Marlin Schenk

Die Straße der Ritter


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so dass ihre Arbeit leicht war und gut voranging. Sie fetteten die Lumpen dick ein und kneteten sie zu einer breiigen Masse zusammen, womit sie die Fugen verdichteten, indem sie das Produkt gut in den Ritzen verschmierten. Danach teerten sie die Stellen ab, nahmen ihre Eimer und verließen die Bankreihe.

      „Gute Arbeit“, sagte der Unteroffizier. Jetzt muss nur noch das Wasser raus.“

      Dazu hatte der Padrone den Comito di Rispetto (Matrosenaufseher) angewiesen, ein paar Matrosen für die Aufgabe zu bestimmen. Sie schöpften so viel Wasser aus dem Rumpf, wie ihnen möglich war, und als sie ihre Arbeit beendet hatten, schlossen sich wieder die Ketten um die Fußgelenke der Rudersklaven.

      Der Unteroffizier grinste breit. „Das hast du gut gemacht, Sklave“, sagte er. Dann zog auch er sich zurück.

      Der Aggozino war nun wieder allein mit den Ruderern. Unter Deck wurde es durch das eingedrungene Wasser schwül, und der Aufseher schwitzte. Erregt sah er Osman Salaiman an. „Verdammter Hurensohn“, keuchte er. „Hat dir wohl Spaß gemacht, mich nass zu spritzen, was?“ Er spuckte dem Sklaven ins Gesicht. „Pass auf, du muslimischer Teufel. Ich schick dich in die Hölle, das schwör ich dir. Weißt du, was ich hier in der Hand habe? Kennst du das, ja?“

      Oh ja, Osman kannte die Peitsche. Sie war so etwas wie eine strenge, grausame, aber vertraute Gouvernante, ohne die er keinen Tag verbringen konnte. Sie war ständig um ihn herum, beobachtete, was er tat und wartete darauf, dass beim Rudern seine Kräfte nachließen, damit sie ihm seinen Rücken aufreißen und Schmerzen in seine Wunden legen konnte. Für ihn war die Peitsche eine schwarze Schlange, gefährlich und immer darauf erpicht, ihn zu quälen. Und auch diesmal entrollte sie sich wieder und pfiff durch die Luft. Der Schmerz, den er schon seit Jahren regelmäßig auf die Haut gepflanzt bekam, erfasste seinen Körper. Er hatte schon so viele Hiebe abbekommen, dass er glaubte, es müssten mehr sein als Wassertropfen im Atlantik. Anfangs hatte er noch geglaubt, sich daran zu gewöhnen. Dann wäre dieser Schlag nun nicht mehr als ein weiterer Strich auf seinem Erlebniskonto gewesen. Aber er hatte sich nicht daran gewöhnt, und dieser Schlag war so individuell wie der Mann, der ihn ausführte, so einmalig wie der Hass auf diesen Menschen. Osman senkte den Kopf und versuchte, die Schläge ohne besondere Regung über sich ergehen zu lassen. Und als der sechste oder siebte Schlag sich in die Haut grub, erschien einer der Unteroffiziere. „Halt ein, Mann“, brüllte er. „Was hat der Sklave getan?“

      Der Folterer spuckte auf die Planken. „Er - er hat mich nass gespritzt“, hechelte er.

      „Wir brauchen jeden Mann, verdammt noch mal. Wenn wir einen Ruderer verlieren und in eine Flaute geraten, dann nimmst du seinen Platz ein, Agozzino. Merk dir das. Wenn ich dich noch einmal bei einem so unkontrollierten Ausbruch erwische, dann wirst du auf ein Monatsgehalt verzichten müssen. Und nun teilst du das Essen aus.

      Der Agozzino nickte.

      Ein paar Augenblicke später erschien der Rezeptor unter Deck. Ihm folgten ein paar Männer mit Nahrungsmitteln in Körben und Töpfen. Sie begannen, das Essen auf Schüsseln zu verteilen. Diese Schüsseln reichten sie dem Agozzino, der sie wiederum an die Sklaven weitergab. Jeder Sklave erhielt Suppe, Käse, Öl und Wein. Als er die Schüssel an Osman Salaiman gab, trafen sich die Blicke der Männer. Die Augen des Sklaven waren schwarz wie Oliven, und in ihnen loderte ein Feuer, das dem Agozzino für einen Moment einen Schauer über den Rücken jagte. Er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, als er den Sklaven schlug, verdrängte den Gedanken aber sogleich wieder. Was sollte der Mann ihm schon anhaben können? Als die Essensausgabe beendet war, hatte er den winzigen Schauer von Angst wieder vergessen.

      Nach der Mahlzeit rief der Ordenskaplan des Schiffs zu einer Messe auf. Es war die erste Messe an Bord, seit sie England verlassen hatten, und Tomas und William freuten sich, die Sakramente empfangen zu können.

