Jörgen Dingler

Oskar trifft die Todesgöttin


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      »Wir haben erst eine Nacht miteinander verbracht. Und das unter anderem sogar schlafend.«

      »Stimmt.«

      »Du bist normalerweise genauso ein Individualist und Alleinschläfer wie ich.«

      »Ich hab das nie bestätigt, Süße.«

      »Das brauchtest du auch nicht.«

      Frauen sind wohl doch emotional klüger als Männer! Die auf jeden Fall.

      Es half nichts, er musste schmunzeln.

      »Daher finde ich es besser, wenn du in unserer taufrischen Anfangszeit ein Ausweichquartier hast.«

      Er sah in ihre großen braunen Augen, die sie in perfektem Kindchenschema gegen ihn einsetzte. Sie war einfach zu gut, zu niedlich, zu unwiderstehlich!

      »Falls wir uns mal streiten sollten«, plapperte sie fast traurig und zog ein Schnütchen. Bei jeder anderen Frau hätte er gedacht, dass es spätestens jetzt zu dick aufgetragen war. Zuviel Niedlichkeit, zuviel Mäuschen, zuviel Süße… klebrig geradezu. Nicht so bei Christine. »Du kannst dann auf dein eigenes Zimmer gehen, wenn du mich nicht sehen willst…«

       Sie steigert sich immer noch! Unpackbar!

      »Normalerweise wohnt Jean-Pierre auch hier. Du nimmst jetzt sein Zimmer«, kam es plötzlich pragmatisch kühl. Sie holte Oskar durch diesen Hinweis auf den Boden der Tatsachen zurück. Ob das gewollt war, konnte er nicht sagen. Sollte es gewollt gewesen sein, wäre es sogar eine Form von Ehrlichkeit gewesen. Sie erinnerte ihn daran, dass sie innerhalb eines Augenzwinkerns von emotional auf ergebnisorientiert umschalten konnte. Irgendwie fair. Auch und gerade, weil es noch etwas verdeutlichte:

       So niedlich sie auch immer scheinen mag, sie ist ein eiskaltes, gef ä hrliches Luder!

      »Warum?«, fragte er fast vorwurfsvoll. »Du hast doch fünf Zimmer hier.«

      »Plus meinen eigenen, ganz privaten Bereich… unser Liebesnest.«

      »Aber… da ist doch mehr als genug Platz. Ich hätte auch ein anderes Zimmer nehmen können. Du hast selbst gesagt, dass dieses Zimmer ein Not-Ausweichquartier ist. Falls wir uns mal aus dem Weg gehen wollen.«

      Sie sah ihn schief an und schmunzelte, registrierte, was sie längst wusste: dass auch er jemand war, der alles ganz genau wissen will.

      »Ich will meine Privatsphäre und Jean-Pierre diesmal nicht in unmittelbarer Nähe haben. Wegen dir, mein Prinz. Deswegen ist er nicht da. Und weil er nicht da ist, nimmst du das schönste Zimmer der Pension: seins. Jetzt ist es dein eigenes Reich für alle Fälle. Alles klar?«

      »Alles klar, Prinzessin.«

      »Ich will nur mit dir hier sein, liebster Oskar!«

      »Ist mir mehr als recht.« Diesmal zog er die Schnute und nickte.

      »Und jetzt will ich nicht mehr diskutieren«, stellte sie klar.

      »Liebling…«, begann Oskar. Christine war schon auf dem Weg zur Eingangstreppe. Sie standen während des klärenden Gesprächs noch draußen.

      »Ja, mein Schatz?«

      »Ich weiß noch nicht allzu viel von dir…«, eröffnete er vieldeutig. Entsprechend neugierig wurde sie dann auch. »…aber das weiß ich inzwischen schon: Du diskutierst nie.«

      Sie zog ihre Lippen verlegen ein und setzte den passenden Blick dazu auf.

       Ertappt! Christine Vaarenkroog diskutiert nicht. Sie befiehlt.

      Das galt laut ihrem Vater sogar in Bezug auf Kali. Killerqueen Kali, dessen Monstervehikel er heute bewundern konnte und die er daher vor Ort vermutete.

