Nadja Christin

Natascha


Скачать книгу

hat ein Landhaus?«, fragte ich Josh. Er schaute von der Karte auf, und runzelte die Stirn.

      »Ja, hast du das nicht gewusst?«

      Ich schüttelte den Kopf.

      »Nein«

      »Ich glaube du hast so einiges nicht von ihm gewusst.«

      Er suchte weiter auf der Karte. Dann blieb sein Finger stehen.

      »Da. Da ist es.« Ich kam näher, um mir den Punkt einzuprägen und ihn wiederzufinden. Dabei stellte ich fest, dass es genau zwischen unserer Stadt und dem kleinen Dorf war, in dem Dennis mit seinem Vater und seiner Schwester wohnte. Wir waren also schon einmal daran vorbeigefahren. Ich konnte es nicht fassen. Sollte ich den beiden denn schon so nah gewesen sein und hatte es nur nicht gewusst?

      »Danke.« Dabei legte ich meine Hand auf seine, die immer noch den Punkt auf der Karte markierte. Er blickte mich nicht an. »Schon in Ordnung, ihr geht jetzt besser.«

      Seine Stimme wirkte gepresst.

      Justin und ich gingen zum Ausgang. Ich war schon gespannt, ob ich es diesmal wirklich hier raus schaffte.

      »Natascha?« Unwillkürlich musste ich grinsen. Fünfter Versuch fehlgeschlagen. Ich drehte mich um. »Ja?«

      »Sei bitte vorsichtig, Frank ist ein kranker Irrer. Du weißt nicht, wozu er fähig ist.« Josh schluckte kurz.

      »Seid vorsichtig.«

      Mir war nicht entgangen, dass er jetzt uns beide, Justin und mich, angesprochen hatte. Es freute mich ein bisschen.

      »Okay. Bis dann.«

      Diesmal gingen wir wirklich.

      Im Wagen angekommen meinte Justin:

      »Wart ihr beiden mal …« er suchte nach dem richtigen Wort, »Gefährten?« Seine Augenbrauen schoben sich zusammen.

      Ich sah über ihn hinweg, auf die geschlossene Tür von Joshs Laden.

      »Nein, aber es war schon irgendetwas … na ja, zwischen uns. Aber das ist vorbei.«

      Ich lächelte Justin an, bemerkte aber, wie es nicht meine Augen erreichte.

       Vorbei?

       Wirklich?

       Aus und vorbei?

      Fragte irgendetwas tief in mir drin. Ich gab dem Ding keine Antwort.

      Ich startete den Motor und fuhr in Richtung Landhaus. Justin saß schweigend neben mir, auch ich hing meinen Gedanken nach. Wer oder Was hatte da bloß eben zu mir gesprochen? Warum wurden die Dinge immer kompliziert, wenn sie doch gerade einfacher werden sollten. Ich grübelte weiter und horchte in mich hinein.

      Dabei bemerkte ich gar nicht, wie Justin immer wütender wurde. Wie er vor Zorn fast schon rauchte. Seine Augen blitzten und sprühten vor Hass.

      Ich bemerkte es nicht, ich lauschte nur dem monotonen Geräusch der Reifen, die unter mir rollten und mich näher an Frank brachten und hoffentlich auch zu Dennis.

      Ein scharfes Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Dann war ein Knurren zu hören, tief und bedrohlich. Ich überlegte wo dieser Laut herkam. Ich wollte Justin gerade fragen, ob er es auch hörte. Ich wendete meinen Kopf ihm zu und erstarrte.

      Gelbe Raubtieraugen funkelten mich an, die Zähne waren lang und spitz, sie blitzten im hellen Tageslicht. Das Gesicht war zu einer wütenden Fratze verzerrt.

      »Justin, was ist los?«, ich starrte ihn an.

      Seine Hände schnellten vor und umgriffen die Kante der Ablagefläche, über dem Handschuhfach. Seine Finger verkrampften sich und mit einem lauten Krachen hatte er ein Stück davon abgebrochen. Mit offenem Mund starrte ich auf seine Hände. Er ließ das Stück Plastik einfach fallen. Schaumstoff rieselte aus der klaffenden Wunde meines Mustangs. Justin drehte sich nach rechts und zerschmetterte mit einem Fausthieb die Seitenscheibe. Es knallte fürchterlich, Glas flog umher. Die kleinen Scherben setzten sich überall fest. Er ballte die Hand abermals zur Faust.

