Martin Winterle

Brief an Marianne


Скачать книгу

an ihren Fingernägeln kaute, in dieser Optik, an einen, auch nur halbwegs passablen Mann verkuppeln konnte. Ihr fiel ad hoc keiner ein. Ines strahlte ungefähr die Erotik eines russischer Panzerwagen aus. Sowas wie einen modisch versierten Friseur, schien sie nicht zu kennen, Schminke Fremdwort, aber das hatte nichts zu sagen.

      Eva´s einzige Freundin, Marianne schminkte sich grundsätzlich nie, zog bestenfalls mal einen Lidstrich nach, trug dezentes Parfum auf, verwendete farblosen Lippenstift, trotzdem ein Blickfang für die Männerwelt. Aber Ines mit Marianne zu vergleichen, das alleine war schon Frevel.

      Eva sah auf ihre Uhr, ziemlich spät geworden. Ines bedankte sich überschwänglich für die tatkräftige Hilfe, bat Eva, doch einfach wieder herüber zu kommen, wann immer diese Zeit und Lust dazu hätte. Eva meinte, am Freitagabend, heute war Diensttag, solle doch Ines zu ihr kommen, sie würde einen pikanten Salat machen, so gegen 19 Uhr. Ines hatte ja noch keine komplette Küche. Dann könnten sie weiter plaudern, ihre angefangene Unterhaltung fortführen…

      Die aktuelle Frage, zuerst unter die Brause, dann Marianne anrufen, oder umgekehrt. Eva duschte lieber gleich, kurz und bündig, Badezimmer aufwischen schenkte sie sich, abtrocknen auch, Frotteebademantel reicht.

      >Hallo Mädel, was ich heute alles erlebt habe, reicht normalerweise für eine ganze Woche. <

      Begann Eva ihren Bericht des Tages an Marianne. Nach einer Stunde wusste diese, in allen Einzelheiten, was es in Eva´s Nachbarschaft Neues gab. Diese Ines möchte ich auch einmal kennen lernen, meinte Marianne, neugierig geworden. Eva könne sie ja einmal mitschleppen, wenn sie ins Harley Davidson zum – im Trüben fischen – gehen würden. Stereogekicher für mehrere Sekunden, unterbrach die Unterhaltung. Bei Marianne hatte der Tag keine erwähnenswerten Momente gebracht. Ihr Sohn lernt gerade in seinem Zimmer, sie würde fernsehen. Übermorgen würde sie nach Dienst, mit dem Bus zu Eva ins Geschäft fahren, gemeinsam auf einen Drink gehen, Eva sie später nach Hause fahren, normales Donnerstagabend Standartprogramm…

      Freitag pünktlich um 19 Uhr drückte Ines die Glocke zu Eva´s Wohnung, glaubte sie wenigstens. Sie hatte die falsche Klingel erwischt, war bei Eva´s Eltern gelandet. Ihr Vater öffnete, fragte, zu wem sie den wolle. Ines stotterte, mit Eva verabredet zu sein. Der Rechtsanwalt, streckte ihr lachend seine Hand entgegen:

      >Herzlich willkommen, Frau Kollegin, meine Tochter hat mir schon von ihnen, ihrem Zuzug ins Nebenhaus, ihrem Pech mit dem Auto erzählt, herein mit ihnen! <

      Sie drückte dem Hausherrn die Hand, fühlte sich durch seine Anrede, als Kollegin, gleich um einige Zentimeter größer, plötzlich selbstsicherer. Den Weg in den zweiten Stock fand sie alleine. Eva stand in der Küche, zauberte einen kreativen Salat mit Schinkenstreifen, Parmesan, Cocktailtomaten. Garnierte ihn mit Scheiben von hartgekochten Eiern. Würde In wenigen Minuten fertig sein, nur verfeinern möchte sie noch. Ein kleiner Schuss Nussessig fehlte noch. Frisch geschnittenes Schwarzbrot durfte indes Ines auspacken, Besteck aus der Lade und Teller aus der alten, abgelaugten Kredenz holen, auch gleich. Zum Trinken soll sie sich bitte aus dem Kühlschrank nehmen, was sie möchte. Sie, Eva hätte gerne eine Dose Orangeade.

      Ines war begeistert, von den Räumlichkeiten, der Einrichtung und wie Eva ihr Leben gestaltete. Endlich hatte sie jemanden kennen gelernt, dem sie ihre Geschichte erzählen, ihr Leben ausbreiten konnte…

      Nein, Sportlerin sei sie keine, nie gewesen, dafür meditiere sie im Gehen. Wenn es sich einrichten ließ, schlief sie gerne lang, arbeitet dafür halbe und ganze Nächte durch. Ines kann nicht (will nicht, für wen auch?) kochen, ist aber perfekt bei Salzburger Nockerln und ihre Sachertorte 1A. Filme mochte sie grundsätzlich schon, Kino aber eher wie Fernseher. Lieber den Herrn der Ringe zum x-ten Mal, als das Schmalz von Rosamunde Pilcher, fünf Minuten lang. Schaurige Dramen und Filme über Weltuntergang, Geister und Gespenster, Dokus über Übersinnliches, das war Ines´ Welt.

      Bei schwerer Musik wie Wagner´s Lohengrin, Tannhäuser und ähnlich Tragisches entspannte sie bestens (Eva regte sowas auf, regte schon der bloße Gedanke daran auf…).

