Natalie Bechthold

Dem Feind versprochen


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Balthasar seine Verlobte zu ihrer Schlafkammer.

      „Ich werde Euch eine Kammerfrau schicken. Sie wird Euch beim Umziehen helfen.“

      Sie sagte nichts.

      Er öffnete ihr die Tür und führte sie an der Hand hinein. Neugierig ließ er seinen Blick über die Kammer wandern. Obwohl er gern mit ihr ein paar Worte gewechselt hätte, traute er sich nicht. Der Mord an ihrem Vater hinderte ihn daran. Deshalb versuchte er auf eine andere Weise in ihr Herz zu sehen. Die Einrichtung der Kammer wirkte sehr weiblich, aber die Puppen verliehen ihr einen kindlichen Hauch. Balthasar warf einen kurzen Blick auf seine Verlobte. Ihr konnte man ansehen, dass sie nicht glücklich war. Und den Grund dafür wusste er. Doch es war die Entscheidung des Königs und nicht seine. Wenn es nach ihm ginge, so wäre sie bereits tot.

      Balthasar ging auf sie zu, legte die Hand unter das Kinn und hob das Gesicht an, bis sich ihre Blicke trafen. Stephania sah in seine dunkelbraunen Augen. Er hatte dunkle, kräftige Augenbrauen. Sein kräftiges Kinn war mit Bartstoppeln übersät.

      Balthasar las Angst in ihren Augen. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie zum Abschied auf die Stirn.

      „Gute Nacht, Gräfin.“ Er blieb bei der förmlichen Anrede. Damit wollte er ihr zeigen, dass er ihr Zeit gab, sich an ihn zu gewöhnen.

      Nachdem er wieder gegangen war spürte Stephania, dass ihre Hände noch immer vor innerer Aufregung zitterten. Was habe ich nur getan?, bereute sie vor den König getreten zu sein. Ich habe mir selbst eine Schlinge um den Hals gelegt. Eine Träne drohte über ihr Gesicht zu gleiten.

       ***

      Am nächsten Morgen ging Gräfin Stephania im schwarzen Trauerkleid über den Flur zur Speisehalle. Die Fenster des Flurs mit dem Blick in den Hof standen alle offen. Eine leichte, frische Windbrise wehte hinein.

      Plötzlich packte sie jemand am Arm, hielt ihr den Mund zu und schob sie in eine kleine Kammer. Stephania wehrte sich, doch ihr Entführer war stärker als sie.

      „Pschhhhht …“, flüsterte er im Halbdunkeln. „Wehe, Ihr schreit.“ Langsam nahm er die Hand von ihrem Mund.

      „Was fällt Ihnen ein?!“, schimpfte sie.

      „Das muss ich Euch fragen.“ Lucas war wütend. „Ihr habt mir versprochen, mir zu vertrauen. Warum seid Ihr dann weggelaufen? Ich habe für uns Proviant besorgt und als ich wieder zurückkehrte, wart Ihr verschwunden. Mmh?“

      Die Abstellkammer war nicht besonders groß, sodass sie sich nah gegenüber standen.

      „Ihr habt gegen die Männer meines Vaters gekämpft und die Burg eingekommen, und dann soll ich Euch glauben, dass Ihr mir helfen wollt?“ Sie sah ihn misstrauisch an. „Sagt mir, hättet Ihr das an meiner Stelle getan?“

      Er schüttelte langsam den Kopf, als ob er noch immer darüber nachdachte.

      „Wohin hättet Ihr mich gebracht? Zu Euch nach Hause? Mich dort zu Eurer Gefangenen gemacht?“

      Lucas schwieg.

      „Sicher nicht zu meiner Verwandtschaft, die versucht hätte, an Euch Rache zu nehmen.“

      Lucas behielt seine Antwort für sich.

      Ihre Augen verengten sich.

      „Seht Ihr, deshalb habe ich es getan. Meine einzige Chance, um mein Leben zu retten, war der König.“

      „Seid Ihr mit seiner Entscheidung jetzt zufrieden?“

      Stephania zögerte mit der Antwort.

      „Ich weiß es noch nicht.“ Sie hasste es zu lügen und drehte deshalb das Gesicht von ihm weg.

      „Wenn Ihr es wisst, werdet Ihr es mir dann sagen?“

      Sie drehte das Gesicht zu ihm und fragte: „Warum wollt Ihr das wissen?“

      Er sah sie für eine gefühlte Ewigkeit an und antwortete: „Weil ich mich in Euch verliebt habe.“

      Im Halbdunkeln konnte sie noch erkennen, wie er verlegen wurde. Lucas empfand es als unangenehm, seine Gefühle einer Frau zu gestehen. Trotzdem unterbrach er den Blickkontakt nicht mit ihr.

