N.K. Wulf

Spur der Vergangenheit


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ihr sagte ihr, dass sie auf dem richtigen Weg war, ihn zu erreichen.

      „Nik, ich versteh es nur nicht. Du und Claudia, ihr wirktet schon lange nicht mehr wie ein glückliches Paar. Es schien dir bis vor Kurzem noch nicht einmal etwas auszumachen, dass sie sich eine eigene Wohnung genommen hat. Was hat sich verändert?“

      Er schloss die Augen und ließ den Kopf nach vorne fallen.

      „Du gibst nicht auf, oder?“

      „Nein.“

      „Na schön. Es stimmt. Viel Gemeinsames hat uns wirklich nicht mehr miteinander verbunden. Aber es stimmt nicht, dass es mir nichts ausgemacht hat, als sie fortgegangen ist. Ich habe es nur irgendwie ... na ja … einfach hingenommen und mir höchstwahrscheinlich auch selber etwas vorgemacht. Letzte Woche wurde mir die Stille im Haus dann einfach zu viel. Ich hatte das Gefühl, vor Einsamkeit zu ersticken. Stundenlang habe ich auf den Sandsack eingeschlagen, aber es half nicht. Dann beschloss ich, mich ins Auto zu setzen und zu ihr zu fahren. Ich wollte einfach mal wieder vernünftig mit ihr reden. Sie bitten, wieder nach Hause zu kommen. Job hin oder her.“ Mühsam öffnete er seine Augen und blickte gequält auf sein Bier.

      „Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung hatte ich mir genau zurechtgelegt, was ich ihr alles sagen wollte. Alles, was ich ihr schon viel früher hätte sagen sollen. Verdammt, ich habe einen Großteil meines Lebens mit dieser Frau verbracht. Das wollte ich nicht einfach so wegwerfen.“

      „Verständlich. Euch nur noch getrennt zu sehen, ist auch für mich ein komisches Gefühl. Aber es geht dir schon einige Zeit sehr schlecht. Du weißt doch, dass du auch mal zu mir hättest kommen können?“

      „Um genau was zu tun? Dir mit meinem Gejammer die Abende zu verderben?“

      „Ich dachte, genau dafür ist Familie da“, gab sie kleinlaut zurück und schaute verstohlen zu Boden. Nik seufzte und zog sie unvermittelt in seine Arme.

      „Bitte, Chris. So war das nicht gemeint. Es ist nur ...“, er drückte sie noch etwas fester an sich, „ich kann mich im Augenblick selber nicht leiden. Das hast du selber gerade gesagt. Ich will meinem Umfeld nicht noch mehr auf den Geist gehen, als ich es ohnehin schon tue.“

      Sie löste sich ein wenig und ihre Miene wurde eine Spur sanfter. „Wer, wenn nicht ich sollte das besser nachvollziehen können.“ „Ich gehe meinem Umfeld schon viel länger auf die Nerven.“

      „Meine Kleine. Was soll ich nur mit dir machen?“

      „Ich hatte dich unterbrochen.“ Sie ließ sich fallen und zog Nik mit sich. Nun saßen beide im Schneidersitz auf dem Rasen. „Erzähl mir, was dann passiert ist.“

      „Ich rief sie von unterwegs an, aber sie war nicht zu Hause. Also entschied ich, einfach vor dem Haus im Auto auf sie zu warten.“

      Wieder machte er eine Pause und trank einen Schluck.

      „Ich habe über eine Stunde gewartet, wollte schon wieder nach Hause. Dann tauchte sie auf. Diesen Typen im Schlepptau. Sie lachten, wirkten sehr vertraut miteinander und ich dachte, jemand reißt mir den Boden unter den Füßen weg. Ich konnte den Anblick kaum ertragen.“

      „Aber das allein muss noch lange nichts zu bedeuten haben.“ Chris legte den Kopf schief. „Oder doch? Das war noch nicht alles, stimmt‘s?“

      Er zuckte mit den Achseln. „Nein, im Großen und Ganzen war‘s das. Nur eine Sache will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.“ Er trank einen weiteren Schluck und spürte, wie sie ihn weiter beobachtete.

