Marlin Schenk

Die Straße der Ritter


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kam hinzu. „Was ist passiert?“

      William stand auf. „Dem Mann wurden beide Beine zerquetscht. Er hat starke Schmerzen. Man muss ihm helfen, Tomas. Komm, hilf mir, ihn zum Schiff zu bringen.“ William bückte sich wieder.

      Tomas schaute mit weit aufstehendem Mund auf William herab. „Was denn, du willst...“ Er zeigte auf den Verletzten. „Du willst diesen Mann auf die Ga... - nee, mein Freund, vergiss dein Vorhaben. Das würde der Padrone nicht zulassen.“

      „Aber der Mann ist ein Ritter.“

      Tomas lachte auf. „Jetzt weiß ich endlich, wie ein Ritter aussieht. Ich wollte schon immer mal einen kennenlernen. Hat er dir das erzählt?“

      „Ja, das hat er“, sagte William laut. „Ich glaube ihm. Und jetzt hilf mir gefälligst.“ William schob dem Mann die Arme unter und versuchte, ihn hochzuheben. Er war schwerer als es den Anschein hatte. William schaffte es nicht, ihn hoch zu heben.

      Tomas lachte. „Du unbelehrbarer Trottel.“ Dann bückte auch er sich und half William auf die Beine. Sie packten den Verletzten und schleppten ihn zur Galeere. Diesmal brauchten sie sich nicht durch die Menge zu kämpfen Die Leute machten ihnen bereitwillig Platz und klatschten dazu.

      Als William und Tomas mit dem verletzten Albrecht die Schiffe erreichten, waren die Händler bereits damit beschäftigt, ihre Waren an Bord zu bringen. Sie legten den Mann zuerst einmal vor dem Kai ab und baten Francis, ein paar Stöcke aufzutreiben, um die Beine schienen zu können. Inzwischen säuberten sie die Wunden notdürftig von Schmutz, Knochensplittern und Fleischfetzen.

      Als Francis das Holz brachte, banden sie die Stöcke an die Unterschenkel. „Mehr können wir im Moment nicht tun“, sagte William. „Was wir brauchen, ist an Bord.“

      „Und es gehört dem Padrone“, sagte Tomas. „Ich glaube nicht, dass er davon etwas abgibt.“

      William hob die Schultern.

      „Ich danke euch“, presste der Söldner mühsam hervor. „Selbst, wenn ihr mich nicht mit auf die Galeere nehmen könnt, habt ihr schon viel für mich getan.

      Als die Händler die Schiffe verließen und mit ihren Karren scheppernd und polternd vom Hafenplatz rollten, drängten sich wieder eine Menge zerlumpter Gestalten an die Gangways. Es waren Söldner, Handwerker und Seeleute, die auf den Galeeren anzuheuern versuchten, doch die Schreiber wiesen sie schroff zurück. Sie riefen in die Menge: „Verschwindet, Leute. Hier gibt es nichts zu sehen oder zu holen. Macht euch nach Hause und ebnet den Weg für die Kämpfer Gottes, die nun an Bord gehen werden.“

      Als sich niemand rührte, pfiffen Peitschen durch die Luft und frönten ihrem schmerzlichen Laster. Schnell war der Platz geräumt. Schon wenige Augenblicke später erschienen die Sklavenaufseher mit ihrem unglücklichen Gefolge. Grob drängten sie die Männer an Bord. Dann versammelten sich die Ritter, Schiffsleute, Söldner und Reisenden vor den Galeeren - weit über tausend Menschen - um die Ansprache des Generalkapitäns zu hören. Leise klimperten sie mit den Waffen und rasselten mit den Kettenhemden.

      Der Generalkapitän baute sich am Heck auf und sprach laut in den dunstigen Morgen hinein. „Ritter, Schiffsleute und Reisende. In wenigen Augenblicken werden wir in See stechen. Unser nächstes Ziel wird La Coruna in Spanien sein. La Coruna ist 400 Seemeilen entfernt, wenn wir den Golf von Biscaya an der Westtangente schneiden. Fahren wir aber an Frankreichs Küste entlang, dann ist es ungleich weiter und dauert entsprechend länger. Wir haben genügend Proviant an Bord, um die Etappe durchzustehen, selbst dann, wenn der Wind ausbleiben sollte. Heute Morgen weht ein frischer Wind aus Nordwest, und wenn er nur drei Tage anhält, dann haben wir La Coruna erreicht. Wir segeln ohne Unterbrechung, und wenn wir in eine Flaute geraten, müssen die Ruderer ran. Sollte über einen längeren Zeitraum Windstille herrschen, dann rudern wir zwanzig Stunden am Tag und machen vier Stunden Pause. Wir haben gute Lotsen an Bord, die uns die richtige Route berechnen können, so dass keine Schwierigkeiten zu erwarten sind. Wer vor dieser Etappe Schiss hat, der soll wissen, dass uns noch weit schlimmere Abschnitte bevorstehen werden. Von Spanien nach Italien wird es doppelt so weit sein. Also macht euch keine Sorgen um das bisschen Wasser, das uns jetzt bevorsteht. Wir machen keine Vergnügungsfahrt, sondern haben es eilig, denn wir müssen unseren Brüdern in Rhodos zur Hilfe kommen. Dabei kommt es auf Tage, vielleicht sogar auf Stunden an. Das solltet ihr wissen, bevor ihr unseren Entschluss verurteilt. Mit Gottes Hilfe sind wir in drei Tagen in La Coruna, wenn der Teufel seine Finger im Spiel hat, dauert es doppelt so lange. Und nun kommt an Bord.“

