Natalie Bechthold

Dem Feind versprochen


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so etwas könnte ich nie vergessen.“ Das stimmte.

      Der Begleiter klopfte Ritter Balthasar lachend auf die Schulter. „Ach komm, das ist deine erste Burg und du bist auch nur ein Mensch.“

      Vorsichtig ließ der Ritter seinen Blick durch die Kammer wandern. Aber er konnte nichts verändert vorfinden.

      „Du magst lachen, aber ich muss vorsichtig sein. Ich bin nur einen Tag Burgherr. Wenn ich nicht aufpasse, könnte ich morgen schon tot sein.“

      „Da gebe ich dir recht.“

      Ritter Balthasar steckte sein Schwert in die Scheide.

      „Meinst du, sie könnte Anhänger haben?“, fragte der Burgherr besorgt und setzte sich hinter den Schreibtisch.

      „Wen meinst du, die Gräfin?“, fragte sein Begleiter. Er ging zur Tür und schloss sie, damit sie ungestört miteinander reden konnten.

      „Mh-hm.“

      „Nein, nicht unter der Dienerschaft. Und die Ritter ihres Vaters und die Burgwache sind alle tot. Warum machst du dir jetzt Sorgen? Du hast ihre Burg erobert und basta. Sie gehört nun dir.“ Der Begleiter konnte Ritter Balthasar nicht verstehen.

      „Wäre sie hier, hätte ich sie getötet. Aber sie ist es nicht“, erklärte er.

      Als Gräfin Stephania diese Worte hörte, wurde sie kreidebleich.

      Der Begleiter lehnte sich mit verschränkten Armen vor der Brust gegen den Schreibtisch und sah zum Fenster. Draußen war es bereits dunkel.

      „Dann lass sie herkommen, ohne das Wissen, dass du ihre Burg eingenommen hast.“

      Ritter Balthasar starrte nachdenklich auf den Rücken seines Vetters und nickte schließlich. Damit der Brief keine Zweifel aufkommen ließ, ließ er den Schreiberling zu sich rufen. Der Burgherr holte ein Pergament in der Größe eines Briefbogens aus der Schublade des Schreibtisches sowie Tinte und Feder und legte es für den Jüngling bereit. Simon von Heine kam und setzte sich an den Schreibtisch. Er begann die Worte seines Herrn niederzuschreiben.

      Plötzlich wurde der Vetter auf eine geschlossene Truhe vor dem Fenster aufmerksam. Es war eine gewöhnliche Truhe, ohne irgendwelche Schnitzereien. Aber aus ihr ragte ein grauer Stoffzipfel. Dem Ritter kam der Stofffetzen sehr bekannt vor. Er warf einen kurzen Blick zu seinem Vetter, doch dieser war zu sehr auf den Brief konzentriert. Dann starrte er erneut zum Fenster, tat so, als ob er nichts bemerkt hätte und hörte im Hintergrund Balthasars diktierten Worten und das Kratzen der Feder auf dem Briefbogen.

      Nachdem Simon von Heine den Brief fertig geschrieben hatte, faltete er das Pergament sorgfältig zusammen und setzte das Siegel des verstorbenen Grafen darauf. Danach entließ ihn sein Herr.

      „Sie soll glauben, ihr Vater sei krank. Mit dieser Nachricht wird sie unverzüglich kommen“, erzählte Ritter Balthasar seinem Vetter, als sie wieder alleine waren. Dann ließ der Burgherr einen Boten holen und schickte ihn mit dem Brief fort. Kaum waren er und sein Vetter wieder allein, als schon das nächste Problem kam, das sofort gelöst werden musste. Ein Knecht führte seinen Herrn in den Hof, um zu zeigen, was geschehen war und Ritter Lucas blieb allein in der Schreibstube zurück.

      Er ging zur Tür. Sah wie der Burgherr mit seinem Knecht im Flur um die Ecke bog und verschwand. Dann stellte er sich mit gezücktem Schwert vor die Holztruhe und klopfte mit der Schwertspitze drei Mal auf den Deckel. Die Truhe ging einen Spalt auf. Im Fackellicht erblickte Gräfin Stephania dunkles Leder. Es mussten Stiefel sein, die nur einem Mann gehören konnten. Nackte Angst ergriff sie. Doch bevor sie den Deckel wieder schließen konnte, schob er seine Schwertspitze in den Spalt. Sie spürte das Metall an ihrer Schulter. Gräfin Stephania wagte nicht zu schlucken.

      „Wer auch immer du bist, komm heraus!“, befahl eine männliche Stimme.

