Claudia A. Wieland

Für immer Rosa


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Fahrertür ihres eisblauen Peugeot-Cabriolets und beobachtete das fröhlich lachende und schwatzende Filmteam, zu dem sich jetzt ein paar Sicherheitsleute gesellt hatten.

      Um einen Massenauflauf von Toms Fans zu verhindern, sollte so lange wie möglich geheim gehalten werden, dass die Dreharbeiten zu seinem neuen Film bereits begonnen hatten. Offiziell war er gerade im Urlaub auf den Malediven, wo er erst kürzlich von Paparazzi aus der Ferne gesichtet und fotografiert worden war. Wen Toms Management als Doppelgänger auserkoren hatte, entzog sich allerdings Rosas Kenntnis.

      Von Touristen drohte am Drehort keine Gefahr, denn in diesen Teil Frankreichs verliefen sich im April nur einige wenige Bretagneliebhaber, deren Erscheinen in einer abgelegenen Bucht eher unwahrscheinlich war. Und die Einheimischen, durchweg sehr bodenständige, fleißige und sehr einfach lebende Menschen, hatten andere Sorgen, als das merkwürdige Treiben eines verrückten amerikanischen Filmteams an einem zugigen Strand zu beobachten. Trotzdem hatte man sicherheitshalber ein paar Security-Leute eingesetzt, um die Gegend zu beobachten. Rosa hatte deren Anwesenheit während des Drehens gar nicht bemerkt.

      Als Tom wieder auftauchte, trug er statt der Sweatjacke eine schwarze Lederjacke, darunter ein kariertes Hemd über einem grauen T-Shirt. Die olivgrüne Hose hatte er gegen blaue Jeans eingetauscht. An den Füßen trug er immer noch Sneaker.

      »Hätten Sie was dagegen, wenn ich bei Ihnen mitfahre?«, fragte er mit einem Grinsen.

      »Nein, natürlich nicht«, antwortete Rosa eine Spur zu hastig, fügte dann aber hinzu, um den ersten Eindruck abzumildern: »Dann kann ich Ihnen ein bisschen über die Bretagne erzählen. Wenn Sie möchten.«

      »Okay, dann lassen Sie uns fahren! Die anderen kommen nach.« Er rief Hank noch ein paar Worte zu. Dann stiegen sie ein und Rosa steckte den Zündschlüssel ins Schloss.

      »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das Verdeck öffne? Oder lieber nicht?«, fragte Rosa unsicher. Tom hatte sicher kein Interesse daran, gleich schon am ersten Drehtag zufällig erkannt zu werden.

      »Ich bitte darum«, erwiderte er und ein leichtes Schmunzeln umspielte seinen Mund.

      Sie war ja auch zu blöd, dachte sich Rosa. Wer erwartete denn schon, den Megastar Tom Savage in einem französischen Mittelklasse-Auto zu entdecken, das vollkommen unauffällig über eine Landstraße in der Nordbretagne kurvte. Sie drückte entschlossen auf einen Schalter. Während sich das Verdeck öffnete, zog sie ihr Flatcap tiefer in die Stirn. Dann setzte sie ihre Sonnenbrille auf und schaute auf Tom.

      Er hatte sich lässig in den Beifahrersitz hineingelümmelt, den rechten Arm auf der Beifahrertür, die linke Hand auf ihrer Rückenlehne, die Ray Ban-Sonnenbrille auf der Nase. Er grinste ziemlich unverschämt.

      »Hey, schickes Auto«, stellte er lakonisch fest.

      »Danke! Freut mich, dass es Ihnen zusagt«, antwortete sie leicht amüsiert.

      »Keine Automatik?«

      »Nein, ich fahre nur mit Schaltung.« Sie hatte keine große Lust auf Erklärungen zu ihren Fahrkünsten.

      »Cool!«, stieß er hervor.

      Von wegen COOL! Sie konnte nicht einmal mit Automatik umgehen.

      »Möchten SIE vielleicht fahren?«, fragte sie ermunternd.

      »Nee, nee, bin der schlechteste Autofahrer auf der Welt.« Er machte ein abwehrendes, leicht genervtes Gesicht.

      »Na, dann lieber nicht. Los geht’s!« Das konnte ja eine richtig unterhaltsame Fahrt werden! Rosa legte den Rückwärtsgang ein, wendete den Wagen und steuerte ihn dann vom Parkplatz auf die Landstraße. »Möchten Sie Musik hören?«

      »Okay. Was haben Sie denn so da?« Ehe Rosa reagieren konnte, hatte er schon den Knopf des CD-Players gedrückt. Eine Frauenstimme ertönte. »Coole Musik!«, war sein knapper Kommentar.

