ANDRE AMISIUS

Romantische Realisten & melancholische Millionäre


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mit wem sie überhaupt teilen mögen.

       154. Welche Formen der menschlichen Stärke die beeindruckendsten seien?

      All diejenigen, die es dabei nicht nötig haben, sich als solche in Szene zu setzen.

       155. Ob man auch Erfolg haben könne, wenn man Schwächen zeigte?

      Durchaus; und nicht nur das: mancher hat überhaupt erst dann Erfolg, wenn er Schwächen zeigt, die er in Wahrheit gar nicht hat.

       156. Warum es so schwer fiele, sich zu entschuldigen?

      Mehr als das, es ist zumindest für Sprachsensibele im Grunde völlig unmöglich – denn um Entschuldigung kann man nur bitten!

       157. Ob die Erotik in der zweiten Lebenshälfte zwangsläufig nachließe?

      Überhaupt nicht – sofern man nur bereit ist, den Ort des Geschehens vom Schlafzimmer hauptsächlich in die Küche zu verlagern und dann dort als Stimulus gegebenenfalls ein Kochbuch sowie auf jeden Fall einen Korkenzieher bereithält.

       158. Ob man es immer so nehmen solle, wie es gerade komme?

      Man muss es sogar; zumindest solange, wie man nicht bereit ist, als Alternative den jeweiligen Verzicht zu ertragen. Wer dazu jedoch in der Lage ist, der wird dann womöglich auch erkennen können, dass ein Scheitern des Idealismus keineswegs bereits gleichbedeutend ist mit der Legitimation der Realität.

       159. Ob Agnostiker so etwas wie ein Fundament für ihr Leben vermissten?

      Überhaupt nicht, beziehen sie doch Festigkeit und Ruhe noch am ehesten aus dem Wissen über die Unmöglichkeit von vollkommener Sicherheit oder endgültigen Wahrheiten. Denn schließlich gibt es ohne Frage mehr als 1000 gute Gründe, weshalb ein Mensch glauben kann – aber keinen einzigen, weshalb er es genau deswegen auch müsste!

       160. Wie wichtig es sei, über Kompetenzen zu verfügen?

      Das meiste im Leben – auch wenn man noch so viel Kompetenzsimulation betreibt – ist letztlich vor allem eine Sache der Nerven. Von daher kann man die Bedeutung alles Psychologischen, das heißt das Wissen um das allzu Menschliche, gar nicht hoch genug schätzen.

       161. Weshalb echter Humor niemals albern oder lachhaft sei?

      Gerade weil derart Vieles im Leben so schlecht, so schrecklich und so ungerecht sein kann, muss man dem selteneren Schönen eine besondere Aufmerksamkeit widmen. Das Leben mit humoristischer Gelassenheit zu nehmen, obwohl es so viele Enttäuschungen parat hält, das ist die höchste Form von Lebenskunst und Kultiviertheit.

      Die zwanghafte und oberflächliche Vergnügungssucht dagegen resultiert aus einem naiven und unkritischen Optimismus infolge von Einfältigkeit oder Verdrängung oder einer Mischung aus beidem.

       162. Wie man die meteorologischen Unbilden am ehesten erträgt?

      Eine der banalsten und zugleich hilfreichsten Einsichten für das gelungene Seelenheil besteht darin, sich nicht mit Dingen abzumühen, auf die man keinen Einfluss nehmen kann - Ärgern Sie sich daher weder über das Wetter noch über ihren Partner.

       163. Ein kleiner Trost für Beziehungsgestörte?

      Die Partner kommen, die Partner gehen – Hauptsache die Liebe bleibt.

       164. Was vom Ritus des Fastens zu halten sei?

      Das ist zunächst einmal sicherlich eine persönliche Entscheidung. Allerdings gibt es nicht Wenige, die da sagen, es wäre für die Gesundheit wesentlich zuträglicher, wenn man moderat aber kontinuierlich einigem von dem nachgeht, was insbesondere die römisch-katholischen Moraltheologen so gerne als Sünde einstuften.