      Der Deckel öffnete sich. Eine junge Frau legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm hinauf. Schwarzes langes Haar umgab ihr Gesicht. Seine Schwertspitze wanderte zu ihrer Kehle. Angst schimmerte in ihren Augen. „Bitte, tut mir nichts“, flehte sie ihn an.

      Der Ritter sagte nichts. Sah sie nur schweigend an. Schließlich ließ er sein Schwert sinken. Sie stand langsam auf, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, und stieg aus der Truhe. Diese Augen. Sie waren so schön. Leuchteten wie blaue Saphire. Und dieses Gesicht habe ich schon einmal gesehen, erinnerte er sich. Das hochgeborene Fräulein aus der Kutsche. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Schnell ließ er es wieder verschwinden.

      Sie wollte an ihm vorbeigehen, doch er versperrte ihr mit dem Schwert den Weg.

      „Wer seid Ihr?“

      Sie sah von seinem Schwert zu ihm auf.

      „Nur eine Dienstmagd, Euer Hochgeboren.“ Ihre Augen wichen nicht von den seinen.

      Er sah sie von oben bis unten an. Er wusste, dass sie ihn angelogen hatte.

      „Eine Dienstmagd würde den Augenkontakt mit einem Ritter meiden.“

      „Ich bitte um Entschuldigung.“ Sie fiel in eine tiefe Verbeugung.

      Er nahm ihr Kinn in seine Hand und hob ihr Gesicht an. Zwang sie, ihn anzusehen.

      „Ich weiß, wir sind uns schon einmal begegnet.“

      Wie hätte ich Euch jemals vergessen können? Sein Kuss hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Doch um zu überleben, musste sie lügen.

      „Sie irren sich, mein Herr.“

      „Lucas?“, rief plötzlich der Burgherr seinen Namen im Flur. Er kam in die Schreibstube geeilt. „Bist du noch hier? Ich dachte, wir könnten …“, brach er mitten im Satz ab, als er eine Frau in seiner Stube erblickte. „Wer ist sie? Und was macht sie hier?“

      Misstrauisch sah Ritter Balthasar sie an. Die junge Frau senkte ihren Blick.

      „Das ist … Saphira“, dachte sich Lucas schnell einen Namen aus, ehe sie selbst antworten konnte.

      „Ein zu schöner Name für eine einfache Dienstmagd“, stellte der Burgherr fest. Er kam zu ihr näher.

      „Was machst du hier, Saphira?“ Der Name gefiel ihm so sehr, dass er ihn unbedingt einmal aussprechen wollte. Der Name klang so schön, so edel und geheimnisvoll, dass er ihn nie vergessen wollte.

      Doch sie schwieg.

      „Hmm?“

      „Ich …“, begann sie leise und brach gleich wieder ab. Sie suchte nach einer sinnvollen Erklärung. „Mir wurde aufgetragen, das schmutzige Geschirr in die Küche zu bringen“.

      Ritter Balthasar drehte sich um und erblickte den Weinkrug und den Kelch auf seinem Schreibtisch.

      „Dann mach dich an die Arbeit.“

      Mit gesenktem Blick ging sie auf den Schreibtisch des Burgherrn zu, nahm das Geschirr und verließ die Stube. Bog nach rechts, ging den Flur wenige Meter entlang und versteckte sich im nächsten Türrahmen. Wie sie vermutet hatte, verließen auch der Burgherr und Lucas etwas später die Stube und gingen in die entgegengesetzte Richtung. Sobald sie um die Ecke bogen, schlüpfte sie aus ihrem Versteck und eilte zurück zur Schreibstube. Schnell stellte sie das Geschirr auf dem Schreibtisch ab, ging zum Regal und schob es mehrere Zentimeter zur Seite. Sie nahm eine leuchtende Fackel von der Wand und wollte gerade durch den Spalt schlüpfen, als sie plötzlich jemand am Arm packte. Drehte sie gewaltsam herum und presste sie mit dem Rücken gegen die Wand. Erschrocken sah sie dem Mann ins Gesicht. Er entriss ihr die Fackel aus der Hand und leuchtete ihr damit ins Gesicht.

      „Wohin so schnell?“ Seine Augen funkelten sie böse an.

      Er schielte zum Spalt.

      „Bist du auf diese Weise hergekommen?“, fragte er als sie ihm immer noch nicht antwortete.

      Ängstlich sah sie ihn an. Sie spürte das Messer an ihrer Kehle, das langsam abwärts wanderte, bis die Spitze direkt über ihrem Herzen stoppte. Sie drohte ihr Herz zu durchbohren, wenn sie