      »Hey, hör sofort auf damit«, brüllte ich ihn an, »du nimmst mein Auto auseinander. Was ist los mit dir?« Ich fuhr an den rechten Fahrbahnrand und hielt an.

      Die Faust immer noch im Anschlag blickte Justin mich mit diesen Funken sprühenden Augen an. Ohne den Blick von mir abzuwenden, schlug er auf das geschlossene Handschuhfach. Es knackte, krachte und Plastiksplitter schossen umher wie die Schrapnellteile einer Handgranate.

      Meine Hand schnellte vor und packte ihn am Arm.

      »Was zum Teufel ist los mit dir?« Ich musste brüllen, um das wahnsinnige Knurren, das aus Justins Inneren kam, zu übertönen.

      »Ich bin wütend«, knurrte er, holte mit der rechten Hand aus und donnerte sie gegen seine Tür. Der ganze Mustang wackelte und vibrierte.

      »So wütend war ich noch nie. Ich muss meine Wut raus lassen.« Er verzog kurz den Mund, es sollte wohl ein Lächeln sein.

      »Aber nicht an meinem Auto, verdammt;« brüllte ich zurück.

      Ich gab es ja nur ungern zu, aber ich hing sehr an meinem Mustang. Er war schließlich ein Oldtimer, Baujahr 1966, 4,7 Liter, V8 Motor. Er brachte satte zweihundertsiebzig Pferdchen auf die Straße. Er wurde liebevoll restauriert und mit einem herrlichen roten Lack überzogen. Aber am liebsten hatte ich ihn in einem Stück, heil und unversehrt.

      Ich hielt Justin an den Schultern und drehte ihn in meine Richtung. Immer noch hörte ich dieses drohende Knurren aus seinem Inneren. Ich suchte seinen Blick, sah in diese wütenden Raubtieraugen, nagelte sie mit meinen fest.

      »Was ist los mit dir?« Ich betonte jedes Wort, damit ich bis zu seinem Inneren durchdrang, über das wütende Knurren hinweg.

      Er fixierte mich, seine Brauen zusammengezogen, die Augen zuckten hin und her.

      Aber das Grollen wurde leiser, langsam floss die braune Farbe über das Gelb seiner Iris. Die Gesichtszüge entspannten sich. Das Knurren hatte ganz aufgehört.

      Justin zwinkerte ein paar Mal, dann sah er mich erstaunt an.

      »Was ist los? Warum hast du angehalten?« Seine Stimme war sanft, er blickte sich um.

      »Wir sind doch noch gar nicht da.«

      Ich ließ seine Schultern wieder los und starrte nach vorne. Er hatte sich auch wieder gerade hingesetzt und betrachtete nachdenklich die Stelle an der Ablage vor ihm. Schaumstoff quoll heraus, ein paar dünne Kabel waren zu sehen. Der gezackte Plastikrand gab dem Ganzen das Aussehen einer tiefen Wunde. Justin fuhr mit den Fingerspitzen leicht über das klaffende Loch.

      »Was ist das denn?« fragte er leise und schien wirklich erstaunt zu sein.

      »Das warst du«, ich wendete mich ihm zu, »ich habe dich nicht wiedererkannt, Justin. Du warst… so voller Wut.«

      Ich schüttelte meinen Kopf.

      »Was ist bloß in dich gefahren?«

      »Ich … ich weiß es nicht.«

      Er schob seine Brauen zusammen und blickte zur Seite.

      »Ich war ein bisschen sauer auf dich, das weiß ich noch. Das Nächste was ich sehe, bist du und das wir angehalten haben.«

      »Warum warst du sauer auf mich?«, fragte ich und war immer noch erstaunt, dass er von seinem Verhalten nichts mehr wusste.

      »Ach«, er machte eine kurze wegwerfende Handbewegung,

      »wegen Josh, und … dass ihr euch so vertraut seid, so nahe steht. Das hat mich ein bisschen wütend gemacht.«

      »Ein bisschen wütend?« Mein Ton wurde sarkastisch.

      »Das eben sah mir aber nicht nach ein bisschen wütend aus, sondern eher wie: komm her und ich reiß dir den Kopf ab wütend.«

      Justin verzog