      „Er hat mich gesehen. Claudias Begleitung, meine ich. Hat mich direkt angeschaut, mich provokativ angegrient und mir zugenickt. Er wusste ganz genau, wer ich bin, und in diesem Moment hab ich begriffen, dass ich verloren habe.“

      „Und du bist ausgestiegen und ihr habt euch wieder gestritten.“

      „Nein. Dazu kam es gar nicht. Hab Gas gegeben und einen Teil meiner Reifen auf dem Asphalt gelassen. Höchstwahrscheinlich muss ich die beiden ganz schön erschreckt haben. Ich vermute, Claudia hat mein Kennzeichen gesehen und eins und eins zusammengezählt. Am nächsten Tag hat sie mich angerufen und mir die Hölle heißgemacht. Sie warf mir vor, ich würde ihr hinterherspionieren und ihr kaum Luft zum Atmen geben.“

      „Und du glaubst, dass sie damit recht hat?“

      „Nein, es war nur ein dummer Zufall. Ich denke, sie fühlte sich einfach nur ertappt. Anfang der Woche kam sie dann plötzlich zu mir und die Auseinandersetzung ging in Runde zwei. Das war der Streit, den Anni mitbekommen hat.“

      „Hast du sie auf den Typen angesprochen?“

      „Natürlich. Angeblich nur ein guter Bekannter, mit dem sie was trinken war.“

      „Aber das glaubst du nicht?“

      „Nein, Chris. Ich bin nicht naiv. Die Botschaft war unmissverständlich.“

      „Und dennoch, Nik. Du kannst dir da nicht sicher sein. Versteh mich nicht falsch. Ich will sie keineswegs in Schutz nehmen, aber du solltest ihr noch eine Chance geben. Sprecht miteinander, am besten auf neutralem Gebiet. Ruf sie an und lad sie zu eurem Lieblings-Italiener ein.“ Sie gab ihm kurz Zeit, darüber nachzudenken. „Weißt du, ich hatte nie wirklich diese Beziehung zu ihr, wie wir beide sie haben. Aber trotzdem ist Claudia auch Bestandteil meines Lebens. Ergo habe ich auch ihr zu verdanken, dass aus mir ein normaler Mensch geworden ist.“ „Mehr oder weniger.“ „Ruf sie an, Nik.“

      „Das ist nicht nötig. Claudia kommt später noch vorbei … Dann sehen wir weiter.“ Wieder wandte er sich hilfesuchend zu ihr um. „Bitte, Chris, lass es gut sein. Wenigstens für die nächsten Stunden. Ich muss mal eine Pause einlegen.“

      „Also schön.“ Sie legte eine Hand auf seiner Schulter ab. „Danke, dass du dich mir anvertraut hast“, sagte sie nun sichtlich entspannter und lehnte ihren Kopf an seinen Oberarm. Nik drückte ihr einen innigen Kuss auf den Scheitel.

      „Ich danke dir, dass du mich dazu genötigt hast.“

      „Gern geschehen. Nur eins noch.“

      „Mhhh?“

      „Glaub ja nicht, dass unser Gespräch damit schon beendet ist. Du bekommst nur ein bisschen Zeit zum Verschnaufen, verstanden?“

      „Verstanden. Und jetzt lass uns dafür sorgen, dass wir gleich etwas Essbares auf die Teller bekommen.“ Er erhob sich und zog Chris mit sich auf die Beine.

      „Ich helf dir, warte.“ Chris schlenderte zurück zum Terrassentisch und griff nach dem Servierteller, als sie hinter sich Annis Stimme hörte.

      „Die Party kann losgehen! Sind die ersten Würstchen schon fertig? Ich habe einen Bärenhunger.“

      „Oh, mal was ganz Neues“, antwortete Chris, schaute über ihre Schulter und sah, dass sich auch Patrick und Julia dazugesellt hatten.

      „Hey, regelmäßige Mahlzeiten sind sehr wichtig.“

      „Wo sie recht hat …“, pflichtete Nik ihr bei. Er hielt seine flache Hand über den Grillrost, um die Hitze der Kohlen besser einschätzen zu können.

      „Ich denke, wir können was drauflegen. Chris, bring bitte noch die Zange mit.“

      Er richtete sich auf und sah überrascht, dass sie bereits wieder vor ihm stand. Allerdings hatte sie keine Zange in der Hand, sondern hielt ihm eine gelbe Geschenkbox mit einer schwarzen Schleife darauf hin.

      „Was ist das?“

      „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir deinen Geburtstag einfach so übergehen würden, oder?“, scherzte Patrick. „Wir wollten es dir eigentlich schon am Mittwoch geben, aber wir dachten, der Zeitpunkt wäre heute passender. Also, pack schon aus.“

      Erstaunt nahm er das Geschenk entgegen, blickte aber etwas unsicher in die Runde.

      „Während Sie auspacken, leg ich schon mal was auf den Grill, ja?“ Anni griff bereits nach dem ersten Stück Fleisch, wurde