ANDRE AMISIUS

Romantische Realisten & melancholische Millionäre


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anderen Geschlecht eigene Fehler lieber zugeben – beim eigenen Geschlecht auf gar keinen Fall!

       122. Was vielleicht das Traurigste am Leben sei?

      Dass es nicht ganz so schön ist, wie die Romantiker immer glauben. Andererseits bleibt aber tröstlich, dass es dann doch nicht ganz so schrecklich wird, wie die Zyniker ständig behaupten.

       123. Ob die ewige Weltverbesserei nun etwas Positives oder doch eher Negatives sei?

      Keine Ahnung - aber auf jeden Fall ist sie anstrengend; und zwar sowohl für den Verbesserer als auch für den oder das Verbesserte. Wobei die schlimmsten Weltverbesserer sicherlich diejenigen sind, die behaupten ohne Idealisten und Weltverbesserer wäre diese Welt eindeutig besser dran. Die angenehmsten Weltverbesserer hingegen sind diejenigen Exemplare, die sich damit begnügen können, zunächst lediglich ihre eigene Welt verbessern zu wollen.

       124. Was für den ersten Eindruck wichtiger sei: Kleidung oder Gesichtsausdruck?

      Weder noch; einfach erst einmal: Saubere Fingernägel und gut riechen! Wobei der unzweifelhafte Nutzen von Parfum und Rasierwasser im Kern darin begründet ist, dass die menschliche Nase nun mal ein Riech- und kein Denkorgan ist.

       125. Ob eher dem Verstand oder doch lieber dem Gefühl der Vorzug zu geben sei?

      Das kommt immer drauf an, empfehlenswert scheint eine Kombination von beiden. Schließlich würde auch kein vernünftiger Mensch ein Automobil nutzen wollen, das entweder über kein Lenkrad verfügt oder aber dem der Motor fehlt.

      Dass die Gefühle dabei die Nahrungsmittel unserer Seelen sind, kann wohl niemand ernstlich bestreiten wollen. Schließlich verhalten sie sich auch oft ähnlich wie jene: je heißer desto köstlicher und je kühler desto haltbarer.

       126. Worin die Ambivalenz beim Optimismus bestünde?

      Darin, dass er zu selten von der Art von Zuversicht geprägt ist, die, auch wenn morgen die Welt unterginge, heute noch einen Apfelbaum pflanzen würde. Und weil er zugleich viel zu häufig von der Sorte des selbstgefälligen Selbstvertrauens ist, das da behauptet: auch wenn morgen die Welt untergeht, ich werde trotzdem übermorgen noch genauso weitermachen.

       127. Was in jedem Fall für Selbstironie spräche?

      Weil sich selbst zum Gegenstand eines Witzes zu machen, die einfachste und zugleich am wenigsten anmaßende Gelegenheit bietet, der eigenen Person eine gewisse Wichtigkeit zu verleihen.

       128. Angst vor dem Tod ?

      Angst vor dem Tod zu haben ist einerseits überflüssig (denn er kommt ja bestimmt), andererseits ist sie zugleich vergeudete Zeit zum leben. Von daher hat der respektlose und schwarze Humor möglicherweise sogar Recht, wenn er behauptet, dass man vom Tod nicht stirbt – es sei denn, es handelt sich um den eigenen.

      Wem jedoch mit Respekt zu begegnen ist, ist die Art und Weise wie man zu Tode kommen kann, d.h. dem Sterben.

       129. Was den Durchschnittsneurotiker trösten könnte?

      Depressionen sind eine durch und durch traurige Angelegenheit. Narzissmus hingegen bringt wenigstens einige kleine Vorteile mit sich. Schließlich sind Narzissten nicht selten durchaus begabte Liebhaber. Noch öfter allerdings sind sie auch desaströse Partner. Was womöglich daran liegt, dass ihre eingeschränkte Liebesfähigkeit ohne es zu wissen darauf beruht, dass man nur dasjenige wirklich lieben kann, was man für größer hält als sich selbst.

       130. Ob das Leben mehr Ja oder mehr Nein benötige?

      Das kommt darauf an; sich den unangemessenen Wünschen anderer erfolgreich zu widersetzen, d.h. nein sagen zu können, macht äußerlich frei. Sich von den unrealistischen Wünschen an das eigene Leben zu verabschieden, d.h. ja zu sich selbst sagen zu können, ermöglicht erst innere Freiheit. Diese beiden Fähigkeiten sind unverzichtbar für den Seelenfrieden, zudem glücklicherweise in jedem Alter noch erlernbar, jedoch niemals gegenseitig austauschbar. Deshalb macht weder der rücksichtslose Egoismus noch der notorisch einseitige Altruismus den Menschen wirklich glücklich.

