Martin Winterle

Brief an Marianne


Скачать книгу

Ines für Eva eine liebe Bekannte, gute Nachbarin war, hatte Eva umgekehrt den Status der besten(weil einzigen…) Freundin erlangt. Ob letztere darüber nun glücklich sein sollte, oder es an der Zeit sei, die Distanz zwischen ihnen, wenigstens um ein kleines Stück, zu vergrößern, zu normalisieren, beschäftigte Eva´s graue Zellen des öfteren. Zuviel Ines konnte für sie richtiggehend nerv tötend sein. Zeitweise hängte sie sich nämlich an sie, wie ein kleines Kind an seine Mama. Eva wollte Ines nicht verletzen, sie mochte Ines ja auch, hätte nur nicht gerne die Mamarolle…

      Auf die Idee, wenn es sich nicht vermeiden ließ, eben zwangsweise Single zu bleiben, hatte sie Max Raabe´s Song „Küssen kann man nicht allein.“ gebracht. Gut, dann wird sie eben auf das Knutschen pfeifen. Den Rest erledigt ein, passend geformter Kunststoffteil, mit zwei 1,5 Volt Batterien ebenso!

      Manchmal durfte Ines nun mit den beiden Freundinnen losziehen. Sie ist keine Spaßbremse, dazu gutmütig, hilfsbereit, freigiebig, aber zeitweise ziemlich nahe am Wasser gebaut.

      Auch im Harley Davidson zum – im Trüber fischen – gelegentlich, mit von der Partie. Für Eva zum Testen, ob Ines, dank neuem Styling, vermittelbar wäre, oder nicht.

      Und ob sie wäre, ganz leicht sogar – sie wollte nur nicht, fand bislang nichts zum Anbeißen!

      Ines konnte ein wirklich unterhaltsames Gegenüber sein, wenn sie endlich einmal auftaute. Letzte Saison war sie als „Cheerleader Nummer drei“, mit Marianne und Eva, regelmäßig bei den Handball Heimspielen von Mariannes Sohn mitgewesen, hatte ihr enormen Spaß gemacht.

      Natürlich hatte Ines, Marianne aus deren Hand gelesen(machte sie bei Eva ja auch, gelegentlich…), ihre Zukunft deuten wollen.

      Längere Zeit hielt sie Mariannes Hand in der ihren, drehte sie hin und her. Sie würde eine Beziehung haben, die ihr viel bedeuten wird. Dem Mann wird sie bald begegnen, aber nicht hier, weit weg müsse es sein. Ines wollte noch etwas sagen, schwieg aber abrupt, redete den bereits angefangenen Satz nicht weiter. Sagte nichts mehr. Hatte etwas gesehen, was sie lieber für sich behielt. Das war sogar Eva aufgefallen, sie hatte Ines´ Mienenspiel genau beobachtet.

      Mit einer gekünstelten Bemerkung, es sei ja ohnehin nur eine Spinnerei von ihr, nicht ernst zu nehmen, müsse ja nicht zutreffen, stand sie auf, um rasch die Toilette aufzusuchen.

      Als sie zurückkam, wirkte sie irgendwie, auf eine unerklärliche Weise, erschöpft.

      Sie schenkte Marianne einen warmen Blick, sagte, leicht vibrierend, irgendwie gepresst:

      >Später, viel später, wann sah ich nicht genau, wird es noch einmal einen Mann in deinem Leben geben. Seine Liebe wird dir mehr bedeuten, als alles, was vorher war, und dazwischen noch kommt. So, nun aber Schluss mit dem Blödsinn, alles nur Schmarrn, Marianne! <

      Mit einem, nicht aufrichtigen, künstlich aufgesetztem Lachen, hatte sich Ines resolut umgedreht, dem Kellner gewunken und noch dreimal Dasselbe bestellt.

      Das war vor zwei Monaten gewesen…

      Rote Rosen

      Von der schrägen Ines hatte sie, bereits gestern am frühen Morgen, ein herzliches Mail bekommen! Auf grünem Untergrund zahllose, hellviolette Veilchen, Marianne, sehr persönliche Geburtstagsgrüße gesandt. Zwar einen Tag zu früh, für Ines ganz normal, lieber zu früh als darauf vergessen. Auch sonst war der gestrige Montag, ein wenig anders verlaufen, als die letzten Montage. Die Aktie – Montag - hatte nämlich zugelegt, ganz gewaltig an Wert gewonnen. Der große Verlierer bei Mariannes Wertigkeiten, war der – Mittwoch - geworden.

      Natürlich musste sie den Kolleginnen im Büro ihr Hamburger Wochenende erzählen, ausführlich schildern, schwärmte auch richtiggehend davon. Nicht gerade profitiert hatte ihr Italienischseminar, von den letzten, so ereignisreichen Tagen. Der abendliche Kursbesuch hatte sich, drei Stunden lang, einen halbwegs gangbaren Weg, zwischen körperlicher Anwesenheit und geistiger Abwesenheit gesucht…

      Ab heute war sie also Vierzig.

