Robin Kerr

Die Mangrovenblüte


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Gewissheit

      Marcia hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen.

      Die Enge des Raumes schien sie zu erdrücken. Und das Bett erinnerte sie an die Tage, die sie in der Botschaft verbracht hatten.

      Alle möglichen und unmöglichen Gedanken rasten durch ihren Kopf.

      Gestern hatte sie von Jims Überraschung erfahren.

      Erst da war ihr klar geworden, warum er sie so tollpatschig gefragt hatte, ob sie ihn vielleicht irgendwann heiraten würde. Auch verstand sie, warum der Flugzeugträger mit so vielen Blumen geschmückt war und die Mannschaft Paradeuniformen getragen hat.

      Jetzt jedoch hielt sie nur diese Ringe in den Händen, die ihre Bestimmung niemals finden würden.

      Als es an ihrer Türe klopfte, wurde Marcia aus ihren Gedanken gerissen.

      Der Doc stand draußen und wünschte ihr einen guten Morgen. Er fragte, ob sie gut geschlafen habe.

      Marcia bedankte sich mit einem Achselzucken.

      »Die Versorgungsmaschine«, begann er zu erklären, »die im Übrigen auch den Schwangerschaftstest gebracht hat, wird in einigen Minuten wieder starten. Sie wird Lieutenant Landons Leichnam an Land bringen.

       Ich dachte, Sie möchten vielleicht Abschied nehmen.«

      Marcia nickte.

      »Ja, danke. Ich habe da noch eine Bitte Doc. Hängen Sie diese beiden Ringe an ein Kettchen und legen Sie es Jim um den Hals. Ich möchte, dass er sie behält und sie bei ihm bleiben.«

      »Wenn das Ihr Wunsch ist, mache ich das gerne für Sie. Möchten Sie nicht einen davon behalten?«

      Marcia schüttelte ablehnend den Kopf.

      »Ich weiß genau, der Tag wird kommen, an dem er mir diesen Ring anstecken wird. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber bis dahin soll er es sein, der auf sie acht gibt.«

      Dan lächelte berührt.

      »Aber natürlich! Ich werde Sie von einem Sanitäter abholen lassen, der Sie zum Flugdeck begleitet. Ich erledige das in der Zwischenzeit«, nahm die Ringe und ging.

      Robert T. Jackson, Jonathan Cunnings und der Doc standen an der Maschine und gaben ihrem Kameraden ein letztes Lebewohl.

      Als die Bahre mit dem Sack in dem Jims Leiche lag, an Bord des Flugzeuges gehoben wurde, berührte Marcia jene Stelle, an der sich Jims Hand durch den Stoff abzeichnete.

      Und bei Marcia verhielt es sich so, während die Alte ins Flugzeug stieg, um mit Jim zu gehen, blieb eine neue Marcia zurück.

      Die Soldaten salutierten, während die Maschine beschleunigte und abhob.

      Doch dann saß sie wieder am Bettrand und weinte. Oft aus Trauer und Schmerz. Dann wieder aus Hilflosigkeit und Angst vor der Zukunft.

      Es war ihr schon klar, dass die Männer ihr helfen würden, wo sie konnten.

      Aber letzten Endes war jetzt alles anders geworden. Sie fühlte sich alleine und hilflos. Eine tiefe Leere machte sich in ihr breit.

      Erst als in den späten Vormittagsstunden, ein Sanitäter an ihre Türe klopfte, um ihr mitzuteilen, dass der Arzt nach ihr verlange, erwachte sie wieder ein wenig aus ihrer Lethargie.

       Einige Minuten später war wieder alles anders als kurz zuvor. Denn als ihr der Arzt mitteilte, dass der Test positiv war, wusste Marcia, dass sie ein Kind von Jim in sich trug.

      All diese Gefühle überwältigten sie sosehr. So saß Marcia stumm und regungslos in der Krankenstation und ihr Blick hatte sich starr an die Wand geheftet.

      »Ich weiß, es ist eine schwere Zeit für Sie Marcia«, unterbrach der Doc die Stille.

      Nicht zuletzt gab er diese Worte von sich, weil er mit ihrer Verhaltensweise nichts anzufangen wusste.

      »Aber eigentlich«, so fuhr er fort, »sollten Sie sich doch über diese Nachricht freuen!«

      Marcia richtete ihren Blick auf den Doc.

