlich mal sagen, und er raubt mir immer noch den Atem. " Eine Träne läuft ihm über das Gesicht, als er das letzte Mal in das Mikrofon haucht: "Ende."
Der Raum ist erst komplett still, dann fangen alle an laut zu klatschen und zu jubeln.
Adam sieht erst noch sehr traurig aus, dann fängt er an zu lächeln. Er hebt dankend einen Arm. "Vielen, vielen Dank!"
Raven klatscht ebenfalls laut und jubelt ihm zu.
Ich sitze nur starr in meinem Sitz und fühle mich schlecht, dass ich nicht für ihn klatsche, doch ich bin zu betroffen von seinen Worten.
Während der ganzen Zeit, in der er redete, musste ich an Tammy denken. Fast alles was er gesagt hat, hat meine Gefühle beschrieben und das haut mich um. Wie er von ihren blauen Augen schwärmte und wie sie gelacht hat.
Ich habe in letzter Zeit oft versucht nicht an sie zu denken, weil ich endlich wieder unbeschwert leben will, doch anscheinend habe ich gerade einen Aussetzer. Ich meine, ich weine nicht oder schreie herum, aber die Tatsache, dass sich genau so fühlt wie ich, macht mich betroffen.
Vielleicht ist es das, was Raven vorhin meinte. Sie kam hierher, weil es hier Menschen gibt, die sich manchmal so fühlen wie sie und jetzt kann ich es nachvollziehen, schon nach den ersten zehn Minuten.
"War das nicht Wahnsinn?", fragt Raven mich leise, als Adam von der Bühne geht. "Was hast du?"
Ich schlucke und fange mich wieder, atme tief ein und aus. "Ich musste nur gerade an Tammy denken. Aber ja, er war wirklich gut."
Sie vergräbt ihre Hand in meiner. "Hier wirst du verstanden, Baby."
Ich lächele sie an. "Das merke ich."
In der nächsten Stunde stehen verschiedene Leute auf der Bühne und haben ihre Gedichte und Poesie vorgetragen. Die einen lesen lustige Geschichten vor und manche auch abgrundtief traurige, wie Adam. Es ist wirklich alles dabei und das beste ist, dass ich während der ganzen Zeit nicht an Tammy denken muss.
"So kommen wir auch schon am Ende der Veranstaltung an", spricht der Host durch das Mikrofon. "Für manche, die neu hier sind, erkläre ich nochmal die Regeln für den Abschluss: Wir suchen heute ein Opferlamm aus. Das bedeutet, irgendjemand aus dem Publikum wird ausgesucht und kommt nicht darum herum hier vorne etwas vorzutragen, sei es auch noch so kleingeistig. Es kann natürlich auch gerne jemand freiwillig nach vorne kommen. Hat jemand irgendwelche Vorschläge?"
Das ist perfekt, das ist meine Chance! Ich stehe schnell auf, bevor irgendwer anderes es kann und brülle nach vorne: "Hier ist jemand!"
Alle starren mich an und drehen sich zu mir um. Ich habe das breiteste Grinsen, das ich bieten kann, im Gesicht.
"Aiden, setz dich sofort wieder hin!", zischt Raven mich an und zieht an meinem T-Shirt.
"Ah, der junge Mann im schwarzen T-Shirt", sagt der Host durch das Mikrofon. "Möchten Sie etwas vortragen?"
Ich schüttele den Kopf und zeige auf Raven. "Ich nicht, aber meine Freundin! Sie kommt hier schon seit Jahren her, hat sich aber nie getraut!"
"O, Gott", höre ich Raven eingeschüchtert sagen.
"Dann nach oben mit ihr!", ruft der Host durch das Mikrofon und das Publikum jubelt.
Ich sehe sie stolz an.
Sie versinkt in ihrem Sitz und hält sich ihre Hand vors Gesicht, als würde sie dann niemanden mehr sehen.
"Komm, Baby", sporne ich sie lachend an. "Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich das nicht machen würde."
"Das kannst du getrost vergessen."
"Na los", sagt die alte Frau neben mir. Sie lächelt aufmunternd zu Raven. "Wir hören so selten Gedichte von jungen Mädchen. Tun Sie uns doch bitte den Gefallen."
Raven sieht sie hilflos an und weiß nicht was sie sagen soll.
"Jetzt steh schon auf Kleine", brummt der Mann neben ihr und stupst sie amüsiert an. "Sonst ist dein Freund umsonst aufgestanden."