      Ihr Großer hatte ihr beim Frühstück bereits gratuliert, gemeint, dass er sich schon auf den heutigen Abend freut. Mit seiner „Mutsch“ beim Griechen zu feiern. Mutter und Schwester hatten ihr bereits den Morgenkaffee versüßt. Mona und einige andere Internetbekannte ebenfalls Glückwunschmails geschickt.

      Für´s Büro, wollte sie eine kleine Jause spendieren. Da bei ihren Kolleginnen Süßes besser ankam, als Leberkäse oder ähnlich Deftiges, hatte sie gegen zehn Uhr, beim Bäcker um die Ecke ein Sortiment diverser, verführerischer Kalorienbomber geholt, dazu frischen Kaffee aufgebrüht, war kein großer Aufwand gewesen. Sollte ja auch nur ein kleines Zeichen sein, nicht mehr und nicht weniger. Pünktlich, knapp vor acht Uhr war sie ins Büro gekommen. Der tägliche Ablauf nicht anders, als an jedem anderen Vormittag, den sie im Büro verbrachte.

      Bis um etwas nach zwölf. Vollkommen unbemerkt, stand plötzlich Horst mit einem Strauß, roter Rosen vor ihr.

      >Marianne, du hast heute Geburtstag. Ich wünsche dir alles, alles erdenklich Liebe! <

      Mit diesen Worten hielt er ihr den wirklich schönen Blumengruß entgegen. Sichtlich erregt, mit schwankender Stimme noch hinzu gesetzt:

      >Bitte verzeih mir, wenn es dir irgendwie möglich ist. Ich liebe dich wirklich über alles! <

      Bevor sie reagieren, irgendetwas hervorbringen konnte, hatte er sich bereits umgedreht, die Türe hinter sich ins Schloss gezogen. War so überraschend wie er gekommen war, ebenso rasch auch wieder verschwunden. Sie stand da wie angewachsen, seine Rosen in den Händen haltend. Nur mit Mühe gelang es ihr, ihre Gefühle von tiefer, trauriger Sehnsucht, bis zu ehrlichem Zorn, wie er es nur wagen konnte, einfach hier bei ihr, in ihrem Büro aufzukreuzen, einigermaßen in Schach zu halten.

      Die Blumen konnten nichts für die Scheißsituation, Marianne bückte sich um eine Vase aus ihrem Aktenschrank, holte frisches Wasser, ordnete die Gebinde neu und stellte sie auf das Fenstersims. Nicht direkt vor ihren Augen, da hätte sie die Rosen nicht ertragen können. Auf dem Fensterbrett, links von ihr, konnte sie hinschauen, wann immer sie wollte.

      Den kleinen Zettel, der zwischen den Blüten zum Vorschein gekommen war, hatte sie in ihre Schublade gelegt, in die oberste, ganz rechts.

      „Geliebte Marianne, bitte gib mir noch einmal die Möglichkeit, mit Dir zu reden. Ich liebe Dich über alles, Dein Horst.“

      Mehr war auf dem kleinen Stück Papier nicht gestanden, aber es hatte genügt, ihr inneres Gleichgewicht vollkommen durcheinander zu bringen. Auch wenn sie das Telefon läuten ließ, wenn er anrief, seine Mails und SMS in den Müll verdonnerte, ihr Herz konnte sie sich nicht aus dem Leib reißen, leider…

      Rasch tippte sie zwei kurze Briefe für den Seniorchef. Er hatte sie ihr auf sein Diktiergerät gesprochen. Ging gleich damit in sein Büro hinüber, ließ ihn unterschreiben, brachte sie zum Postausgang. Er hatte ihren Geburtstag auch in diesem Jahr nicht vergessen. Gratulierte ihr mit der größten Bonboniere, die er bei einem Nobelkonditor auftreiben konnte. Bei welchem wusste sie genau, da ihr Chef dort regelmäßig, auf eine Melange und ein Linzer Stangl vorbeischaute. Wann immer, er in der Altstadt unterwegs war.

      Anschließend sputete sie zum Bäcker, um das Sortiment Schlemmereien zu holen. Mit der kleinen Feier, war der restliche Vormittag ausgefüllt.

      >Was meinst du, wie ich geschaut hab, wie er plötzlich, mit einem Rosenstrauß, mitten im Büro stand. <

      Mit diesen Worten begann Marianne ihr Telefonat mit ihrer Freundin. Beschrieb ihre Gefühle seitdem sie den Rosenstrauß überreicht bekam. Die messerscharfe Trennlinie zwischen Glück und Elend in ihrer Seele. Eines tat genau so weh, wie das andere. Warum wollte, konnte er nicht akzeptieren, dass ihre Beziehung Geschichte war?

      Es ein Da capo nicht geben würde, nicht geben dürfte.

      Sie ganz bestimmt, nie einen Anfang gehabt hätte, wäre ihr bewusst gewesen, dass er verheiratet ist, zwei kleine Kinder hatte.

      Eva