      Na klar, dachte Rosa. Coole Musik war für einen jungen Mann wie ihn sicher was ganz anderes. Techno. Hip-Hop. R&B meinetwegen.

      Plötzlich richtete Tom sich auf, beugte sich ein wenig vor und lauschte aufmerksam dem Lied.

      Wenn er jetzt noch einmal COOL sagte, dann schmiss sie ihn aus dem Auto, dachte Rosa grimmig. Er benahm sich auf einmal, als könne er nicht bis Drei zählen.

      Stattdessen änderte sich Toms ganze Haltung. Wirkte er vorher träge und gelangweilt, war er plötzlich hellwach und überaus interessiert. »Das ist doch Melody Gardot. Das ist wirklich gut. Ich meine, es ist so old-fashioned. Es ist …«

      Rosa hielt in Erwartung des C-Wortes für den Bruchteil einer Sekunde den Atem an.

      »gefühlvoll und wunderschön«, vollendete er den Satz.

      »Schön, dass es Ihnen gefällt. Ich liebe dieses Album. Das, was sie gerade singt, ist übrigens mein Lieblingslied.«

      »Das ist wunderbar heiter! Wie der heutige Frühlingstag«, sagte Tom mit einem scheuen Lächeln. »Ich verstehe, dass Sie dieses Lied mögen.« Dann schwieg er und lauschte aufmerksam.

       If the stars were mine

       I’d tell you what I’d do

       I’d put the stars right in a jar

       And give ’em all to you.

      Erst als auch der Nachhall des letzten Akkords verklungen war, begann Tom wieder zu sprechen. »Mögen Sie Jazzmusik im Allgemeinen?«

      »Sehr!«, antwortete Rosa. »Für mich ist Jazz neben klassischer Klaviermusik von Bach, Chopin oder den Impressionisten die schönste Musik, die ich kenne. So ausdrucksvoll und vor allem sinnlich.«

      »Gibt es da einen bestimmten Musiker, den Sie bevorzugen?« Tom wollte es ganz genau wissen.

      »Bill Evans! Er war ein Magier am Klavier und machte einfach überirdisch schöne Musik. Ich liebe seine Alben. Und wen mögen Sie, Tom?«

      »Auch ich mag Jazzmusik, und zwar in allen Varianten. Dann mag ich vor allem meinen besten Freund Bob Marden. Er steht erst am Anfang seiner Karriere, aber er macht Musik wie kein anderer. Und dazu ist er auch noch ein Dichter. Die Songtexte, die er schreibt, sind sehr poetisch. Ansonsten hüte ich mich davor, meine musikalischen Vorlieben kundzutun. Das steht dann am nächsten Tag wieder in allen Boulevardzeitungen. Mir wurde schon oft aufs Butterbrot geschmiert, dass ich den einen oder anderen Musiker nicht wohlwollend erwähnt hätte. Also halte ich mich zurück. Ihnen kann ich jedoch verraten, dass ich jede Musik mag, die gut ist.«

      »Sehr aussagekräftig! Danke für Ihr Vertrauen, Tom!« Sie lachte. »Spielen Sie selber auch ein Musikinstrument?«

      »Ein bisschen Gitarre und Klavier. Wie viele meiner Schauspielkollegen. Nichts Besonderes. Und Sie?«

      »Ich hätte als Kind so gerne Klavierstunden genommen, aber ich hatte weder die Möglichkeit noch die Erlaubnis. Ich habe das immer so sehr bedauert und bewundere jeden, der spielen kann.«

      Tom schwieg einen Moment. Dann bat er Rosa: »Bitte, erzählen Sie mir etwas über diesen Teil Frankreichs! Es interessiert mich sehr. Ich kenne nur Paris und ein Stück der Côte d’Azur. Sie wissen schon. Die Filmfestspiele in Cannes.«

      Rosa stellte den CD-Player leiser und begann zu berichten. »BRETAGNE bedeutet soviel wie BRITANNIEN und der Name stammt aus der Zeit, als britannische Kelten, so etwa seit dem vierten Jahrhundert, von der Insel hierher nach ARMORICA, in das LAND AM MEER, auswanderten. Sie ersetzten den alten Namen einfach durch den Namen ihrer Heimat. Es ist also eigentlich das kleine Britannien, gewissermaßen ein Ableger des großen Britanniens, wo Sie, Tom, ja bekanntlich herkommen.«

      Er lachte. »Gut gegoogelt! Ich muss Ihnen übrigens ein Kompliment machen. Ihr Englisch ist ausgezeichnet und ihr französischer Akzent sehr charmant.«

      Rosa fuhr unbeirrt fort, obwohl ihr das Blut in die Wangen schießen wollte. Das war ihr das letzte Mal passiert, als… Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern.

      »Die