Natalie Bechthold

Dem Feind versprochen


Скачать книгу

antwortete, packte er sie am Hals und kam mit seinem Gesicht ihrem näher, sodass sie seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren konnte.

      „Sag schon oder ich werde andere Mittel gebrauchen, um eine Antwort von dir zu bekommen.“ Ritter Lucas sah die Furcht in ihren Augen.

      Sie öffnete den Mund, um zu antworten, konnte aber nicht. Er ließ ihren Hals los.

      „Niemand, außer mir“, sagte sie schließlich.

      Er legte den Kopf schief und sah sie von der Seite an. Sie fühlte sich in seiner Nähe sehr unwohl, bedrängt. Lucas sah sie weiter stillschweigend an. Als ihr bewusst wurde, dass der Abstand zwischen ihnen viel kleiner war als erlaubt, bekam sie rosarote Wangen und wand das Gesicht verlegen von ihm ab. Sie sah zum Schreibtisch. Lucas grinste.

      „Wie ist Euer Name, edle Maid?“

      „Erinnert Ihr Euch nicht mehr? Ihr selbst habt mir einen Namen gegeben. Wenn ich mich recht erinnere, heiße ich Saphira“, antwortete sie ihm frech.

      Mit einer Hand drehte er ihr Gesicht zu sich.

      „Dann hört mir zu, Saphira. Ich weiß sehr wohl, wer Ihr seid. Auf dieser Burg gehört Ihr mir!“

      „Ihr habt kein Recht …“ Ehe sie weiter sprechen konnte, packte er sie und warf sie sich über die Schulter. Sie strampelte mit den Beinen.

      „Wenn du schreist, bist du tot.“ Es war eine Warnung, keine Drohung.

      Ritter Lucas ignorierte die Faustschläge auf seinem Rücken und schob das Regal mit der anderen Hand zurück an seinen alten Platz.

       ***

      Er brachte sie in seine Schlafkammer, warf sie auf sein Bett und stellte sich breitbeinig davor. Saphira lag auf dem Rücken. Sie stützte sich mit beiden Händen auf der Strohmatratze ab und sah ihn ängstlich an. Die Tür hinter ihm fiel leise ins Schloss.

      „Was habt Ihr mit mir vor?“

      „Das, was alle Männer mit Frauen machen.“ Obwohl er dies als Scherz gemeint hatte, blieb sein Gesicht ausdruckslos. Er öffnete seinen Gürtel und kam damit auf sie zu.

      „Neiiin.“ Sie stieß sich mit den Beinen ab, schob sich nach hinten. Doch in der nächsten Sekunde saß er auf ihr, packte grob ihre Hände und fesselte sie mit seinem Gürtel. Sie wehrte sich, doch er war stärker.

      „Nein, nicht!“ Saphira gab den Kampf nicht auf. Sie strampelte mit den Beinen.

      „Wenn du mir weiter Ärger machst, dann wirst du mich von einer anderen Seite kennenlernen.“ Seine Stimme war hart und kalt, seinen eigenen Ohren fremd. Saphira nahm seine Drohung sofort ernst und hörte mit dem Strampeln auf.

      „Ihr seid ein Schurke!“ Wut loderte in ihren Augen.

      „Vorsichtig! Urteile nicht zu schnell.“ Er stützte seine Hände links und rechts von ihrem Kopf ab und sah ihr in die Augen.

      „Ich habe dir das Leben gerettet. Dafür schuldest du mir noch Dank.“

      „Mein Leben“, zischte sie zurück. „Ihr habt mich bei meiner Flucht gehindert.“

      „Vorsicht, Saphira! Du als Frau wärst allein nicht weit gekommen. Jemand anders, der womöglich noch viel schlimmer ist als ich, wäre früher oder später auf dich gestoßen und hätte mit dir Dinge angestellt, die ich nicht beim Namen nennen möchte.“

      „Was kann schlimmer sein, als das, was Ihr mit mir vorhabt?“

      Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

      „Darüber könnt Ihr selbst entscheiden.“

      Er stieg aus dem Bett. Lucas zog seine rote, ärmellose Tunika und das weiße Hemd aus. Saphira hob den Kopf und erblickte ihn halbnackt. Hitze stieg in ihre Wangen. Sein Blick begegnete ihrem. Sofort huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Verlegen wandte sie ihr Gesicht von ihm ab und sah zur Tür. Als er sich auf einen Stuhl setzte, um sich die Stiefel auszuziehen, sprang sie blitzschnell auf, stolperte über das Ende der Bettdecke, die teilweise auf dem Boden landete, und rannte zur Tür. Mit beiden Händen drückte sie die Türklinke hinunter und wollte aus der Schlafkammer flüchten. Doch Ritter Lucas war schnell bei ihr. Mit der einen Hand umfing er ihre Taille und der anderen verschloss er ihren Mund. Stieß mit dem Fuß gegen die Tür, dass sie wieder ins Schloss fiel und warf Saphira erneut auf das Bett. Diesmal war er wirklich wütend. Breitbeinig und mit den Händen auf den Hüften stand er vor ihr.