      11. La Coruna

      Die Zeit war bereits zum Ende des Mais vorgerückt, als die Galeeren La Coruna erreichten. Die Schiffe liefen in den Hafen ein und wurden vertäut. Dann ordnete der Generalkapitän an, die Sklaven in die Gefängnisse bringen zu lassen. Auf jedem Schiff sollten jedoch dreißig Unfreie zurückbleiben, um verschiedene Arbeiten zu erledigen. Den Kalfatern wurde aufgetragen, die provisorisch reparierten Fugen richtig zu verdichten.

      Die reisenden Ritter verließen die Schiffe. Nach tagelangem Schaukeln auf Wind gepeitschtem Wasser waren alle froh, wieder einmal festen Boden unter den Füßen zu haben. William hatte dafür gesorgt, dass Albrecht von Hohenstetten an Bord gut versorgt wurde. Nun ging er zusammen mit Tomas und Francis in Richtung Stadtzentrum, um sich die fremde Siedlung einmal näher anzusehen. Als sie sich dem Marktplatz näherten, erschnüffelte William einen seltsamen Geruch, der in der Luft lag. „Riecht nach einer Hexenverbrennung“, sagte er.

      „Ich tippe eher auf gebratene Juden oder Mauren“, sagte Francis. „Zwangsgetaufte Ungläubige, die dabei erwischt werden, wie sie ihrer gotteslästernden Religion frönen, finden sich schnell auf dem Scheiterhaufen wieder, egal ob Jude oder Muslim. Erst vor kurzem hat Papst Sixtus IV eine Inquisition gestattet, um Marranos und Moriscos von der Halbinsel zu vertreiben, denn sie zerstören hier die gesamte Kultur. Sie haben ihre Finger überall drin: In Wirtschaft, Literatur, Kunst, Medizin, Astrologie, Dichtung, Musik - ich könnte noch viel mehr aufzählen. Aber seit der Großinquisitor Tomas de Torquemada, ein Dominikaner, seine Pflicht tut, herrscht Ordnung in Spanien. Man sagt, er geht mit unvorstellbarer Grausamkeit zu Werke.“

      „Du weißt ja gut Bescheid“, lobte William und zweifelte im gleichen Augenblick daran, ob er es wirklich als Lob gemeint hatte.

      „Hat mir ein Mann aus Sevilla auf der Fahrt nach England erzählt. In Sevilla begann die Inquisition. Aber schon nach ein paar Tagen hatte sie ganz Spanien, Kastilien und Aragon im Griff.“

      „Was für ein Glück, dass keine Spanier an Bord kommen, und überhaupt, dass es in Rhodos keine spanische Zunge gibt“, sagte eine Stimme von hinten.

      William drehte sich um und erkannte Robert de Lastic. „Warum?“

      „Ich mag keine Spanier. Sie sind nur für eines nütze.“

      „Und das wäre?“

      „Sie sind gut im Aufspüren von neuen Gebieten und Inseln, die unsere Flotte dann einkassiert. Das erspart uns eine Menge Arbeit.“

      „Und weil sie sich dabei wehren, deshalb hasst du die Spanier, nicht wahr, Bruder Robert?“

      Tomas packte seinen Freund am Arm und sagte: „Komm, lass doch diesen Armseligen.“

      „Halte du dich da raus, du Inselaffe“, keifte Robert in Tomas' Richtung. „Die Spanier sind selbst dran schuld. Warum wehren sie sich auch gegen uns? Wir Franzosen haben die größte Flotte in Europa. Dagegen haben die Meseten doch keine Chance. Wir könnten es alle einfacher haben, wenn sie die entdeckten Gebiete kampflos übergeben würden.“

      „Mein Gott, hat der eine Ansicht“, sagte Francis. „Lasst uns gehen.“ Sie ließen de Lastic mit seinen Begleitern einfach stehen und entfernten sich.

      „Und außerdem verbrennen sie Juden“, rief er den Engländern hinterher.

      „Dieser Grünschnabel hasst einfach alles und jeden“, sagte William. „Das kann ja ganz lustig werden, wenn wir erst auf Rhodos sind und mit Brüdern, die sich gegenseitig hassen, für eine gemeinsame Sache kämpfen wollen. Was meint ihr?“

      Tomas lachte und schlug seinem Freund auf die Schulter. „Da hast du Recht.“

      „Keine Angst, dir passiert nichts, William“, sagte Francis. „Ich beschütze dich vor fremden Schwertern. Denk doch an unser Duell.“ Er lachte schallend. „Kommt, lasst uns gehen, Freunde.“ Er lachte immer noch, und seine Heiterkeit brach sich an den Mauern der Stadt.

      William hatte in den letzten Tagen die Bedrohung vergessen, aber Francis, den er mittlerweile für einen Freund hielt, schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn mit der Angst zu quälen. William konnte nicht verstehen, was der Mann damit bezweckte, noch wusste er, ob Francis es wirklich ernst meinte. Er