"Genau!", sage ich und grinse frech, verschränke die Arme.
"Der Applaus ist für Sie!", ruft der Host durch das Mikrofon. "Geben Sie sich einen Ruck!"
Raven seufzt und richtet sich auf. Ihr Gesicht ist knallrot. Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an als sie aufsteht. "Dafür werde ich dich umbringen!", zickt sie mich leise an und geht durch die Sitzreihe, nach vorne.
Ich lache. "Das ist es mir wert!" Zufrieden setze ich mich wieder hin und beobachte sie, wie sie unsicher auf die Bühne geht.
"Na geht doch", sagt der Host zufrieden in das Mikrofon. "Wie ist denn Ihr Name? Ravel? Raven? Raven Green? Achtzehn Jahre alt aus Aldbury. Okay! Also liebes Publikum! Wir haben hier die nette Raven Green, achtzehn Jahre alt aus Aldbury. Applaus!" Er geht lächelnd davon.
Raven geht mit kleinen Schritten und angezogenen Schultern an das Mikrofon. Ich kann mir mein breites Grinsen einfach nicht verkneifen.
"Hallo", piepst Raven in das Mikrofon, räuspert sich dann und sagt: "Hallo."
Der Applaus verstummt und man hört sie tief durchatmen.
"Um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt nichts vorbereitet", sagt sie entschuldigend.
"Improvisiere!", ruft jemand aus dem Publikum und die Menge klatscht wieder anspornend.
Komm schon, Raven, hau sie um.
Raven scheint nachzudenken und der Raum ist wieder komplett still. Plötzlich gehen die Lichter wieder aus und der Scheinwerfer ist auf sie gerichtet. Sie sieht mich an und ich lächele ihr aufmunternd zu.
"Okay", keucht sie ins Mikrofon. "Das, was ich jetzt vortragen werde, habe ich geschrieben, das ist noch gar nicht so lange her. Um ehrlich zu sein war es letzte Nacht." Sie lacht leicht.
Ich runzle verwirrt die Stirn. Letzte Nacht?
"Ich, ähm, das ist etwas, was ich geschrieben habe, weil ich wusste, dass ich es endlich kann", sagt sie leise. "Es heißt: Du."
Niemand im Raum spricht, hustet oder scheint zu atmen.
Sie holt das letzte Mal tief Luft und schließt die Augen. "In einer stillen Nacht als du in meinem Bett schliefst und ich aus dem Fenster sah, ein Gedicht über dich schrieb ... Da machtest du auf einmal ein süßes, leises Geräusch, das mich dazu brachte, dich anzusehen. Und da warst du. Sahst warm aus, deine Wangen gerötet. Wie du immer nachts aussiehst. Diese Art von schön, die meine Hände zum jucken bringen, weil ich dich unbedingt berühren möchte. Deine Locken fielen auf das weiße Kissen und ich erinnerte mich, wie sie sich jedes Mal wie eine weiche Wolken anfühlten, wenn ich mein Gesicht darin vergrabe ... Als ich dich so ansah; der Mond schien durch das Fenster ... Du bewegtest dich plötzlich, legtest dich in eine andere Position und deine Haut strahlte ... Und ich dachte: Ich würde alles für ihn tun, Verdammt, diese Art von Liebe macht mich so zerbrechlich. Und ... Wie könnte ich jemals ohne ihn leben?" Sie atmet tief ein und aus, ihre Augen sind immer noch geschlossen. "Er ist es. Er, verdammt nochmal, ist es. Ich könnte es nicht noch mehr beschreiben, er ist es. Er ist der einzige, den ich jemals haben wollte. Ich gehöre zu ihm. Er ist mein Zuhause. Ich meine … Ich sehe ihn an und irgendwie beginne ich, uns beide in fünfzig Jahren zu sehen, sitzend, auf einer alten Veranda, mitten im Nirgendwo, zusammen. … Ich brauche ihn. Er ist das einzige, das mich interessiert. Er ist mein Glück. Er wird es immer sein, denn er ist es. … Er ist es."
Der Raum ist in totale Stille gehüllt und in meiner Lunge scheint der komplette Sauerstoff zu entweichen. Was zur Hölle war das denn?
Plötzlich fängt der Mann, der neben Raven saß, an zu klatschen und steht auf. Alle anderen erheben sich ebenfalls von ihren Stühlen. Ich stehe auch auf, klatsche so laut ich kann und muss feststellen, dass ein beschissener Kloß in meinem Hals