      „Ich wüsste nicht, wie das meine Heirat mit dem Burgherrn verhindern würde.“

      Sicher würde es das nicht, dachte er.

      „Ihr habt recht“, sagte er.

      Wütend wandte sie sich von ihm ab und öffnete die Tür.

      „Aber ich wünschte, ich könnte etwas gegen Eure Heirat tun“, hörte sie ihn ein letztes Mal sagen.

      Sie drehte sich nach ihm um. Licht aus dem Flur fiel auf sein Gesicht. Sein Ton verriet, wie ernst es ihm war. Seine Worte brachten sie durcheinander. Schnell verließ sie die Abstellkammer. Er blieb noch einige Minuten darin, damit sie niemand zusammen sehen konnte und auf falsche Gedanken kam. Schließlich war sie jetzt die Verlobte seines Vetters war.

       ***

      Gräfin Stephania ging in die Speisehalle. Dort saßen einige Ritter und frühstückten mit dem Gefolge seiner Majestät. Stephania ging an den Gästen vorbei zur Kopfseite der Tafel und begrüßte den König mit einem Knicks. Zu seiner Rechten saß ihr zukünftiger Gatte und zu seiner Linken die schöne Frau mit dem seltenen Haar.

      „Guten Morgen, Gräfin von Rosenstein“, sagte der König gutgelaunt.

      Die schöne Frau an seiner Seite lächelte sie freundlich an. Gräfin Stephania erwiderte zögerlich ihr Lächeln.

      An seiner guten Laune konnte sie erkennen, dass er in der Nacht gut geschlafen hat. Deshalb sah sie es für nicht notwendig, ihn danach zu fragen, was normalerweise ihre Pflicht wäre.

      „Setzt Euch neben mich.“ Der Burgherr stand auf und zog den freien Stuhl heraus. Stephania ging zu ihm. Erst beim näheren Hinsehen fiel Balthasar auf, dass sie leichte, dunkle Schatten unter den Augen hatte.

      „Danke“, sagte sie tonlos und setzte sich.

      Er schnippte mit den Fingern und ein Diener kam sofort herbei. Er schenkte ihr warmen Früchtetee ein, so wie sie es jeden Morgen gern hatte, und entfernte sich wieder. Stephania bediente sich selbst. Es gab frisch gebackenes Brot, dazu Butter, Wurst und Käse. Wer einen süßen Aufstrich wollte, der konnte zur Marmelade greifen, die ebenfalls auf dem Tisch stand.

      „Herr Graf, was haben Sie heute geplant?“, fragte der König interessiert, als er die zweite Scheibe Brot nahm.

      Der Burgherr kaute zu Ende und antwortete seinem Gast, ohne dass Stephania ihm dabei zuhörte. Sie aß schweigend ihr Frühstück und ließ hin und wieder in Gedanken versunken ihren Blick durch die Halle wandern. Ritter scherzten mit Edelfrauen, Edelherren vertieften sich mit anderen in Gespräche oder buhlten um die Aufmerksamkeit ihrer Begleiterinnen, welche die Ritter um ihre Stärke bewunderten. Sie sind alle so glücklich und zufrieden. Ich wünschte mir, ich wäre eine von ihnen, beneidete Stephania die Edelfrauen in kostbaren Kleidern.

      „Möchtet Ihr nicht auch mitkommen und uns dabei zusehen?“, wurde sie plötzlich gefragt.

      Stephania drehte das Gesicht zu ihrem Verlobten und fragte: „Wie bitte?“

      „Unsere Majestät, die Ritter und ich werden auf dem Übungsplatz gegeneinander antreten. Möchtet Ihr uns dabei zusehen?“

      Die Frau mit dem feuerroten Haar beugte sich vor und fing den Blick der Gräfin auf. Sie schüttelte den Kopf als Antwort. Gräfin Stephania verstand nicht, weshalb sie ihm mit einem Nein antworten sollte, doch sie wollte ihren Rat befolgen.

      „Es tut mir leid, aber …“, begann sie und suchte schnell nach einer Ausrede, um den Übungen fernbleiben zu können. „Ich muss mit dem Brautkleid beginnen, damit es rechtzeitig fertig wird.“

      Ein Lächeln huschte über die Lippen des Burgherrn. Das hatte sie nicht erwartet.