Wilma Burk

Wo du hingehst, will ich nicht hin!


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als wir uns wieder auf die Terrasse gesetzt hatten.

      „Ja. Dank sei der Emanzipation! Ein Mädchen als Kfz-Mechaniker, das wäre früher ausgeschlossen gewesen. Denke nur mal daran, was du noch geworden bist, eine Stenotypistin, ein typischer Frauenberuf. Über ein Büro konntest du nie hinauskommen. Und Regina wird einmal nicht nur eine Werkstatt leiten.“

      „Und doch bleibt sie eine Frau, wird heiraten und Kinder bekommen …“

      ,,Ja, sicher!“

      „Meinst du nicht, es könnte dann Probleme geben?“

      „Ach, was! Das findet sich. Ist doch bei uns auch gegangen“, reagierte Traudel abwehrend.

      „Mit Hilfe von Mama, die sich um die Kinder gekümmert hat“, erinnerte ich sie. „Das half euch, es zu schaffen. Susanne dagegen hat es damit ohne Mama viel schwerer.“

      „Das stimmt zwar, trotzdem hoffe ich, dass Susanne nicht alles aufgibt und mit Robert herkommt. Auch wenn Robert als Oberarzt vielleicht gut verdienen würde, besser ist es, wenn sie von ihm unabhängig bleibt.“

      „Ist der Preis nicht ein bisschen hoch, den sie bis jetzt bereits für ihre Unabhängigkeit bezahlt hat, so gehetzt wie sie immer ist? Und haben die Kinder nicht mitbezahlt, wenn sie herumgeschoben wurden, weil Susanne und Robert zu oft nicht wussten, wo sie die Kinder lassen sollten? Sie waren ihnen ja bei ihren beruflichen Anforderungen fast im Weg.“

      „Susanne hat immer einen Ausweg gefunden ...“

      „Weil Margot einspringen konnte. Sie hat Zeit für alle drei gehabt“, unterbrach ich sie, obgleich ich sah, wie sich eine ungeduldige Falte auf Traudels Stirn bildete.

      „Es kam nicht nur auf Margot an!“, widersprach sie mir sofort. „Schließlich gibt es Kindergärten. Außerdem werden Kinder frühzeitig viel selbständiger, wenn sie sich unter anderen Kindern zu behaupten lernen.“

      „Ein Gärtner stützt einen jungen Baum, bis er kräftig genug ist, gerade und allein ...“

      „Oder er verbiegt ihn dabei! Was soll der Vergleich?“, fuhr sie mir ins Wort.

      „Ich will damit sagen, ob Kind oder junger Baum, sie sollten gestützt werden, bis sie stark genug sind, allein zu stehen und sich nicht mehr jedem Wind beugen zu müssen“, fuhr ich unbeirrt fort.

      „Und diese Stütze kann nur die Mutter sein? Das ist Unfug! Nur durch Erfahrung wird ein Mensch klug. Was soll falsch daran sein, wenn ein Kind frühzeitig lernt, wie es sich in einer Gemeinschaft, z. B. Kindergarten, durchsetzen kann?“

      „Und was ist mit denen, die dies nicht schaffen? Wie hilflos und verlassen müssen sie sich ohne die Mutter fühlen.“

      „Wer zuviel Schutz erfährt, wird unselbständig“, tat Traudel es ab.

      „Und deine drei? Sind sie nicht besonders beschützt von ihrer Großmutter aufgewachsen? Und sie behütete Kinder noch so, wie sie es von der Generation vor ihr gelernt hatte, so, wie auch wir in ihrem Schutz groß geworden sind.“

      „Na, eben, war das nicht manchmal überbehütet?“

      „Wenn du dieser Meinung bist, so wundere ich mich, dass deine Kinder nicht unselbständig geworden sind, obgleich Omi sie auf ihre Art erzogen hat.“

      „Ich war doch nicht aus der Welt. Vergiss nicht meinen Einfluss dabei“, lehnte sich Traudel auf.

      „Wie viel Zeit blieb dir bei deiner Arbeit für deine Kinder?“

      Irritiert sah sie mich an. „Genug, um nicht den Überblick zu verlieren.“

      „… und Susanne, hat sie nicht noch weniger Zeit zur Verfügung für ihre Kinder als du? Genügen wirklich ein paar Stunden am Abend? Wenn eine Mutter, wie Susanne, nach Hause kommt, braucht sie auch etwas Zeit für sich, einen Moment der Besinnung und Entspannung. Doch es warten nicht nur die Kinder auf die berufstätige Frau, sondern noch viel Arbeit, die gemacht werden muss.“

      „Dem kann man abhelfen. Susanne hatte sich schon bald eine Haushaltshilfe besorgt.“

      „Eine Hilfe, Traudel. Das ist niemals so wie bei Mama, die dir selbständig den Haushalt führte. Da bleibt noch genug, was Susanne selbst machen muss. Und wie sieht ihr Leben mit Robert aus? Ein richtiges gemeinsames Leben ist das nicht, wenn sie sich manchmal tagelang nicht sehen, nur über Zettel an einer Pinnwand und übers Telefon miteinander verkehren können, weil sein Dienst im Krankenhaus es so mit sich bringt.“

      „Ihre Berufe sind einfach zu verschieden, um sie unter einen Hut zu bringen. Man kann aber nicht alles haben. Solange es für Frauen keine bessere Lösung zwischen Berufsleben und Familie gibt, so lange müssen wir uns damit abfinden, auch Susanne“, sagte Traudel mit einer kurzen Handbewegung, die jeden weiteren Einwand abweisen wollte.