      »Freuen, ja wenn jetzt der Vater des Kindes an meiner Seite wäre und wir drei in eine gemeinsame Zukunft gehen könnten. Nichts Schöneres könnte ich mir wünschen.«

      Da legte sie ihre Hand zärtlich auf ihren Bauch und fügte hinzu:

       »Aber so wird dieses Kind von einer papierlosen einsamen Kubanerin, vom ersten Tage an ein Bastard sein. Nun sagen Sie mir, wie soll ich mich freuen?«

      Da nahm sich Dan einen Stuhl, setzte sich an ihre Seite und legte ihre Hände in die Seinen.

       »Wissen Sie Marcia, ich habe in der vergangenen Nacht genau über dieses Szenarium nachgedacht.

      Ich wusste, dass wenn Sie wieder ihre alte Geisteskraft besitzen, früher oder später über diese Problematik nachdenken würden.

      Aber Sie sind eben viel zu intelligent, als das Sie mehrere Tage benötigen, um sich damit auseinanderzusetzen.

      Ich glaube aber eine Möglichkeit gefunden zu haben, wie Sie sich und Ihr Kind in Geborgenheit bringen können.

      Ich rate Ihnen, alle Pläne in die USA zu gehen zu verwerfen. Denn in Ihrer Situation besteht die Gefahr, dass all Ihre Ängste dort wahr werden, viel zu groß.

       Aber Sie haben doch von diesem österreichischen Diplomaten erzählt.

      So wie es aussieht, steht Ihre Schwangerschaft in den ersten Tagen. Und soweit ich informiert bin, ist der Vater des Kindes ein Weißer.

      Also ... ich meine ... verstehen Sie mich nicht falsch, aber, wenn Sie sich beeilen könnten, nach Österreich zu kommen und Sie so rasch wie möglich das Bett mit ihm teilen würden ...«

      Marcia sah ihn mit großen Augen entgeistert an.

      Da sprang der Arzt vom Stuhl, rannte nervös im Raum auf und ab und fuchtelte mit den Händen wild gestikulierend herum.

      »Ich weiß, Ihnen muss sich der Magen umdrehen bei dem Gedanken daran, dass ...

      Ich dürfte Ihnen einen solchen Vorschlag auch nicht unterbreiten.

      Von der Moral, die dahintersteht, ganz zu schweigen. Doch als Arzt liegt mein ganzes Interesse am Wohl des Kindes und der Mutter!

       Wer dann halt meint der Vater eines Kindes, dass einige Tage zu früh auf die Welt gekommen ist zu sein, ist für mich persönlich das kleinere Übel. Hauptsache ist doch, wenn alle wohlauf sind.«

      »Ich habe diesen Mann kennengelernt«, unterbrach ihn Marcia mit aufgeregter Stimme.

      »Er ist ein guter Mensch und es wäre das größte Unrecht ihn zu belügen und so hinters Licht zu führen! Ich bin für so etwas nicht geschaffen. Nein, ich kann das nicht.«

      »Ja, ja ich weiß das Ihnen solche Charakterzüge fremd sind. Aber versuchen Sie das Ganze emotionslos durchzudenken.

      Sie können den einfachen Weg wählen und in die USA in eine mehr als ungewisse Zukunft gehen. Oder Sie wählen den für Sie schwereren Weg. Einen Weg, der Sie sehr viel Überwindung und Kraft kosten wird.

      Vergessen Sie dabei aber nicht, Sie müssen Ihre Entscheidung eines Tages vor Ihrem Kind verantworten.

      Wenn Sie aber jetzt einen kühlen Kopf behalten, können Sie in ein paar Tagen alles hinter sich haben. Sie sind doch eine kluge Frau Marcia. Und Sie wissen auch das Sie im Grunde genommen gar keine Wahl haben.

       Entscheiden Sie sich rasch und springen Sie einmal im Leben über Ihren Schatten, dann können Sie mit Ihrem Kind in eine sichere Zukunft gehen.

       Möglicherweise werden Sie nie wieder in Ihrem Leben so eine Chance haben.

       Nutzen Sie sie. Ich rate Ihnen, nutzen Sie sie!«

      Keine fünf Minuten später stand Marcia in Begleitung des Docs vor Robert T. Jackson, um ihm mitzuteilen, dass Marcia sich nun doch entschlossen hatte, nach Österreich zu gehen.

      »Es