i.A. - H.T.K.

Die Köchmüller-Papiere


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äh... Blödkopp?!“

      „Jiaahaa! Und ich raff das nicht!!!“

      Köchmüller schlug seine Hand demonstrativ vor die Stirn: „Ahhh. Jiaahaa. Als hät' ich es doch geahnt. Ich hole 'ne Flasche Wasser, Gläser, 'ne Tasse Kaffee, Schmierpapier… und äh… … soll ich noch 'ne Peitsche mitnehmen?“

      „Mensch, Papa, das ist gar nicht komisch!“

      Sein Lachen hörte sich ehr wie das Meckern einer Ziege an. „Find ich woohool komischsch!“ imitierte er seine Tochter, „Ach... - und schalt' schon mal Computer und Handy ab!“

      „Mensch!!“

      „Nu mach!“ Köchmüller richtete sich auf zwei Stunden Gezeter ein, wegen ein wenig Trigonometrie, Binomen, Algebra oder ähnlicher Kleinigkeiten...

      Einige Wochen später konnte er sich nicht darum herumdrücken: Er hatte seine Frau zur offiziellen Karneval-Veranstaltung ihrer Partei in die Landeshauptstadt zu begleiten. Wieder einmal, so wie jedes Jahr...

      Im Frühling des Vorjahres, ein, zwei Wochen nach Aschermittwoch, streiften er und seine Kameraden im Youngtimer Club das Thema kurz. Es war schon zu vorgerückter Stunde. Köchmüller unterstrich seine Sicht, auf den Unterschied, zwischen „…Grill-Fest und Schicki-Micki…“ und betonte, dass Straßenkarneval ausschließlich und aus gutem Grund dem Fußvolk zustehe: „Wenn ich mir diese penetrant aufgesetzt-fröhliche Partei-Show angucke, die die Provinz-Weltenlenker jedesmal abziehen.“ Er zitierte das Begrüßungsgeheuchel in freier Interpretation:

      „…>Ach, Frau Direktor Soundso, es ist so schön Sie hier zu sehen und nicht unter dem Tisch vom Vorstands-Chef!< - >Oh Herr Doktor Tralala, was macht Ihr Giftmüllskandal? Ich bin ja so froh, sie hier anzutreffen und nicht im Knast. Haben Sie die zur Geldbuße verstümmelte Haftstrafe dem Richter mit Kokain oder Schwarzgeld abgekauft?< - >Ja, der Herr Bischoff! Sie sind allein hier? Hat Ihre vierzehnjährige Begleiterin heute Stubenarrest?< - Nää, näää, hört auf! Ich geh' da ja nur hin, meinem Weibe zu liebe. Nää! Das ist was für Leut', die Vater und Mutter erschlagen und deren Organe verhökert haben.“

      Köchmüller war der Kassenwart des Clubs. Er ertrug geduldig den milden Spott und das Gelächter seiner Kameraden: „So ist das eben, wenn Mister Superlegal in den Koben der Superreichen springt!“ - „Der einzige Mensch auf der Welt, der unter 'ner Schubkarre voller fetter Kohle leidet. Unser Köchi ist schon S-E-L - Sonderklasse!“

      Lachend erhob nun der Clubvorsitzende seine Stimme: „Wem würdet ihr einen Koffer mit einer Million zur Aufbewahrung überlassen – ohne Quittung?“

      Ein allgemeines „Na, wem schon?!“ folgte. Sie blickten auf ihren Kassenwart: „Natürlich unserem Köchi!“ „Immer alles legal, immer alles korrekt!“ „Immer alles beim TÜV eingetragen!!!“ Einhelliges Gelächter.

      Köchmüller machte gute Mine zum Ulk auf seine Kosten. In fröhlicher Atmosphäre klackerten Bierflaschen aneinander...