      „Ja, die bessere Lösung wäre gut“, bemerkte ich abschließend. Dabei dachte ich an unser Gespräch, das wir auf der Heimfahrt aus Frankfurt miteinander geführt hatten, als ich sie nach ihrem Ausbruch aus ihrem Leben, wieder nach Hause holte. Ihre ganze Unzufriedenheit mit ihrem Leben war da bei ihr hochgekommen. Hilflos und verunsichert hatte sie dagesessen und selbst gemeint, es müsse einen besseren Weg für eine Frau geben, alles miteinander zu verbinden, Kinder, Ehe und den Beruf, der allein unabhängig macht in unserer Gesellschaft. Heute war das wahrscheinlich alles wieder verschüttet. Sie war wieder die selbstbewusste Geschäftsfrau.

      Vielleicht ist es aber auch so, dass die jungen Frauen heute, zum Teil schon bei berufstätigen Müttern groß geworden, es nicht so empfinden, wie ich es sehe. Sie kennen es nicht anders. Susanne hatte es schon bei ihrer Mutter so erfahren. Da konnte ihr ihre Omi viel erzählen, das waren für sie nur alte Kamellen. Also machte Susanne, wie so viele andere jungen Frauen, das Beste aus ihrer Situation, denn so wie „gestern“ wollten nur noch die wenigsten leben.

      Auch ich wollte nicht eine Welt für die Frauen, wie Mama sie noch sah. Doch warum sollte alles, was neu war, unbedingt richtiger sein? Eigentlich hoffe ich nur, dass die jungen Leute von heute es besser machen, als es meiner Generation gelungen ist.

      Bis jetzt jedenfalls schien es mir, als würden die Frauen vor Jubel über jeden Schritt in die Gleichberechtigung blind übersehen, zu welcher Mehrbelastung das für sie führen musste. Denn noch konnten sie sich nur mühsam einen Platz erkämpfen, wie ihn ein Mann für sich beansprucht. Dabei sollte es an der Zeit sein, für sie zu fordern, dass ihnen in Gesellschaft und Arbeitswelt der ihnen von Natur aus zugedachte Platz eingeräumt wird, damit sie allen Aufgaben gerecht werden können, ohne überfordert zu sein. Was ist das für eine Gesellschaft, in der Kinder allein erziehender Mütter zu den ärmsten gehören? Zeit sollte die Frau wieder haben können, Zeit für sich und ihre Kinder, ohne aus dem erlernten Beruf ganz ausscheiden zu müssen. Doch genau das wird sie nur erreichen, wenn die Wirtschaft, die immer noch das gesellschaftliche Leben bestimmt, einen Vorteil darin sehen kann, wie die Frau sich und ihre Arbeitskraft anbietet. Ich hoffe sehr, dass die Frauen dafür einmal eine Lösung finden werden. Meine Nichte Susanne wird dann aber ihr ruheloses, anstrengendes Leben wohl schon gelebt haben.

      *

      Karl-Heinz hatte sich wieder zu uns gesellt. Er wollte wissen, wie es jetzt bei mir in Neuwied zugeht, so nah an der ehemaligen Grenze. Hier bei Hannover war davon nicht mehr so viel zu spüren, auch wenn Trabis am Haus vorbeiblubberten und inzwischen zum Straßenbild gehörten. Um hier in den Geschäften einzukaufen, kamen sie eben nicht mehr so weit aus der ehemaligen DDR hergefahren. So mancher Trabi hielt aber auch hier vor dem Autohof an. Mit sehnsüchtigen Blicken gingen die Menschen von „drüben“ dann durch die Reihen der Gebrauchtwagen. Da war wohl bei vielen der Wunsch nach einem „Westwagen“ groß.

      Die Sonne stand tief, als ich mich von ihnen verabschiedete und mit Julchen auf den Heimweg machte. In langen Schlangen kamen mir nun die Ausflügler aus dem Harz entgegen und ich fuhr fast allein auf meiner Seite in den Harz hinein. Es war schön, dass ich eben einfach mal nur zum Kaffee zu Traudel und Karl-Heinz fahren konnte.

      *

      Ich hatte den Wagen in die Garage gefahren, schloss das Gartentor