Ulf Imwiehe

Gut Nass


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zum... ach, egal jetzt, kann ich dir ja am Wochenende zu Hause erzählen. Ähm, ja, pass schön auf dich auf in der großen Stadt, Käpt'n. Ich freu mich schon darauf, dich wiederzusehen. Hab dich lieb.«

      Flex, du Charmeur! Wahrscheinlich sollte ich doch mal an meinem Stil arbeiten, damit ich nicht immer klinge wie ein stotternd verliebter Pubertist auf der Konfirmandenfreizeit.. Ich zögere kurz, dann wähle ich Maikes Festnetznummer in Bremen. Vielleicht lädt sie ja gerade ihr Handy auf und kann deswegen nicht drangehen.

      »Hallo? Wer is'n da?«

      Ach du Scheiße, der Künstler. Christian, Christoph, oder so ähnlich. Und, so wie es sich anhört, wieder zugekifft bis in die letzte Synapse.

      »Äh, hi, Christoph, hier ist Flex.«

      »Christoph? Wer is'n Christoph? Hier ist Bendedikt.«

      Ach, genau. Benedikt! Wusste doch, dass es irgendwas Heiliges war.

      »Ja, Mensch, Benedikt! Moin, hier ist Flex!«

      »Hmmm?«

      Ich werfe die Badelatschen ungeduldig von mir und lege meine Füße auf den Schreibtisch neben das Laptop. Nicht schlecht. Kann man so machen.

      »Flex«, erkläre ich geduldig. »Hier ist Flex. Felix. Der Freund von Maike.«

      »Ach Felix, du bist das!« ruft Benedikt vollkommen überrascht. »Wart mal kurz. Bleib dran!«

      Ich höre ihn durch die Wohnung trampeln. Es räumt, hustet und rasselt für eine stattliche Minute im Hintergrund, mehrere männliche Stimmen röhren und lachen durcheinander, dann ist Benedikt wieder da.

      »Hallo? Felix? Sorry, ich komm grad rein. Hab mit ein paar Kumpels meinen ganzen Kram aus dem Atelier hier rüber geschafft. Bin da ja rausgeflogen, Scheiße. Muss ich erstmal hier im Wintergarten was machen bis ich was Neues finde, wo ich in Ruhe arbeiten kann.«

      »Oh, das tut mir leid. Hör mal ist...«

      »Felix, der Glückliche.«

      »Äh, wie bitte?«

      »Dein Name. Heißt doch so, oder nicht? Der Glückliche.« Benedikt kichert heiser. »Aber, ach nee, warte mal, du hast doch da diesen komischen Spitznamen den Maike so bescheuert findet. Wie war der noch? Phönix?«

      »Flex«, murmele ich und frage mich zum tausendsten Mal, wie Maike und ihre Mitbewohnerin Katja (Maja? Vaja?) es bloß mit diesem Knallkopp aushalten.

      »Flex!« ruft Benedikt begeistert. »So war das! Flex! Cool. Cool. Cooler Name, Alter. Klingt so richtig geschmeidig. Biegsam. Wie heißt das noch... elastisch? Alter, glücklich und geschmeidig zugleich, das ist doch wohl geil.«

      »Ja, danke. Sag mal ist Maike auch da? Ich hab versucht, sie auf ihrem...«

      »Von wo rufst du denn an?« fragt Benedikt. »Aus'm Kindergarten?« Er kriegt einen hechelnden Lachanfall.

      »Benedikt, hey, hallo, Benedikt!« werde ich lauter. »Gib mir doch mal bitte Maike, wenn sie da ist.«

      »Da schon wieder!«

      Ich atme zweimal tief durch. »Was denn?« frage ich verzweifelt.

      »Kinder. Immer wenn du was sagst, hör ich im Hintergrund 'ne Kinderstimme. Hast du Kinder, Phönix? Da hat Maike gar nichts von erzählt.«

      »Nee, hab ich auch nicht«, antworte ich leise. Kinderstimmen? Was hat der bloß geraucht? Ich denke kurz an die letzte Nacht mit Caruso im Freibad. Ist hier Woche der minderjährigen Halluzinationen oder was?

      »Ist sie jetzt da oder nicht?«

      »Das fragen Vaja und ich uns mittlerweile auch jeden Tag«, grunzt Benedikt. Vaja! Richtig!

      »Wie meinst du denn das, Benedikt?« Ich nehme die Füße vom Tisch und setzte mich aufrecht hin.

      »Boah, Phönix, sag doch mal diesem Gör da bei dir es soll nicht immer dazwischen quatschen! Man kann dich ja kaum verstehen.«

      Im Bremer Hintergrund scheppert es, mehrere Stimmen brüllen durcheinander und Benedikt schreit irgendeinen Tom an, gefälligst mit der Skulptur aufzupassen.