      Diesmal fand der Maskenball nicht in der Landesparteizentrale statt. Für den Abend hatte man das riesige Foyer einer Mediziner-Vereinigung angemietet. In der großen Marmorhalle drängten sich – gefühlt – 600 bis 700 Gäste auf drei Ebenen. Der Empfangsbereich war zum Buffet umgebaut worden. Dieses Jahr begleitete er seine Frau – demonstrativ - in einer Panzerknacker-Verkleidung zu dem ermüdenden Event. Er wurde einigen Personen vorgestellt, die er angeblich bereits im Vorjahr kennenlernen – „…dürfen musste“. Mit diesen verwickelte sich seine Frau schnell in Gespräche. Bereits nach zwanzig Minuten blickte er das erste Mal, unwillkürlich auf die Uhr. Unbemerkt entfernte sich Köchmüller von dem Grüppchen und schlenderte durch den Saal. Die Außenfenster waren blickdicht abgeschirmt. An den Stehtischen: Smalltalk. Einigen dieser Möbel waren Bar-Hocker beigestellt worden, für die Grazien. Ein Tribut an enge, untragbare, dafür superteure Designer-Pumps, samt der dazugehörigen Hühneraugen, vermutete er, fast schon gehässig. Auf der kleinen Tanzfläche wurden tatsächlich einige Paare in Bewegung gehalten; eine Sieben-Mann-Kapelle verströmte ihre „…dezenten Fahrstuhl-Musik auf gehobenem Panflöten-Niveau.“ In den hintersten Winkel der Halle hatte man die Sitzgruppen zusammengeschoben. Ein Rudel blasierter Jungmanager nutze die Möbel, hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, die Masken fallen lassen. Sie saßen wichtigtuerisch um die Couch-Tischchen. Smartphones und Tablett-Computer wurden fleißig bedient; scheinbare Konzentration auf unaufschiebbare Net-Konferenzen. Über diesen absonderlichen elektronischen Wisch-, Tipp- und Streichelzoo, der sich in diesem Bereich des Foyers bot, musste der gelangweilte Herr im Bankräuberkostüm nun doch herzlich schmunzeln: Alle, aber auch wirklich alle, in diesem Kunstleder-Ensemble, strichen mit ihren Fingern über die kleinen Bildschirme, tippten darauf herum oder hielten sich ihre Minicomputer ans Ohr, beziehungsweise hatten einen Knopf in selbigem. „Wir sind Borg! Widerstand ist zwecklos!“, grüßte Köchmüller mit erhobenem Glas in Richtung der verständnislosen Gesichter. Die künftigen `Chefs der Welt´ taten zumindest ihr Desinteresse bezüglich der Feier offen kund. Er blickte sich weiter um.

      Eigentlich sollte er sich, als Bankbetriebswirt wohlfühlen, auf dieser Art Treffen der Bedeutsamen und der bedeutsam Tuenden. Doch die, nicht selten, aufgesetzte Freundlichkeits-Heuchelei, war für Köchmüller nahezu mit Händen zu greifen: „...Oh, Seuche! Typisch schleimige Bussi-Bussi-Gesellschaft.“ Er ließ sich weiter durch das Gewimmel treiben: Kammer-Präsidenten, Ärzteverbands-Chefitäten, Vertreter der Arbeitgeber-Vereine und sogar ein „echter Minister“. Allesamt in mehr oder weniger notdürftig, ungelenker geradezu hingepfuschter Verkleidung oder im Mietkostüm.

      Und nun?... - „Oh Gott, nee…“, dachte er, als ihn ausgerechnet Landes-Wirtschaftsminister Dümpelfeldt am Ärmel zupfte und ihn „…leider…“ zu sich, an seinen umlagerten Stehtisch, zog. Die gesamte Runde, gut ein Duzend Maskierte, war schon etwas angeheitert. Teilweise sehr-spät-pubertäres Gekicher, schwebte über dem Trupp, dominiert von dieser massigen Eins-Neunzig-Halbglatze.

      „Ihre Frau kniet sich ja kräftig rein.“, eröffnete der Würdenträger.

      „Äh… - wie bitte?“ Köchmüller hatte den Minister tatsächlich nicht verstanden, hielt sich, ungewollt, die Hand ans Ohr.

      „Ihre Frau hat mir gesagt, dass sie der Panzerknacker sind, Herr Köchmüller.“

      „Ja, ja, ich bin's...“ Ein erzwungenes Grinsen leuchtete unterhalb seiner Augenmaske.

      „Ihre Frau hat ja kräftig mitgewirkt und dafür gesorgt, dass dieses Fest, hier stattfinden kann, in diesem äußerst gelungenen Rahmen.“

      „Ja sicher. Sie ist immer da, wenn die Partei sie braucht. Schließlich will sie ihren Verein demnächst im Landtag verstärken. >Ihren< klein und groß geschrieben. Sie sind doch hoffentlich auch eingetragenes Mitglied der Truppe, Herr Dümpelfeldt?!“

      „Das sollte ich ja wohl, als politischer Amtsträger.“ Der Angesprochene lachte kurz, betrachtete Köchmüller intensiv prüfend, versuchte geradezu die Verkleidung zu durchdringen. „Aber, Sie habe ich noch nie auf einer regulären Parteiveranstaltung gesehen.“

      Köchmüller lüftete seine Perücke einige Millimeter: „Ich erschein' stets unerwartet, dafür meist inkognito.“

      Ohne darauf einzugehen, kam Dümpelfeldt zur Sache: „Mir wurde zugetragen, dass Sie ehr gemeinwirtschaftlichen Zielen zugetan sind. Das ist doch eine Mär, oder? Sie sind doch Mitglied, in den richtigen Vereinigungen?“

      „Selbstverständlich.“, Köchmüller spielte den Naiven, „Seit bald 30 Jahren – ganz freiwillig – bei der Freiwilligen Feuerwehr.“ Das Lachen der Umstehenden konnte bedenkenlos der Kategorie „gequält“ zugeordnet werden. „Nun ja“, legte er nach, „vergleichbar mit Ihnen ist das natürlich nicht. Mein Verbleib hängt ausschließlich von mir ab. Während Ihre Verlängerung im Amt und die gewünschte Verstärkung durch meine Frau, einzig vom Wähler