      »Stimmt nicht. Ich höre sehr wohl auf Menschen, die mir etwas bedeuten. Daher frage ich dich: Möchtest du mit mir baden?«, kam es kleinlaut und dann umso lebhafter, »Ich hab eine Riesenbadewanne!«

      »Du meinst, die ist so groß, da können wir uns zur Not aus dem Weg schwimmen«, spitzte er. Christine schien für einen Moment in einer Schockstarre zu sein. Mit einem Mal riss sie den Kopf nach hinten und lachte so laut und schallend, wie er es noch nicht erlebt hatte. Und er sah und hörte sie in den paar Tagen des Kennenlernens schon oft lachen. Als sie sich wieder einkriegte, kam sie auf ihn zu und schlang erneut ihre Arme um ihn.

      »Weißt du, warum ich dich liebe?«

      »Du liebst mich???«

      So weit hatte Oskar sich noch nicht aus dem Fenster gelehnt. Er war sich sicher, mit seinen Gefühlen für sie schon weiter zu sein als umgekehrt. Ein Irrglaube, sollte Christines Bekenntnis wahr sein.

      »Hatte ich das noch nicht gesagt?«

      »Nein. Und das weißt du auch.«

      »Hast du das noch nicht gemerkt?« Sie stemmte die Hände in die Hüften.

      »Ich war mir nicht sicher«, bemerkte er leise, eher sachlich.

      »Wenn du sagst, dass du dir nicht sicher warst, dann weiß ich, dass du mich auch liebst«, bewies sie, dass sie schnell zu reagieren vermochte – auf jeden Fall intellektuell und sprachlich. Und wohl auch anderweitig. Vielleicht kannte sie sogar ein paar Tricks von ihrer lieben Freundin Kali. Dass sie nicht nur geistig topfit war, blitzte das ein oder andere Mal auf, auch außerhalb ihrer Körperbeherrschung auf intimem Gebiet. Kali könnte keine würdigere Chefin haben.

       Ich war ein Narr, diesen Job anzunehmen! Aus manchen Gr ü nden.

      »Sehr fein kombiniert, Fräulein Vaarenkroog.«

      »Dann kannst du es auch sagen, Herr Randow.«

      »Ich trau mich nicht. Vielleicht hab ich mich ja verhört.«

      »Hast du nicht, du Feigling. … Ich liebe dich. … Jetzt gehört?«

      »Ja. … Und ich dich erstmal. … Und baden möchte ich auch mit dir.«

      Sie küssten sich.

      »Du wolltest mir noch sagen, warum du mich liebst.« Er streichelte den Kopf des faszinierenden Wesens, das trotz Liebesgeständnis ein brandgefährliches Wesen war. Erst recht, falls diese Offenbarung mehr Taktik als Tatsache war.

      »Ich liebe dich, weil wir ein verdammt gutes Team sind.« Sie pausierte, wirkte auf einmal nachdenklich. »Und vielmehr noch, weil du mir etwas entgegenzusetzen hast.«

      Er verstand, was sie meinte. Ein schönes Kompliment, erst recht wenn es von einem Traumgeschöpf kam, das einem damit Ebenbürtigkeit attestierte. Oskar bemerkte einen Treppenabgang an der Seitenwand.

      »Und ich liebe dich, weil du das tollste, beeindruckendste Geschöpf bist, was mir jemals passierte.« Große leuchtende Augen musterten ihn. »Das schönste natürlich auch.«

      »Jemals passierte finde ich gut.« Das musste ihr gefallen, da er von ihrer Wortwahl in Zürich Gebrauch machte. Sie lächelte, hatte seinen abschweifenden Blick bemerkt – natürlich.

      »Wohin führt dieser Abgang da, Süße?«

      »Na, wohin führt ein ebenerdiger Abgang wohl? In den Keller.«

      »Aha. So ne Art Folterkeller für Bondagespielchen?«

      »Da muss ich dich enttäuschen. Falls das ein Hobby von dir sein sollte, musst du es woanders ausleben. Unten ist ein Weinkeller und eine Sauna.«

      »Tolle Kombination.«

      »Ja, nicht wahr? Hab ich bauen lassen, nachdem ich die Pension gekauft habe. In all meinen geräumigeren Domizilen hab ich eine Sauna. Nenn es meine skandinavische Ader.«

      »Du hast eine skandinavische Ader? Cool.«

      Natürlich! Greg hatte seinerzeit erwähnt, sie hätte auch ein Anwesen in Skandinavien. Würde sie das nun bestätigen?