      Die Menge johlte und klatschte Beifall. Dann kam Bewegung in die Masse, die sich teilte und an Bord der beiden Galeeren strömte. Unter ihnen war William. Während Tomas und Francis bei dem Verwundeten blieben, suchte er den ersten Offizier auf. Er stand in der Nähe des Kapitäns und schaute William erwartungsvoll entgegen. „Was kann ich für dich tun, Bruder?“ fragte er, als William mit einer zackigen Verbeugung vor ihm Halt machte.

      „Ich möchte mit dem Kapitän sprechen“, antwortete William. „Könnt Ihr das für mich arrangieren, Sir?“

      Der Offizier zog die Brauen hoch. „Was willst du beim Padrone, Bruder?“

      „Am Kai liegt ein Verwundeter. Man hat ihm beide Beine zermalmt. Ihm muss geholfen werden. Unsere Pflicht verlangt es. Wir sind Hospitaler.“

      Das Gesicht des Offiziers glich dem eines Mannes, der mit einem Verwirrten sprach. „Wie stellst du dir denn diese Hilfe vor, Bruder? In wenigen Augenblicken legen wir ab.“

      William faltete die Hände zusammen und flehte: „Lasst ihn an Bord kommen, Sir. Ich könnte ihn pflegen, und er wäre vielleicht wieder gesund, wenn wir Rhodos erreichen. Wenn nicht, so gibt es dort ein Krankenhaus, wo er genesen kann.“

      Der Offizier winkte ab. „Du willst dich mit einem Bettler belasten?“

      „Vielleicht ist er ein Bettler, Sir. Aber er ist auch ein Mensch, ein Adliger dazu. Und wir sind Hospitaler. Sind das nicht genug Gründe, damit ihm geholfen wird?“

      Der Offizier holte tief Luft. „Warte.“ Er ging zur Plattform und bat den Padrone, ihn herauf zu kommandieren.

      William sah den Mann die Terrasse betreten. Dann sprach er auf den Kapitän ein. Dieser nickte, schüttelte den Kopf, nickte wieder und winkte schließlich ab.

      William glaubte bereits, die Meinung des Padrone zu kennen. Man würde die Taue kappen und in See stechen, ohne noch einmal einen Blick auf den Mann zu werfen.

      Doch dann kam der erste Offizier zurück. „Bringt ihn an Bord“, sagte er mit einem Seufzer. „Aber bevor du das tust, sollst du wissen, dass für ihn keine Pritsche frei ist und kein Proviant geladen wurde. Wenn du ihn füttern willst, dann mit deinem eigenen Anteil, und wo er schlafen soll, musst du dir überlegen. Nun geh.“

      William ergriff das Gewand des Offiziers und küsste das Kreuz Jesu. Dann verließ er die Galeere. Mit Tomas' Hilfe brachte er Albrecht von Hohenstetten an Bord und legte ihn auf seine Pritsche. Wenig später schaukelten die Galeeren auf den Atlantik hinaus.

      8. Altes Eisen

      Die Sklaven hatten die Erlaubnis bekommen, ihre Ruder einzuziehen, denn von Nordwesten her wehte eine frische Brise, die die Galeeren flott übers Wasser blies. Die rhodischen Seeleute hatten alle Segel geheisst, und die Lotsen warfen ihre Schnüre ins Meer, um die Geschwindigkeit zu messen. „Fast sieben Knoten, Sir“, rief einer dem Offizier zu, und dieser nickte zufrieden.

      Im Bauch des Schiffs kniete William vor seiner Pritsche, auf der Albrecht von Hohenstetten lag. Die Brüche waren nun so gut es ging behandelt, wenn auch der Kapitän nichts aus seiner Privatapotheke herausgerückt hatte. Der Mann schlief, und William trieb es an Deck, wo sich Tomas mit Francis unterhielt. Sie schienen langsam Gefallen aneinander zu finden. In einer anderen Ecke des Schiffs standen die drei Franzosen, und als Robert de Lastic William sah, grüßte er ihn zurückhaltend. Wieder in einer anderen Ecke standen die beiden Deutschen. William ging auf sie zu und begrüßte sie, indem er sich dezent verbeugte und seinen Namen sagte.

      „Ich