      Aber etwas Gemeinsames hatten die beiden doch – eine große Affinität für exotischen Tee. Eva hatte schon befürchtet, es könnte gar nichts Normales an dieser Frau geben.

      Zu diesem Thema würden sie sich austauschen können.

      Bis am Samstag, in drei Wochen, würde Ines mit dem Einräumen ihres neuen Heimes fertig sein. Diesen Termin fixierten sie gleich. Eine kleine Einweihungsparty, für sie beide, nichts Besonderes.

      Ein geschmackvolles Stövchen aus dem Dritte-Welt-Laden, verschiedenfarbige, duftende Teelichter, ein Päckchen erstklassigen Tees aus Siam, den Eva für sich, im Sechserpack aus dem Internet geordert hatte. Alles in Cellophan mit einer grünen Riesenmasche versehen, drückte sie Ines, gleich an deren Wohnungstüre in die Hand. Die Gastgeberin hatte, wirklich phantasievoll, eine Unzahl kleiner appetitlicher Brötchen, auf einem runden Tablett aufgetürmt, verschiedenartigste Getränke eingekühlt.

      Erstmal zeigte sie voll Stolz, Eva ihr neues Zuhause. Küche, Schlafzimmer und Bad hatte sie funktionell, ihren Wohnbereich wirklich geschmackvoll, in einem ganz persönlichen Stil eingerichtet. Wenn auch, nach Eva´s Geschmack, eine Anzahl Pölster fehlten. Eine ganze Wand füllten Bücher, hauptsächlich zu zwei Themen. Einmal um Recht und Gesetz von der Antike bis zur aktuellsten Gegenwart. Zum anderen um – Esoterik(Eva jubelte, war auch ihr Thema…), Magie, Zauberei, Tarot, Hexerei. Sogar eine echte Glaskugel, wie sie Wahrsagerinnen verwenden, thronte zwischen einem Wälzer über mittelalterliche Hexenverbrennungen und einem, über unerklärliche Phänomene.

      Zudem verstand Ines sich darauf, die Zukunft ihres Gegenübers, von den Linien der Hand zu lesen (behauptete sie jedenfalls…). Eva, für solche Experimente stets zu haben, ließ sie lesen…

      Aus dieser, für Eva total – schrägen – Begabung, hatte Ines letztlich ihren Spitznahmen – die schräge Ines – erhalten.

      Während Eva jede Leiche im Keller ihrer Mitmenschen aufstöberte, schienen Ines lediglich die Geister, hinter diesen ominösen Leichen, zu interessieren. Das Esoterikthema war es dann auch, das den Großteil zur Abendunterhaltung beisteuerte. Ein bis zweimal im Monat trafen sich die beiden von da an. Abwechselnd bei Ines, dann wieder in Eva´s verstreutem Reich, in dem sich Ines rasch pudelwohl gefühlt hatte.

      Optisch waren die beiden noch unterschiedlicher, als Eva und ihrer Freundin Marianne. Eva überkam Mitleid mit Ines. Schleppte sie zu ihrem Friseur mit. Der schlug imaginär, die Hände über dem Kopf zusammen, als er sie das erste Mal zu Gesicht bekam. Seither richtete sie ihre Friseurtermine, nach denen von Eva aus(leider…). Das Resultat konnte sich echt sehen lassen. Ines erkannte sich im Spiegel selbst kaum wieder. Ihre neueste Errungenschaft, einen Schminkkoffer, wenn auch mit bescheidenem Inhalt, hatte Ines ihr beim letzten Besuch voll Stolz vorgeführt.

      Während Eva in ihrem Geschäft gerade echt duftige Stücke der aktuellen Sommermode einräumte, kam ihr die Idee, Ines Nachhilfe in – was steht mir – zu geben. Genaugenommen, war es Mariannes Intuition gewesen. Eva hatte sich bei ihr, über die unmöglichen Fetzen, mit denen Ines herumlief, bereits mehrmals ausgelassen.

      >Was ist denn dabei, wenn du dir einmal ein paar Stunden Zeit nimmst, dem armen Hascherl einen Schubs, in Sachen Mode erteilst. Vielleicht findet sie dann sogar einen Haberer. Mit der Frisur hast du ja auch einen umwerfenden Erfolg eingefahren. <

      Dieser, Mariannes Einfall wurde prompt umgesetzt. Eva nützte die Gelegenheit, um Marianne endlich ihre Nachbarin vorzustellen, von der sie ihr schon so viel Exotisches erzählt hatte. Ines war von Mariannes warmherziger Ausstrahlung sehr angetan. Marianne fand Ines auch sympathisch, sehr sympathisch sogar. Tat ihr aber irgendwie leid, wieso genau, konnte sie selbst nicht sagen, empfand einfach so.

      In den drei überquellenden Plastiksäcken, die Ines an diesem Abend aus ihrem alten Polo angelte, war vom Slip aufwärts, alles enthalten, das selbst gute Bekannte an ihr vorüber gegangen wäre, ohne sie zu erkennen. Es war in erster Linie Mariannes Geschmack, der Ines sosehr zugesagt hatte, dass sich ihr Modebewusstsein um 180 Grad gedreht hatte. Eva´s Outfit war für Ines einfach zu schrill. Mariannes fraulich, sportiver Stil dagegen, entsprach ihr. Warum war sie selber nie