      »Sorry, da bin ich wieder«, nuschelt er. »Ja, also, wie gesagt, wir haben uns auch schon gewundert, wofür Maike eigentlich noch ihren Mietanteil ablatzt wo sie ja seit ein paar Wochen oder so kaum noch hier ist. Also, vor allem nachts jetzt, so wie ich das mitkriege.«

      »Wie bitte? Was soll das denn heißen? Nachts? Wo ist sie denn?«

      Benedikt prustet schwer geplagt.

      »Das geht mich doch nichts an, Mann! Privatsphäre und so. Muss man respektieren.«

      Das hat doch alles keinen Sinn mit dem Typen. Am Besten, ich versuche später noch einmal, Maike zu erreichen.

      »Äh, ja wenn du sie heute noch sehen solltest, bestell ihr mal einen schönen Gruß von mir und sag ihr doch bitte, dass ich angerufen habe. Ich probier's sonst auch einfach noch mal auf dem Handy.«

      »Wann bist du denn mal wieder in Bremen, Phönix? Du wolltest mir doch mal beibringen, wie man richtig krault.«

      »Klar, kriegen wir hin, Benedikt«, wimmele ich ihn ab. »Aber jetzt muss ich dringend los, sorry, mach's gut.«

      Das wird ja immer seltsamer. Wo bist du, Maike? Und vor allem, wo bist du nachts? Ich drehe mich langsam im Stuhl um die eigene Achse. War das bloß dusseliges Gerede von diesem Wirrkopf Benedikt oder verheimlicht Maike mir etwas? Ist doch alles gut zwischen uns. Alles wie immer, oder? Außer, dass wir uns seltener als sonst gesehen haben in der letzten Zeit, weil sie so oft Wochenenddienst in der Wohngruppe hat. Aber das kommt ihr ja auch zugute in ihrer Ausbildung. Das Furzgeräusch meines iPhones reißt mich aus meinem Gedankengenage. Eine Email. Vom Mann. Immer noch Frühaufsteher, selbst in den Tropen.

       Wenn ich deine kryptische Botschaft richtig deute, darf man wohl gratulieren. Sollte dies allerdings bedeuten, dass du entgegen all meiner (zugegeben äußert schmalen) Hoffnung in diesem Job hängen bleibst, spare ich mir die Glückwünsche lieber bis zu einem ausführlichen, klärenden Gespräch zum stets spannenden Thema deines Lebensentwurfes. Morgen Abend 23.00 Uhr Skype. Deine Zeit, wohlgemerkt! Nicht wieder verwechseln, wie letztes Mal!

       Und danke der herzlichen Nachfrage, mein Sohn. Es geht mir in der Tat gut.

      Keine Floskel zum Abschied, noch nicht einmal eines dieser blöden Kürzel. Nur die Signatur darunter:

       Alexander Freiwaldt

       Head of PR and Communication

       Tyler & Tyler Creative Solutions

       Singapore

      So ist er, der Mann. Und fast fühle ich mich wieder wie damals, als ich mit einem Aufsatz nach Hause kam, der meiner Lehrerin eine glatte Eins wert war, an dem ihm jedoch die naive Erzählperspektive und die zu wenig stringente Tonalität nicht gefiel. Die Frau lebte da, glaube ich, schon gar nicht mehr.

      Mein Bart juckt. Ich habe in meinem Leben noch keinen Bart gehabt. Schon gar nicht so ein übles ZZ Top Monstrum. Und dann noch rot. Oder schwarz oder was das sein soll. Selbst wenn ich wollte, ich könnte mir keinen Bart wachsen lassen. So was gibt meine spärlich milchig-braune Gesichtsbehaarung gar nicht her und die Hormone, manchmal weiß ich auch nicht... Und doch liebe ich meinen Bart, bin ich mein Bart. Ich will wohl so sein, gut soll es sein. Das Forstbad duckt sich unterm silberschweren Spätherbsthimmel. Nass und schlapp von zaghaft tauendem Reif liegt die Wiese im Mittag, die Luft droht mit Schnee oder mindestens Graupel, kahl und skelettiert schweigen die Bäume im Kreis umher. Warm und verheißungsvoll glüht es durch die Fenster des Hallenbades am Rande der Liegewiese. Ich schwitze in meinem dicken Pullover und dem schlotterigen Blaumann, meiner Arbeitskleidung für einen Tag im Freibadteil außerhalb der Saison, harke das Laub auf der Wiese zu Wällen und Haufen bis der Rasen glänzt und die Hände leise schmerzen. Allein. Wie ich das liebe! Ich werfe den Laubkratzer