      „Was fällt dir ein? Willst du, dass die Männer dich entdecken? Meinst du, sie würden dir helfen?“ Seine Augen funkelten sie böse an. Dann schüttelte er den Kopf.

      „Keiner würde dir helfen. Auch nicht, wenn du sie freundlich darum bittest. Das musst du doch wissen!“ Er machte eine kurze Pause.

      „Deine Burg ist eingenommen. Dein Zuhause gehört jetzt einem anderen, versteh das! Dass du hier bist, ist verrückt. Ein glatter Selbstmord!“ Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

      Saphira blies eine schwarze Strähne aus dem Gesicht.

      „Das wusste ich vorher nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen glänzten. „Sonst wäre ich nicht hier.“ Eine Träne glitzerte auf ihrer Wange.

      Der Ritter kam näher, ging in die Hocke und sah sie an.

      „Hör zu. Ich bin bereit dir zu helfen. Aber nur wenn du mir versprichst, dass du mir keinen Ärger machst und mir vertraust.“

      Seine hellblauen Augen sahen sie freundlich an. Saphira sah ihm ins Gesicht und glaubte ihm. Sie nickte. Streckte ihm ihre gefesselten Hände entgegen. „Dann macht mich los.“

      Doch er schüttelte den Kopf.

      „Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann.“

      „Du hast mein Wort.“

      „Mh-hm“, war seine letzte Antwort. Dann stand er auf und machte ihr ein Zeichen, weiter zu rutschen.

      „Wir werden doch nicht in einem Bett schlafen?“, fragte sie empört.

      „Siehst du ein anderes?“ Er zeigte mit der Hand in den Raum.

      „Nein, aber… Ich bin von edler Geburt.“

      „Ich auch. Das macht es umso einfacher.“ Er schob sie weiter zur Wand und schlüpfte, nur mit einer Hose bekleidet, unter die warme Decke.

      „Du solltest jetzt besser schlafen.“ Dann legte er seinen Arm um ihre Taille und zog sie enger an sich. Sie spürte die Wärme seines Körpers an ihrem Rücken. Spürte die unbekannte Geborgenheit in seiner halben Umarmung. Spürte seinen warmen, regelmäßigen Atem auf ihrem Nacken. Saphira musste lächeln. Obwohl es sich für eine Jungfrau nicht ziemte neben einen Mann zu schlafen, so empfand sie nichts Schlechtes dabei. Müde fielen ihr die Augen zu und sie schlief bald ein.

      Ritter Lucas lag noch lange wach hinter ihr. Er atmete den süßlichen Duft ihrer Haut ein. Als er merkte, dass sie eingeschlafen war, stützte er seinen Kopf auf die Hand und strich sanft mit der anderen eine verirrte Strähne aus ihrem Gesicht. Lucas hatte schon viele Frauen in sein Bett gelockt. Doch diese vermochte er nicht anzurühren, obwohl sie ihm sehr gefiel. Ihm gefiel alles an ihr. Besonders faszinierten ihn ihre Augen. Du sollst mir gehören!, dachte er und lächelte. Aber vorerst werde ich dich von hier wegbringen.

      Die Fackel an der Wand erlosch wie von Geisterhand. Lucas legte seinen linken Arm um Saphiras Taille und schlief ein.

      Eine zweite Chance auf Freiheit

      Lucas erwachte lange nach Mitternacht. Ein Albtraum hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. In seinem Traum brannte ein Feuer. Schreie drangen an sein Ohr. Nur eine Person unter den Schreienden erkannte er. Es war Balthasar. Ob der Traum etwas zu bedeuten hatte? Lucas wollte es nicht wissen. Er glaubte nicht an Träume. Um auf andere Gedanken zu kommen, stieg er leise aus seinem Bett, warf sich das Hemd über, schlüpfte in die Stiefel und verließ die Schlafkammer.