       165. Worin die Attraktivität des Buddhismus begründet sei?

      Zum einen der fehlende Oktroi zur gnadenlosen und unerbetenen Nächstenliebe samt kühl kalkuliertem Altruismus, sowie darüber hinaus natürlich die Gelassenheit des heiteren Bauchträgertums. Und am allermeisten wohl die Einsicht, dass man zur Erleuchtung mitunter ein ganzes Leben benötigt.

      Dass der Buddhismus deshalb für die Moderne auch quasi die kompatibelste Religion sei, erscheint dagegen nicht überzeugend. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil es schon längst eine Religion der Moderne gibt: das Wesen der Mülltrennung in Deutschland.

       166. Ob Pflichterfüllung ein Garant für Erfolg sei?

      Durchaus – allerdings nur für diejenigen Menschen, für die Liebe etwas ist, was man zu erledigen hat. Denn wirklichen Erfolg hat man nur, wenn man etwas tut, was man auch liebt. Dementsprechend besteht der größte Erfolg stets darin, dasjenige Leben führen zu können, das man sich zuvor immer schon ersehnt hat.

       167. Was von unterwürfigem Gehorsam zu halten sei?

      Im Grunde rein gar nichts; verursacht er doch für die Seele eines freiheitsliebenden Menschen in erster Linie nur Schmerz und Schmutz – womöglich bezeichnet man ihn deshalb in einer anderen Sprache auch mit dem Wort Kotau?!

       168. Was den Müßiggänger vom gewöhnlichen Faulpelz unterschiede?

      Der Faulpelz tut nichts, weil ihn nichts interessiert. Der Müßiggänger hingegen tut sehr wohl etwas – aber nur, wenn es ihn auch interessiert.

       169. Ob der Vorgang des Schreibens mit erotischer Liebe vergleichbar sei?

      Nicht wenige der schreibenden Zunft bestätigen das nachdrücklich. Wobei der Präzision halber gesagt werden muss, dass der Genuss, den das Schreiben zu vermitteln vermag, vielleicht nicht immer ganz an gewisse erotische Fantasien heranreichen kann – in vielen Fällen jedoch den Genuss der erotischer Realitäten eindeutig übersteigt. Und das nicht nur im Hinblick auf die Zeitdauer des jeweiligen Genusses.

       170. Ob man mit dem Positiven Denken zurückhaltend umgehen solle?

      Ganz im Gegenteil – sobald es Ihnen gelungen ist, das Negative des Lebens zu erkennen und vor allem auch zu akzeptieren, und daran anschließend Dieses angemessen und einigermaßen erfolgreich integriert haben, ja dann können Sie ohne Umschweife damit beginnen.

       171. Was vom Pfadfindermotto der täglichen guten Tat zu halten sei?

      Eine mehr als großartige Lebenseinstellung. Und sei es nur, indem man möglichst viele der Tag für Tag in Erwägung gezogenen bösen Taten letztlich doch unterlässt.

       172. Ob die Letzten wirklich die Ersten sein werden?

      Keine Ahnung, allerdings scheint mir eher, dass die Netten in vielen Fällen die Letzten sind.

       173. Ob Ehen aus unterschiedlichen Kulturkreisen funktionieren könnten?

      Grundsätzlich schon – hingegen völlig aussichtslos sind nur zwei Arten von Verbindungen:

      1 wenn die beiden Partner sehr unterschiedliche Formen des Humors bevorzugen, oder

      2 wenn nur einer der beiden Frühaufsteher ist.

       174. Ob Humor bei einem Mann wirklich wichtiger sei als Schönheit?

      Nun ja, zumindest hat die Gabe des Humors den praktischen Vorteil, dass sie mit zunehmendem Alter nicht unweigerlich schwinden muss.

       175. Ob Himmel und Hölle wirklich so dicht beieinander lägen?

      Natürlich – und am stärksten tun sie das beim Vergleich von Liebespaaren mit gemeinsamen oder getrennten Wohnungen.