       131. Welcher Energiespartipp empfehlenswert sei?

      Nach allem was bislang bekannt ist, scheint die Lebensenergie des Menschen nur begrenzt zu sein. Folglich ist er gut beraten, sparsam mit dieser umzugehen und zu haushalten. Von daher kommt es besonders darauf an, sehr zurückhaltend mit fragwürdiger Moral und Ideologien zu hantieren. Sie verzehren nämlich am meisten unnötig Energien.

       132. Wie man dem Vorwurf der eigenen Widersprüchlichkeit begegnen könne?

      Indem man das Wesen der zu Unrecht stigmatisierten Widersprüchlichkeit und mit ihr das Phänomen aller angeblichen Gegensätze zu einem pathologischen Symptom einer zwanghaft ordnungswütigen, typisch abendländischen Rationalität erklärt, deren größte Angst im Aushalten müssen von begrenzter Erkenntnis besteht.

      Diese Angst lässt sich überwinden, ebenso wie die Scham über die gespürten inneren Ambivalenzen. Sie sind nicht mehr als die sichtbaren Pole eines Ganzen, für dessen vollständige Wahrnehmung der menschliche Intellekt nicht geschaffen ist. Und deshalb vorwärts im Geiste der paradoxen Internationalen: Widersprüche aller Seelen, lasst Euch nicht unterkriegen!

       133. Welche Folgen der Optimismus nach sich ziehen könne?

      Wer von Herzen optimistisch ist und stets an das Gute im Menschen glaubt, der verliert vermutlich etliches an Geld in seinem Leben.

      Allerdings erhält er im Gegenzug auch einiges, wie beispielsweise: den Spott des Zynikers, das Lamento des Schwermütigen, die Vorhaltungen des Besserwissers und nicht zuletzt die heimliche Bewunderung des Humoristen.

       134. Woran sich natürliche (im Gegensatz zur bloß aufgesetzten) Selbstgefälligkeit zeigt?

      Beispielsweise daran, wenn ein in die Jahre gekommener und vom Normalgewicht schon seit längerem entfernt lebender Hose-unter-Bauch-Träger bei unterschwellig anklagenden Blicken auf seine Leibesfülle, diese mit einem in mehr als gelassenem Tonfall vorgetragenen Konter pariert: „ Gucken Sie nicht so – wenn es nach dem Geld ginge, könnte ich mir sogar noch einen zweiten Bauch leisten! “

       135. Was sich bei Narzissmus als wirksam erweisen könne?

      Sich selbst eher zu überschätzen oder gar für ein bislang unentdecktes Genie zu halten, ist völlig normal und etwas (vor allem unter Männern) weit Verbreitetes. Problematisch wird die ganze Sache eigentlich nur dann, wenn die selbst attestierte Grandiosität nicht dazu ausreicht, der Welt und der Menschheit auch nachsehen zu können, dass sie einem bislang die eigentlich zustehende Anerkennung versagt haben.

       136. Wie eine Mahnung an alle selbstgefälligen Erfolgsmenschen hieße?

      Ohne eine gewisse Portion Glück oder Zufall hätte es ehrlicherweise wohl nicht ganz so gut geklappt. Von daher ist diesen Zeitgenossen genau das Maß an Demut zu empfehlen, was den Melancholikern an mehr Selbsterhaltungstrieb gut täte. Deshalb reicht es auch nicht aus, nur zu lieben, dass ein Plan funktioniert. Noch wichtiger erscheint es, ertragen zu können, dass Pläne manchmal auch schief gehen.

       137. Drei freie Wünsche?

      Da die dazugehörige gute Fee bislang nur im Märchen anzutreffen war, gibt es stattdessen lediglich drei unvermeidliche Ratschläge:

      1. Achten Sie wenn irgend möglich stets auf ihre Unabhängigkeit.

      2. Begegnen Sie dieser Welt mit einem gesunden Misstrauen.

      Und das Wichtigste: 3. Lieben Sie trotzdem das Leben - es ist vermutlich ihr einziges